Die Ausstellung von Gemälden älterer Meister in München. II. Johann Van Eyck, Van Dyck und Andere

Aus: Die Grenzboten. Zeitschrift für Politik Literatur und Kunst. 28. Jahrgang. II. Semester. II. Band
Autor: Redaktion: Die Grenzboten, Erscheinungsjahr: 1869

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Kunst, Malerei, Gemälde, Alte Meister, Mittelalter, Galerie, Bilderschau, Ausstellung, München, Holbein, Dürer, Handwerk,
Mit Holbein und Dürer hat man die Reihe deutscher Bilder erschöpft, die auf der Ausstellung besondere Beachtung verdienen. Was uns sonst noch an Arbeiten deutscher Meister geboten wird, ist fast durchweg von zweifelhafter Herkunft und willkürlich getauft; die Bilder selbst haben wenig Anziehungskraft. Nur ein einziges, die „Aussendung der Apostel durch Christus" von Wohlgemuth (jetzt in die Münchener Frauenkirche gehörig), können wir als zweifellos dieses Namens würdig bezeichnen. Es hat das volle Gepräge des rauen und derben Realismus, welcher an diesem Meister bekannt ist; die unerfreulich hässlichen Gesichter sind übrigens hier durch Übermalung über das gewöhnliche Maß verunstaltet. — Und was von der deutschen Schule, das gilt in noch höherem Grade von der flämischen. Denn unter den zahlreichen Porträts und Heiligenbildern, die uns mit niederländischen Künstlernamen vorgestellt werden, befindet sich nur von Einem Meister etwas wirklich Hervorragendes, und dies ist glücklicher Weise Van Eyck. Eins von den fünf Bildern, die ihm zugeschrieben sind, steht auf absoluter Höhe. Es ist das dreiviertel nach rechts gewandte Brustbild eines Mannes von 60 Jahren, der Kreuz und Glöckchen des Antoniusordens um den Hals trägt; die Augen blicken grad heraus, der Mund steht halb offen, die Hände hält er leicht geballt in die Höhe der Brust, eine Bewegung, deren Absicht nicht deutlich ist, nur hat er in den Fingern der Rechten drei wilde Nelken (daher die Benennung l’homme a l'oeillet). Den Kopf bedeckt eine Pelzmütze und ein Saffianband hält den Kragen des grauen Pelzrockes zusammen.

Als das Bild vor Jahren in der Sammlung des Herrn Engels in Köln ausgestellt war, stritt man, ob es für echt zu halten sei, und selbst heute werden seltsamer Weise noch immer einzelne Zweifel laut. Und doch würde es schwer sein, unter Van Eycks sonstigen Porträts ein einziges aufzuweisen, das so durch und durch den eigentümlichen Charakter des Meisters trüge und das höheren Rang verdiente, als eben dieses. Vergleicht man Van Eyck mit Holbein, wozu hier die seltenste Gelegenheit gegeben ist, so muss man anerkennen, dass es der Augsburger Meister dem niederländischen an Fleiß und Geduld gleichtut, aber dabei wird einzuräumen sein, dass jener ohne den Vorteil des Fortschritts, den das Jahrhundert, das ihn von Van Eyck trennt, mit sich gebracht, wohl kaum auf Einer Stufe mit diesem stehen, noch die Meisterschaft seiner Detailmalerei erlangt haben würde. Angesichts der hier vorliegenden Porträts von Beiden ergreift bei Holbein die wahre Proportionalität und Freiheit der Auffassung, bei Van Eyck die wunderbar scharfe Naturbeobachtung und Genauigkeit. Van Eyck kann nicht verbergen, wie sehr er die Sitzungen seines Originals braucht; der Alte hat die Hände aufgehoben und hält sie so lange in dieser Weise, dass sie durch Ermüdung zusammengezogen sind, das Antlitz hat den Grad von Starrheit, den ein Mensch annimmt, der die Gesichtsmuskeln so wenig als irgend möglich bewegen darf; der Mund ist geöffnet, damit das Atmen unmerklicher von statten gehe. Die Maße des Kopfes und der Hände stimmen nicht zusammen, letztere sind zu klein, aber für sich betrachtet pulsen sie vor Leben. Auf dem verwetterten welkenden Fleisch sieht man die Erhebungen und Tiefen genau; die Kontouren sind von höchster Reinheit, alle Einzelheiten schlechthin vollendet; Licht und Schatten haben breiten Fluss und aus einem gewissen Abstand betrachtet, wirkt Halbdunkel und Farbe meisterhaft. Aus der Nähe sieht man noch mehr: die Modulationen des Tons der einzelnen Partien in ihrer subtilen Abwägung, einen so feinen Formenausdruck und so weiche Übergänge, dass sich die Mache nirgends aufdrängt.

Als Graf de Laborde vor etwa 15 Jahren die erste Nachricht von einer in Nantes aufgefundenen Madonna Johanns van Eyck gab, war die Freude der Liebhaber über seine glückliche Entdeckung sehr groß. Heute, da wir das Gemälde in dem Schmuck des neuen Firnisses vor uns haben, durch den es für das prachtvolle Kabinett des Herrn Suermondt in Aachen hoffähig gemacht war, können wir jenes Entzücken nicht ganz teilen. Den Namen, der ihm gegeben worden ist, scheint der Anblick des Bildes allerdings zu bestätigen. Es ist eine kleine, oben rund abgeschlossene Tafel: die Jungfrau, aufrecht im Schiff einer Kirche stehend, hält das Kind fest an ihre Brust; durch die Öffnung des Lettners sieht man im Chor zwei Engel, die von einem Buche absingen, dämmeriges Zwielicht hüllt den Raum und die Figuren, scharfe Färbung der Säume von Marias Kleid, sowie ein greller Lichtstrahl, der durch die Scheiben der gotischen Spitzbogenfenster auf Wand und Fußboden fällt, steigert die Dunkelheit des Übrigen. Van Eycks Kunstidiom, ist unverkennbar, es sind seine Köpfe und Figuren, und man wird an das Altarbild im Dresdener Museum erinnert; aber dort ist mehr Silberton, mehr Sorgfalt und Reinheit, das Impasto weniger flüssig und zäh. Es ließe sich recht wohl denken, dass ein Mann wie De Hooghe eine Kopie nach Van Eyck zu Wege gebracht, die so aussähe. Immerhin mag es Van Eyck selbst gemalt haben, dann aber hat das Bild jedenfalls fremdartige neue Einwirkung erfahren.

In der Nachbarschaft finden wir eine zweite Madonna von größeren Dimensionen, ebenfalls dem niederländischen Altmeister zugeschrieben, aber wie verschieden! Eine Vergleichung der Madonna des Kanonikus Paele in Brügge mit den Arnolphini-Porträts der Londoner Nationalgalerie lehrt, dass Johann van Eyck einmal derb, ein andermal sauber malen konnte; jene Werke tragen beide Etwas an sich, was nach dem Meister aussieht. Hier haben wir das gröbere Korn des Gemäldes in Brügge und Züge, die auf Van Eycks Schüler schließen lassen. Der aus Rosen, Orangen und Zypressen bestehende Hintergrund hat sein Vorbild an einigen Stellen des Berliner Agnus Dei, Gesicht und Gestalt der Jungfrau sind charakteristisch ungefällig und die Gewandung hat den herkömmlichen knitterigen Fall; aber man kann schwer glauben, dass Van Eyck so fades Fleisch und so blöde braunrote Draperie gemalt haben sollte, abgesehen von der ungewöhnlich falschen Perspektive des Springbrunnens, der seitwärts von Maria angebracht ist. Wir sind geneigt, das Bild für eine Arbeit des Cristus oder irgend eines anderen Ateliergenossen Van Eycks zu nehmen. Wenigstens hat diese Madonna viel nähere Verwandtschaft mit Cristus' Manier, als die Krönung Kaiser Friedrichs des III., die hier seinen Namen trägt, und man darf nicht vergessen, dass Cristus im 15. und nicht im 16. Jahrhundert arbeitete.

Ebenso wenig vermögen wir für die beiden Bilder aus der Sammlung des Fürsten von Hohenzollern-Sigmaringen (Maria und der Verkündigungsengel) Van Eycks Namen in Anspruch zu nehmen, wie echt auch ihr flämischer Charakter und wie deutlich das Gepräge der Schule von Brügge ist, das sie an sich tragen. Beide Bilder rühren von einem Maler her, dessen Werken man ihre kunstgeschichtliche Stellung angewiesen hat, ehe man von seinem Namen wusste, den man aber heute als David von Brügge kennt. Sein Stil bezeichnet hier wie anderwärts die höchste Stufe der Sorgfalt und Nettigkeit, seine Carnation ist leuchtend, aber bleich, die Köpfe zeichnet er groß und oval, Figuren und Extremitäten schlank und sauber. So beweist seine Manier, wie die Farbe bei aller Fülle doch eisig kalt sein kann. In seinen bekannteren Bildern tut sich David durch die Vollendung der Landschaft hervor; ein Beispiel davon gibt die Taufe Christi in der Akademie zu Brügge. Und diese Spezialität des Malers sowie sein Geschick in der Behandlung von Baum- und Felsenwerk mit tiefgrünen Tinten und in kalten Farbenakkorden tritt uns hier in seiner „Verlobung Katharinas" vor Augen, einer lockeren Komposition, welche Maria in zahlreichem Gefolge heiliger Frauen auf einer Wiese darstellt. Höchst charakteristisch ist der Kontrast zwischen dem tief und reich gefärbten Hintergrunde und dem wachsbleichen Fleisch der Figuren, eine Eigenheit, die Mostart nachahmt, aber der Reiz der Durchführung ist durch umfassendes Abreiben und Retuschieren verloren gegangen.

Vergebens suchen wir nach einem echten Stück von Van der Weyden oder Memling. Bosch entschädigt für ihre Abwesenheit nicht, obgleich er durch zwei unverkennbare Spezimina vertreten ist, ein Jüngstes Gericht, sehr geschickt und fein für diesen Meister, und eine Versuchung des heil. Antonius, die im Katalog irrtümlich unter dem Namen des alten Breughel aufgeführt steht.

Die jüngeren holländischen und flämischen Schulen sind ebenfalls nicht stark vertreten: Rubens durch eine seiner reichhaltigen virtuosen Entwürfe. Van Dyck durch eine geistreiche Skizze en grisaille zur Kreuzigung, Jordaens durch die Replik seines Bildes im Louvre, welches einen Patriarchen und seine Familie darstellt, wie sie sich zugleich in Wein, Brot und Musik gütlich tun. — Von Zeitgenossen und Schülern des Rubens ist Nichts vorhanden. Die Skizze aus der Sammlung Suermondt kann sehr wohl für eine Originalstudie zu dem riesenhaften Bilde des „Sturzes der Verdammten“ in der Münchener Pinakothek gelten, an welchem der größere Teil offenbar von Schülerhänden herrührt. Geist und Phantasie sind in der Komposition des vom Himmel herniedersausenden Sündergesindels höchst bedeutend. Könnte man einen der Kirchenpfleger von Parma, der dem Correggio vorwarf, er habe ein Frosch-Haché in die dortige Domkuppel gemalt, an diese Leinewand führen, so würde ihm vermutlich vor Schreck der Witz vergehen. Auf unserem Entwurf sind zum Glück für den Beschauer so massenhafte Motive und solche Mannigfaltigkeit der Handlung in kleinem Raum zusammengedrängt, dass man für die Details keine Muße behält. Wer sich auf eine Analyse einlassen wollte, würde bald durch die vorherrschende Rohheit abgestoßen werden, aber die Meisterschaft, womit die teuflische Gewalt der Qual und die furchtbare Energie der Verzweiflung zum Ausdruck gebracht sind, behält nichtsdestoweniger ihre Krone. Auch die Ausführung ist bewunderungswürdig, das Fleisch mit durchsichtigster Klarheit gemalt und durch den Kontrast der Himmelsstrahlen mit dem qualmenden Brodem und den lichtlosen Flammen der Hölle eine packende Wirkung erreicht. — Neben diesem Meisterstück von Gruppierung und Behandlung sehen wir einen vorzüglichen Kopf von derselben Hand, voll Feuer im Ausdruck und mit dem Schwunge vorgetragen, der Van Dycks Stärke war.

Unter den holländischen Porträtmalern stehen hier Franz Hals, Rembrandt, Terburg und Keyzer obenan. Es wird berichtet, Rembrandt habe in jungen Jahren sehr unter dem Eindruck des vortrefflichen Hals'schen Stiles gestanden, sich nachmals jedoch davon frei gemacht. Das von dem großen Koloristen hier ausgestellte Bildnis eines alten Mannes (bei Suermondt) hat mit dem Frauenporträt von Hals wenig gemein. Letzteres (im Besitz des Herrn Sedelmeyer in Wien) ist früher gemalt, es hat die Jahreszahl 1634, und mit der Leichtigkeit ausgeführt, welche wir bei Velasquez in seiner späteren Periode wahrnehmen. Die Fleischpartien bestehen lediglich aus nebeneinander gesetzten flauen Tönen von dickem Impasto, die nur hier und da zusammengearbeitet, häufig mit absichtlicher Rauheit Streifen an Streifen stehen gelassen sind. Nichtsdestoweniger geben dieselben, zumeist in Grau gestimmt, wie sie sind, aus einiger Entfernung gesehen einen wundervollen Akkord. Die Augen, mit eigentümlichem Glanz im Blick, sehen wie Schlehen aus; Krause und reichgestickter Ausschlag sind von Einem Ton, das Kleid schwarzer Damast mit eingewebten Arabesken und Vögeln; Hals- und Armband von Perlen vollenden die Toilette, — Alles auf verwischtem grauen Grund. Mit flüchtiger derber Hand gibt der Maler die feine Blässe von Leuten aus distinguiertem Stande wieder. — Das Rembrandt'sche Bildnis (Cab. Suermondt)ist von 1645, reich und warm schattiert und belichtet, hervortretende Stellen, wie die untere Gesichtshälfte und Hand, überraschend modelliert, die umgebenden Partien von mysteriöser Tiefe. Die eigentümliche Textur, die Rembrandt seinen Bildern mittels des Borstpinsels gibt, das Körnige und die weiche Transparenz der braunen Töne findet sich in der bekannten Weise vor und ist in seiner Art vollendet. — Kräftigere Tiefen, besonders in gewissen roten Nuancen, und ziemlich harter, schwarzer Umrisse in einigen Kontouren zeichnet die nicht mit Signatur versehene, aber ebenfalls unter Rembrandts Namen ausgestellte „Ruhe auf der Flucht" aus. Das Bild, äußerst sorgfältig gemalt, hat verhältnismäßig glatte Oberfläche, hier und da durch zarte Lasuren modifiziert. Ungemein licht und breit behandelt ist der Kopf des Joseph. Es sind Zweifel laut geworden, ob Rembrandt in irgend einer Periode seiner Kunsttätigkeit so gemalt haben könne, doch dürfte es beim Antritt des Beweises sehr schwer fallen, einen Maler ausfindig zu machen, der sich dem Meister in solchem Grade nähert. Der Hintergrund der Komposition hat italienischen Charakter, wenigstens erinnert die Verbindung von Felsabhängen und Wasserfall, wie sie diese Landschaft bietet, eher an Tivoli als an die Ufer der Maas. Die Sonne ist verhüllt, bloß Maria mit dem Kind auf dem Schoße sowie das sinnende Antlitz Josephs und sein Gerät, Korb, Stab und Lederflasche, werden von schmalem Lichtschein beleuchtet. — Dicht neben diesen anziehenden Gemälden finden sich ein Paar Studien, Fischerknaben und Mädchen, von Hals. Man könnte sich vorstellen, dass der Meister diese Bambocciaten in der Weinlaune mit kecker, aber nicht gerade sicherer Hand hingeworfen habe. Eins davon stellt ein Weib mit der Deckelkanne in der Hand und einer Eule auf der Schulter vor, ein zweites (beide aus der Sammlung Suermondt) einen schielenden Jungen mit gesunder Gesichtsfarbe, das dritte (Bes. Herr Rauter in München) ein junges Mädchen auf Rembrandt'schem Hintergrunde.

Von diesen Menschenbildern niedrigsten Schlages hinweg wendet man sich mir Vergnügen den beiden Flügelstücken eines Triptychons von De Keyzer zu (Sammlung Suermondt), welche den Stifter mit seinem Sohn und die Stifterin mit der Tochter enthalten, die mit dem reichen, steifen Kostüme der Zeit angetan, aber lebensvoll und höchst aristokratisch ihre Andacht verrichten. Was wir daneben von Bol sehen, ist, wenn auch nicht unverdienstlich, so doch im Vergleich damit kalt, und sein „Mann mit der Goldwaage" (Bes. Baronin Aretin in München) steht nicht auf dem gewohnten Niveau der Einzelfiguren, die er darstellt. Flinck, der den Rembrandt häufig mit Geschick nachahmte, erweist sich mit dem männlichen Porträt, das wir hier sehen (Eigentum des Herrn Arnold in Nürnberg), als des großen Meisters würdiger Schüler, und Terburg gibt in einem mit seiner grauen, weichen Manier vorgetragenen viertellebensgroßen Bürgermeisterporträt (Cab. Suermondt) ein treues Abbild der Natur. Zu den vorzüglichen Leistungen holländischer Bildnismalerei gehört auch Metsus „Brustbild seiner Mutter" (bei Suermondt), einer alten Dame, die sich das Band ihrer schwarzen Haube hält; es ist ein Gemälde, in welchem Feinheit der Färbung und breiter Vortrag sich aufs trefflichste verbinden.

Der kürzlich jung verstorbene und sehr betrauerte französische Kunstkritiker Jules Thores Bürger hat manches Jahr seines Lebens darangesetzt, die Werke der Van der Meer festzustellen. Wir danken ihm manche Belehrung über diese Meister, aber er hat die Dunkelheit, die über ihnen schwebt, nicht beseitigen können. Hier liegen uns fünf Bilder unter jenem Namen vor: zwei dem Van der Meer von Haarlem, drei dem Van der Meer von Delft zugeschrieben, sämtlich aus dem Kabinett Suermondt und mit einer einzigen Ausnahme lauter vortreffliche Exemplare. Es ist nicht ersichtlich, nach welchem Gesichtspunkt die Bilder klassifiziert sind. Nehmen wir die Stücke, welche dem Haarlemer zugewiesen werden, so finden wir auf einem die Signatur „J. v. Meer". Es ist eine flach-hügelige sandige Landschaft, durch ein Stück dunkeln Wald unterbrochen, meisterhaft behandelte Fernsicht, worauf die Baumpartien und der ausgesogene gelbe Boden mit dem umwölkten Abendhimmel höchst wirkungsvoll kontrastieren. Das andere trägt keine Bezeichnung und ist eine gewöhnliche holländische Stadtansicht mit Häusern, Mühlen und Schiffen, in der Weise von Ruysdaels Schülern gehalten. — Das erste Bild von Van der Meer von Delft, in dem braunen Ton und mit den lasierten Lichtern Rembrandts, ist ein enger Hofraum hinter einer Hütte mit Ziegeldach, Staffage ein „Belleblaser" d. h. ein Junge, der sich mit Seifenblasen erlustigt; das zweite ein Lichteffektstück: schräg einfallende Nachmittagssonne wirft flimmernde Schatten auf Holz- und Mauerwerk des Häuschens; im linken Vordergrund ein Buchenstamm; dazu ein Paar meisterhaft hingeworfene Figürchen. Hier wird man teils an Adrian van der Velde, teils an Ruysdael erinnert. — Das dritte der Bilder ist bezeichnet „J. v. Meer", das Sujet ein Mädchen in gelber Jacke, das in ihrem vom Lichtstrahl beleuchteten Zimmer vor dem Spiegel stehend sich das Halsband umlegt. Der Maler könnte fast de Hooghe sein, dessen Namen ein Bild van der Meers in der Dresdener Galerie trägt, das diesem hier sehr ähnelt. Die weichen Lichter und samtenen Schatten bekunden großes Talent, die Sauberkeit der Stoffmalerei reicht an Netscher heran, wenn auch die Vortragsweise feiner und kühner ist. Das Rätsel lösen zu wollen, welches Bürger-Thorés Scharfsichtigkeit aufgibt, scheint uns vergebene Mühe; wir müssen es auf sich beruhen lassen und geben jedem Urteilsfähigen anheim, sich seinerseits darüber zu entscheiden, ob er in den hier aufgeführten Bildern die Hand zweier oder mehrerer Künstler annehmen will. —

Im Allgemeinen dürfen wir nach unserer Umschau sagen, dass wir ein Dutzend Privatsammlungen in Europa kennen, die auf dem Gebiete holländischer Genre- und Landschaftskunst besser furniert sind, als die diesjährige Münchener Ausstellung. Kapitalstücke von Teniers, Steen oder Adrian von Ostade sind nicht vorhanden. Flüchtigen Interesses ist ein kleines Bild des Letzteren. Bauern in der Kneipe (Bes. Graf Berchem in München), und eine braune unsorgfältige Skizze von Stehen, eine Gesellschaft Spieler (Eigentum des Herrn Rauter in München) wert. Das beste und wohl auch das einzige echte Stück von Teniers jun. ist der Entwurf zu den „Amoretten in einer Schmiede", wo die Feinheiten des Stilllebens mit großer Schärfe gegeben und zwei muntere Kinderfiguren mit einem Linienschwung und einer durchsichtigen Pinselführung hineingesetzt sind, deren sich Rubens nicht zu schämen brauchte.

Unter den Landschaften ist nichts sehr Hervorragendes. Eine kleine Vedute repräsentiert die flache harzige Malweise Van Goyen's, drei Kanal- und Weidenpartien mit Schiffen lassen Salomon Ruysdaels wolligen Vortrag erkennen, ein Reiter en vedette in einer Lichtung stehend ist das beste unter den Jacob Ruysdaels. Zwei Sachen von Philip de Koningh, ein Falkenbeizzug in bewaldetem Hügelland und ein Forst (bei Berchem und Rauter in München) sind ebenso charakteristische Proben vom Feingefühl des Künstlers in der Wiedergabe des atmosphärischen Lebens, wie von der Unsitte, alle seine Bilder durch aufgesetzte Flecken von Schwefelgelb zu entstellen. Von Hobbema haben wir in einer Waldlandschaft mit Figurenstaffage (bei Gontard in Frankfurt) wenigstens eine interessante Skizze, wenn auch kein ausgeführtes Bild. Eine schwache Vorstellung von Wynants Talent gibt die kleine melancholisch gestimmte Landschaft von 1666. Both wird nur durch eine große bedeutende Abendlandschaft (bei Rauter) mit dünnbelaubten Bäumen vertreten; im Vordergrund sieht man Reiter, die einen pfeifenden Schäfer nach dem Wege fragen. Unter die wertvollen Beiträge dieser Gattung ist dann noch ein nächtliches Lichteffektstück Van der Neers zu zählen, welches das Geschick des Meisters in der Darstellung weiter Flächen überschwemmten Landes auf voller Höhe zeigt.

Ärmlich ist es mit Viehstücken und Stillleben bestellt, wie sie durch die Berghem, Ostade, Cuyp und Potter, durch Fyt, Huysum und Heem zur höchsten Vollendung gebracht sind. Von Berghem sehen wir hier gar nichts, von Cuyp nur Kopien oder dermaßen entstellte Arbeiten, dass sie allen kunstgeschichtlichen Wert verloren haben. Ein schöner Potter macht sich jedoch bemerklich: Hirten mit Rinder-, Ziegen- und Schafherde, dahinter Baumgruppen, Gebüsch und Wiese (bei Herrn Hartmann in München). Das Bild gehört weder zu den zarten Abendidyllen des Meisters noch zu den Mittagsstimmungen, es ist ruhig und etwas grau gehalten, die Details des Vordergrundes von firnisartiger Durchsichtigkeit und hornähnlicher Patina, aber hochvollendet: Daphnis flötet Chloen an, indes die Kühe friedlich wiederkäuen und die Geis am Laube zupft. Was Potter den großen Vierfüßlern, das ist Fyt den Hafen und Vögeln: seine Katze, welche das Hafen-, Enten- und Hühnerwildpret mausend beschleicht (bei Baron Cetto in München) ist von der frappantesten Lebenswahrheit, aber keck ausgeführt und ohne die porzellanmäßige Politur, die wir bei Huysum oder Heem finden, von denen Blumen- und Fruchtstücke daneben hängen.

In einem der Hauptzimmer ziehen zwei einander gegenüber angebrachte Porträts die Augen auf sich, das eine lebensgroßes Kniestück, das andere ganze Figur in kleinerem Maßstabe (beide bei Suermondt). Letzteres von Coello gemalt, stellt Philipp den zweiten dar, ersteres, dem Velasquez zugeschrieben, einen spanischen Granden. Coello gehört nicht zu den Stilisten und unter den Spaniern gebührt ihm nicht eben hoher Rang; das hier vorliegende Königsbildnis macht keinen Anlauf, sich über die konventionelle Steifheit und Ruhe zu erheben, aber man liest mit Interesse in den blassen und impassibeln Zügen dieses Monarchen, von dem die Geschichte uns ein so erschreckendes Bild in die Seele geprägt hat. Soll man annehmen, dass Coello die individuelle Erscheinung desselben nicht getroffen, oder war Philipps physiognomischer Ausdruck nur im Alter düster? Im Technischen haben wir hier genau das Gegenteil von dem, was wir bei Tizian und Velasquez erwarten; der Farbenauftrag ist sauber, rund und in Grau abschattiert und das Bild verträgt infolge dessen weit näheren Standpunkt als diejenigen Tizians. Als Königin Maria von Ungarn im Jahre 1533 ein Porträt Philipps an den Gesandten Renard nach London schickte, wies sie ihn an, es der Königin im rechten Lichte und in der rechten Distanz zu zeigen; „denn wie alle Gemälde Tizians" — schrieb sie — „verfehlt es den Eindruck der Ähnlichkeit aus zu großer Nähe!" Velasquez nun malte in seiner späteren Periode mit derselben meisterhaften Breite und Flüchtigkeit wie der große Venezianer um 1550. und aus diesem Grunde zögern wir, das vorliegende Porträt als Arbeit seiner Hand anzuerkennen. Der ernste Spanier mit dem krausen Haar und den das gebräunte Gesicht einrahmenden Büscheln an der Seite, tritt voller Leben und Grandezza, mit einem Amtsstab in der Rechten, in Galakostüm daher, großen goldenen Ordenskragen um die Schultern, rote Schärpe um die Taille, alles Andere, Wams, Koller, Hosen schwarz. Wenn man das Bild betrachtet, fühlt man sich aufgefordert, das „rechte Licht" und „eine gewisse Distanz" zu suchen, obwohl auch bei näherer Besichtigung keine Unklarheit bemerkbar scheint. Wenn es Velasquez wirklich gemalt hat, dann ist es ein Unikum in seiner Art, eine seltsame Mischung aus seinem und Murillos Stil. — Was die Ausstellung sonst noch unter Velasquez Namen bietet, reizt näheres Eingehen nicht. Wir werfen nur noch einen Blick auf die italienischen Bilder. Sind sie auch der Zahl und der Bedeutung nach gering, so enthalten sie doch wenigstens zwei Stücke, welche Aufmerksamkeit verdienen.

Hart, steif und ohne Reiz der Zeichnung, merkwürdig nur durch sein Gemisch von Gold und Polychromie sieht uns die Krönung Marias von Paolo von Venedig an (Bes. Herr Maillinger in München). Charakteristisch für die Altvenezianer ist bekanntlich das zähe Festhalten an uralten Handwerksformen. Das Byzantinische stand bei ihnen als lebendige Tradition in Ehren und sie begnügten sich länger als andere Schulen Italiens, die archaischen Formen wiederzugeben ohne sie an der Natur zu korrigieren. Bis gegen Ende des 15. Jahrhunderts kann man unter ihnen noch keinen Koloristen und keinen Bruch mit den alteiligen Schulgesetzen nachweisen. Warum das so war, dafür gibt die hier aufgestellte, mit der Jahreszahl 1358 versehene Tafel des Magister Paulus von Venedig eine Erklärung mehr; denn es wird schwer halten, im ganzen Trecento ein Bild von kindischerer Formbehandlung zu finden. Solche Spezimina besitzen freilich nicht die geringste ästhetische Anziehungskraft, aber sie gehören zu den wertvollsten Urkunden, die dem Forscher begegnen können. Die Signatur nennt als Verfertiger den Paulus und seinen Sohn Johanninus. — Zu ein Paar kleinen, ganz durch Übermalung ruinierten Bildern — Auferstehung des Evangelisten Johannes und Heimsuchung — muss Simone di Martins den Namen hergeben. Sollte der Eigentümer (Herr Prof. Sepp in München) nicht wissen, dass das eine die Nachbildung des Freskogemäldes von Giotto in einer Kapelle zu S. Croce in Florenz von weit modernerer Hand und das andere ein Schulstück gleichen Schlages von einem Giottisten vierter Klasse ist?

Dagegen hat Herr Widmann in München eine echte Arbeit von Sandro Botticelli (Madonna mit dem Kinde und dem kleinen Johannes) beigesteuert, eines jener grauen fleckigen Hausaltarstücke, von denen bei Lebzeiten des Meisters so viele Wiederholungen gemacht wurden, dass er sich durch ihren Verkauf selber schadete. Eine zweite Madonna mit Kind unter Botticellis Namen (Bes. Graf Berchem) sieht kaum nach florentinischem Ursprung aus, wie es denn handfest in Öl retuschiert ist. Dem Sandro wird es schwerlich nachzuweisen sein. — Andrea del Sarto figuriert mit zwei Bildern: einem dunkeln grauen Porträt (Bes. Dr. Trettenbacher in München), Schulbild irgend eines Nachfolgers von Francis Bigio, und einer heiligen Familie in lebensgroßen Figuren (Bes. Graf Berchem), Replik des Bildes im Palazzo Barbarini in Rom, welches auf einer Stufe mit denen der Grosvenor-Sammlung und der Madrider Galerie steht. — Unter dem Titel Sassoferrato ferner begegnet uns eine Molinari'sche Kopie des bekannten „Silence“ genannten Bildes im Louvre, das dem Annibale Caracci zugeschrieben wird. Ebenso ist der „S. Sebastian von Guido" eine Kopie, auch der heilige Hieronymus, welcher für Correggio gilt, hat nicht das mindeste Recht an diesen Namen. Das Porträt, Kniestück, eines Edelmanns, das dem Paris Bordone zugewiesen ist, lässt ungeachtet der Beschädigung erkennen, wie meisterlich der Venezianer durch die Hand des Georg Penez nachgeahmt wurde. Die „Tizian'sche Madonna, ein unechtes Stück aus der ehemaligen Artaria'schen Sammlung in Wien, ist immerhin ein interessantes Bild, das man am ersten dem Polidoro Lanzani wird zuschreiben dürfen.

002. ALBRECHT DÜRER, Christus am Kreuz

002. ALBRECHT DÜRER, Christus am Kreuz

008. JAN VAN DER MEER VAN DELFT, Die lesende Frau

008. JAN VAN DER MEER VAN DELFT, Die lesende Frau

004. RAFFAEL, Die Sixtinische Madonna

004. RAFFAEL, Die Sixtinische Madonna

005. FERDINAND BOL, Jakobs Traum

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006. ADRIAEN VAN DER WERFF, Verstoßung der Hagar

006. ADRIAEN VAN DER WERFF, Verstoßung der Hagar

007. SALOMON KONINCK, Der Eremit

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009. CARLO DOLCI, Die heilige Cäcilie

009. CARLO DOLCI, Die heilige Cäcilie

010. KASPAR NETSCHER, Gesang mit Klavierbegleitung

010. KASPAR NETSCHER, Gesang mit Klavierbegleitung

011. GERARD DOU, Der Geiger

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012. REMBRANDT VAN RIJN, Selbstbildnis mit seiner Frau Saskia

012. REMBRANDT VAN RIJN, Selbstbildnis mit seiner Frau Saskia

014. GABRIEL METSU, Der Geflügelverkäufer

014. GABRIEL METSU, Der Geflügelverkäufer

015. REMBRANDT VAN RIJN, Die lachende Saskia

015. REMBRANDT VAN RIJN, Die lachende Saskia

016. ADRIAEN VAN OSTADE, Der Meister in seiner Werkstatt

016. ADRIAEN VAN OSTADE, Der Meister in seiner Werkstatt

017. DER MEISTER DES TODES DER MARIA, Die große Anbetung der Könige

017. DER MEISTER DES TODES DER MARIA, Die große Anbetung der Könige

018. JUSEPE DE RIBERA, Die heilige Agnes

018. JUSEPE DE RIBERA, Die heilige Agnes

019. GUIDO RENI, Christuskopf mit der Dornenkrone

019. GUIDO RENI, Christuskopf mit der Dornenkrone

020. LORENZO LOTTO, Maria mit dem Kinde und Johannes

020. LORENZO LOTTO, Maria mit dem Kinde und Johannes

021. FRANCISCO DE ZURBARAN, Bonaventuras Gebet während einer Papstwahl

021. FRANCISCO DE ZURBARAN, Bonaventuras Gebet während einer Papstwahl

022. RAPHAEL MENGS, Amor

022. RAPHAEL MENGS, Amor

023. REMBRANDT VAN RIJN, Bildnis eines bärtigen Alten

023. REMBRANDT VAN RIJN, Bildnis eines bärtigen Alten

024. BARTOLOME ESTEBAN MURILLO. Maria mit dem Kinde

024. BARTOLOME ESTEBAN MURILLO. Maria mit dem Kinde

025. HANS HOLBEIN DER JÜNGERE, Bildnis des Morette

025. HANS HOLBEIN DER JÜNGERE, Bildnis des Morette

026. JEAN ETIENNE LIOTARD, Das Schokoladenmädchen

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027. ANTON GRAFF, Selbstbildnis in ganzer Gestalt

027. ANTON GRAFF, Selbstbildnis in ganzer Gestalt

028. ANGELICA KAUFFMANN, Weibliches Bildnis als Vestalin

028. ANGELICA KAUFFMANN, Weibliches Bildnis als Vestalin

029. ANTONIO ALLEGRI DA CORREGGIO, Die Madonna des h. Franziskus

029. ANTONIO ALLEGRI DA CORREGGIO, Die Madonna des h. Franziskus

001. HYACINTHE RIGAUD, König August III. als Kurprinz

001. HYACINTHE RIGAUD, König August III. als Kurprinz

003. TIZIAN, Der Zinsgroschen

003. TIZIAN, Der Zinsgroschen