Ratschläge und Hinweise

Ich habe nun, geliebte Arbeiter, einige der Hauptforderungen des Arbeiterstandes, die unmittelbar praktisch sind und bei welchen ich ihren Zusammenhang mit der Religion am einleuchtendsten nachweisen konnte, behandelt. Ich weiß wohl, dass ich damit den Gegenstand nicht erschöpft habe. Es sind noch manche andere Forderungen, die euch berühren. Ich konnte reden von den verschiedenen Vereinen, die teils zur Aufbewahrung der Ersparnisse der Arbeiter, teils zur billigen Beschaffung ihrer Lebensmittel etc. gegründet sind, und sie unter den aufgestellten Gesichtspunkten beleuchten. Ich könnte namentlich sprechen von jenen Vereinen, die nicht nur wie die Trades-Unions die Erhöhung des Lohnes des Arbeiters zum Gegenstande haben, sondern ihm auch einen Teil des Geschäftsgewinnes zuwenden wollen, teils dadurch, dass es dem Arbeiter ermöglicht wird, in kleinen Teilen Miteigentümer zu werden, teils dadurch, dass ein gewisser Teil des Geschäftsgewinnes den Arbeitern zugewiesen wird. Von diesen sogenannten Partnerschaften hätte ich besonders gerne gesprochen, da ich die Überzeugung habe, dass sie nirgends leichter als bei den Zigarrenarbeitern verwirklicht werden könnten, weil bei diesem Geschäfte kein großes Betriebskapital erfordert wird *).

*) Es würde ein Kapital von 20.000 Thlr. genügen, um in bedeutendem Umfange mit einer Partnerschaft für Zigarrenarbeiter in Mitteldeutschland den Beginn zu machen.


Überall würden wir sehen, dass die Forderungen des Arbeiterstandes, so weit sie berechtigt sind, in der Religion und Sittlichkeit ihre wahre Stütze haben. Nur da würde ich euch warnen müssen, wo sie entweder das rechte Maß überschreiten, und egoistisch wie das Kapital werden, oder in unklare, phantastische, sozialistische Bestrebungen ausarten, die nicht zum Heile des Arbeiterstandes sind, sondern zur Befriedigung der Eitelkeit und der Ehrsucht dienen sollen. Da wird der Arbeiterstand zum Mittel für politische und verwerfliche Zweck, die ihn selbst verderben würden. Das Alles kann ich aber diesmal nicht besprechen, und ich will daher schließen, indem ich euch noch auf einige besondere Gefahren, die sich aus dem Gesagten ergeben, aufmerksam mache.

Hütet euch also erstens, liebe Arbeiter, vor allen Religionsspöttern, vor allen, die euch in eurer Religion irre machen und von Erfüllung eurer Religionspflichten abhalten wollen. Das sind eure größten Feinde, weil, wie wir sahen, dass das Eigentümliche an der Arbeiterfrage ist, dass jede Besserung der Verhältnisse von Sittlichkeit und Religion mitbedingt ist. Wer daher euch helfen will und dabei eure Religion antastet, von dem könnt ihr ohne Weiteres annehmen, dass er von der Arbeiterfrage nichts versteht oder ein Betrüger ist. Es gibt unter uns Menschen, die den Schein annehmen, als ob sie ihre Religionsspöttereien in Brot und Geld verwandeln könnten, um damit dem Volke zu helfen. Das können sie nun freilich nicht. Dagegen verwandelt sich in ihnen, in ihrem ganzen Denken, Reden und Wirken alles zur Lästerung gegen uns Katholiken. Ihr Streben nach Freiheit, nach Fortschritt, ihr Patriotismus, ihre Aufklärung, ihre Volksliebe, ihre Sorge für Volkswohl, alles wird bei diesen Menschen Blasphemie, alles Lästerung gegen die Religion, gegen uns Katholiken. Hütet euch vor diesen Menschen, sie sind keine Führer unseres Arbeiterstandes, sie sind Verführer, sie sind Betrüger.

Hütet euch zweitens selbst vor schlechten unzüchtigen Gedanken und duldet sie nie freiwillig in euch. Der freiwillige unreine Gedanke, ist eine beginnende Fäulnis in uns. Ihr habt dazu mehr Veranlassung, da ihr gerade in den gefährlichsten Jahren, wo alle Leidenschaften erwachen, den ganzen Tag in der nächsten Berührung mit einander stehet. Ihr Kinder, heute noch in der Schule und in einer Familie, wo ihr vielleicht nie ein unehrbares Wort gehört und nie freiwillig einen unehrbaren Gedanken gehegt habet — und morgen mitten unter allen diesen Gefahren. Ihr habet da zahllose Veranlassungen zu schmutzigen Gedanken. Wenn ihr ihnen freiwillig nachhängt, so ist bald eure Seelenreinheit dahin. Die innere Seelenfäulnis nimmt immer zu, die Leidenschaften werden immer stärker und ihr verfallet zuletzt den geheimen und nicht geheimen Sünden, die, eure Gesundheit und eure Sittlichkeit zerstören und euch von einem Abgrund in den anderen bis zu dem letzten tiefen Abgrund werfen. Dass der Tod so fürchterlich in vielen Arbeiterklassen wütet, hat viele Ursachen. Eine der stärksten aber ist die Unsittlichkeit.

Hütet euch deshalb vor schlechten Reden, frechen Liedern, schamlosen Büchern und Bildern. Von ihnen allen gilt dasselbe, was ich oben von den Gedanken gesagt habe.

Hütet euch, ihr lieben jungen Arbeiter und Arbeiterinnen, aus demselben Grunde, vor den frühen Bekanntschaften. Ihr habt vielleicht oft geglaubt, dass die Religion an euch zu hohe Forderungen in dieser Beziehung stelle und dass es doch mit allen diesen Dingen, die zur Unsittlichkeit führen, nicht so schlimm stehe, wie es euch von der Kanzel oft gesagt wird. Nimmt ja doch die Unsittlichkeit den Schein an, als ob sie nichts sei als nur eine gewisse milde Rücksichtnahme auf die Schwächen der Jugend und als ob die Lehren der Sittlichkeit der Kirche finster und hart wären. O, wenn ihr an das denkt, was ich vorher von der Arbeiterfamilie gesagt habe, ja, wenn ihr nur an das denkt, was die Arbeiter selbst von der Arbeiterfamilie fordern, so müsset ihr das Gegenteil erkennen, so müsset ihr einsehen, dass die Forderungen der Religion an eure Sittlichkeit das Menschenfreundlichste, und dass alles, was eure Sittlichkeit verletzt, das unaussprechlich Feindseligste ist. Ihr wollt sittenreine Bräute, sittenreine Frauen, denn ihr wollt brave Mütter für eure Kinder. Solche Frauen sind Engel für die Familie. Wohl dem Manne, der eine solche Frau, wohl dem Arbeiterkinde, das eine solche Mutter hat! Wie könnt ihr aber solche Frauen für eure Familien bekommen, wenn man es leicht mit den frühen Bekanntschaften nimmt. Sie zerstören ja gerade alles in der Jungfrau, was sie später zu einer tüchtigen Arbeiterfrau machen kann. Denket euch nur den Unterschied zwischen einem Mädchen, das bald nach der Schulzeit sich an freche Reden und Späße gewöhnt und ihr ganzes Herz mit schmutzigen Gedanken und Bildern angefüllt hat, das dann von Frechheit zu Frechheit weitergeschritten, allerlei Bekanntschaften angeknüpft, in liederlichen Gesellschaften, in Wirtshäusern, auf den Straßen, auf Tanzböden sich herumgetrieben hat. Bei diesem Leben hat es zugleich die Achtung verloren, es lernte auch nicht sparen; was es verdient hat, hat es durchgebracht. Tritt dann endlich noch ein Unglück ein, dann ist es mit seinem zwanzigsten, einundzwanzigsten Jahre schon in einem Zustande, wo es sich, um sich noch aus dem Elende herauszureißen, mit dem ersten Besten vermählt. Aus solchen Verbindungen entstehen dann aber nicht glückliche Arbeiterfamilien, sondern jene Familien, voll Elend und Jammer, wie wir sie früher betrachtet haben. Denket euch dagegen ein anderes Mädchen, das bis zum vierundzwanzigsten Jahre sich tugendhaft und rein erhalten hat, das unter allen Arbeitern bekannt ist als fleißig, sittlich und tadellos, das durch seine Sparsamkeit bis dahin sich eine wenigstens kleine Ausstattung verdient hat, wie ganz anders steht es da! Es hat eine freie Wahl zu seiner ehelichen Verbindung. Die Besten werden sich sicher um sie bewerben und sie bringt alles mit, was der Arbeiterstand von einer guten Arbeiterfrau fordert. Wollt ihr daher ehrbare Bräute und ehrbare Frauen, so fliehet die frühen Bekanntschaften, denn diese bringen nur verdorbene und nichtsnutzige Mädchen in die Arbeiterfamilien.
Hütet euch endlich, liebe Arbeiter, vor Unmäßigkeit, vor Trunksucht, hütet euch vor den Häusern, in welchen der Arbeiter um seinen Lohn gebracht wird. Der häufige Wirtshausbesuch, die Gewohnheit, nur im Wirtshause Freude, Glück und Entschädigung für die Mühe der Arbeit zu suchen, ist nach der Überzeugung aller, die in den verschiedenen Ländern sich mit der Verbesserung der Lage des Arbeiterstandes beschäftigt haben, eine der größten Gefahren. Das Preisgericht der Pariser Universal-Ausstellung dringt deshalb unter den „Anstalten zur Beseitigung des Lasters“ an erster Stelle auf „Unterdrückung der Trunksucht; auf Vereine zu diesem Zwecke; Entfernung oder Überwachung der Schenken, usw.“

Das sind die Worte, die ich an euch, liebe Arbeiter, zum Schluss meiner Anwesenheit in euren lieben Gemeinden richten wollte. Sie sollten ein Ausdruck meiner, innigsten Liebe zu euch und meiner wärmsten Teilnahme für eure Interessen sein. Ihr sehet daraus, dass ihr auch als Katholiken euch den Bestrebungen und den Bewegungen im Arbeiterstande ohne Verletzung der Grundsätze eurer Religion in großem Umfange anschließen dürfet. Ihr sehet aber auch zugleich, dass alle diese Bestrebungen eitel und vergeblich sind, wenn nicht Religion und Sittlichkeit ihre Grundlage bilden.