4. Auswanderungsgesetzgebung

Ungefähr 50 Millionen Menschen dürften es wohl sein, die vom Ende des 18. Jahrhunderts bis jetzt Europa den Rücken gekehrt haben. Staat und Gesellschaft standen der Auswanderung zunächst feindlich oder wenn nicht das, so doch gleichgültig gegenüber. Die feudale Gebundenheit der Landbevölkerung und das unbedingte Bestreben des Staates nach möglichst großer Bevölkerung machte eine Auswanderung zum Verbrechen. Es war daher auch die Auswanderung im Anfang des 19. Jahrhunderts keine gleichmäßige fortwährende Erscheinung. Hier und dort wanderten zu ganz verschiedenen Zeiten geschlossene Massen aus, wenn sie dem politischen oder religiösen Druck unterlagen. Es waren wohl hauptsächlich diese beiden Gründe, die zur Auswanderung trieben. In ihrer Geschlossenheit waren die damaligen Auswanderer vor Gefahren geschützter, wirtschaftlich stärker als es die jetzigen sind. Sie bedurften weit weniger der Hilfe. Das änderte sich aber; religiöse und politische Gründe traten allmählich in den Hintergrund und an ihre Stelle trat mehr und mehr die wirtschaftliche Not, die die Auswanderung verursachte. Dadurch aber wurde die Auswanderung zu jenem gleichmäßigen Strome, der zwar von Zeit zu Zeit an- und abschwellen kann, aber ununterbrochen weiterfließt. Der Entschluss zur Auswanderung hängt jetzt auch weit mehr vom individuellen Entschluss des einzelnen ab, und ein jeder ist in höherem Maße auf sich selbst angewiesen, ist also den Gefahren der Auswanderung weit mehr ausgesetzt als früher. Die Kontinuität der Auswanderung und die wirtschaftliche Schwäche der Auswanderer waren es wohl auch, die die Regierung und die Gesellschaft dazu veranlassten, ihr Augenmerk und ihr Interesse dieser für die Entwicklung des Staates so wichtigen Erscheinung zuzuwenden. Wir haben nun auch in fast allen Staaten eine mehr oder weniger ausgebildete Auswanderungsgesetzgebung.