Die sechste Forderung, welche vielfach von den Arbeitern gemacht ist und mit der vorigen innig zusammenhängt, ist die, dass auch die Mädchen nicht mehr in den Fabriken verwendet werden sollen.

Hierfür wurden verschiedene Gründe geltend gemacht. Einmal wurde darauf hingewiesen, dass die Mädchen im Allgemeinen billiger arbeiten können, weil ihre Lebensbedürfnisse geringer sind, und dass deshalb die massenhafte Arbeit der Mädchen den Lohn für die Männer ungebührlich herabdrücke. In England war die Unnatur in Folge der rein materialistischen wirtschaftlichen Grundsätze so weit gekommen, dass die Männer statt zu arbeiten, die Kinder pflegten und die Weiber statt die Kinder zu pflegen, in den Fabriken arbeiteten. Der zweite und Hauptgrund aber, welcher gegen die Arbeit der Mädchen in Fabriken geltend gemacht wird, ist der nachteilige Einfluss auf die Sittlichkeit der Arbeitertöchter und damit auf die künftigen Familien. Die Arbeiter und ihre Führer haben in den letzten Jahren oft in erschütternder Weise auf diese Folgen hingewiesen. Sie haben in ihren Versammlungen also gesprochen: Wir fordern gute und glückliche Familien für den Arbeiterstand; um aber gute und glückliche Familien zu haben, bedürfen wir tugendhafter, braver Frauen und Mütter; diese können wir aber nicht finden, wenn man unsere Mädchen in die Fabriken lockt und ihnen dort die Keime der Unsittlichkeit und Frechheit einimpft. Ich kann es euch nicht sagen, liebe Arbeiter, wie mich diese Stimmen aus dem Arbeiterstande gerührt und gefreut haben. Das ist eine Sprache, die man vor zehn Jahren, als die Arbeiterbewegung in Deutschland noch nicht verbreitet war, kaum anderswo als auf den christlichen Kanzeln hörte. Die liberale Partei hatte für diese sittlichen Gefahren der Arbeitertöchter keinen Sinn und wenn sie in den Fabriken in Grund und Boden verdorben waren, so behauptete sie doch noch mit heuchlerischer Miene, eine Wohltäterin des Arbeiterstandes zu sein, weil die Mädchen bei ihr Geld verdienten. Diese Erkenntnis von den Gefahren des Fabriklebens für die Sittlichkeit der Arbeitertöchter und damit für die Arbeiterfamilie, gewinnt jetzt eine immer größere Verbreitung auch bei vielen Fabrikherrn. Das ist eine erfreuliche Erscheinung und zeigt, wie auf manchem andern Gebiete, so auch bei der Entwicklung der Arbeiterbewegung, dass alle großen Fragen zuletzt zur Religion und zur Sittlichkeit zurückführen. „Die Sorgfalt für die Unverdorbenheit der Mädchen“ ist nach dem offiziellen Berichte über die Tätigkeit des Preisgerichtes bei der Universal-Ausstellung von 1867 zu Paris, ein Gesichtspunkt für die Preiserteilung gewesen. Als Mittel hierfür sind insbesondere genannt worden: Absonderung der Arbeitslokale für die Mädchen; strenge Überwachung derselben; Anstalt für junge Mädchen, die ohne Familie sind; besondere Speisesäle, Ausübung der Leitung der Mädchen durch eine gesetzte weibliche Person, statt durch männliche Werkführer usw.

Gott hat euch, liebe Fabrikarbeiter, noch vielfach vor dem äußersten Verderben bewahrt, welches durch das Fabrikleben über die Töchter des Arbeiterstandes kommen kann. Das Fabrikleben ist bei uns noch nicht so alt und wir haben noch zu einem großen Teile ein echt christliches Familienleben, welches diesem Verderben starken Widerstand entgegensetzt. Ich kann euch nur mit großer Freude das Zeugnis geben, dass sehr viele unserer jungen Fabrikarbeiterinnen durchaus sittenreine und musterhafte Jungfrauen sind. Dagegen können wir uns die großen Gefahren, welche die Sittlichkeit eurer Töchter bedrohen, nicht verhehlen. Sie sind sogar in diesen Gegenden vielfach größer wie in anderen, weil in vielen Fabriken so gut wie nichts für die Sittlichkeit der Arbeiterinnen geschieht. Alle diese wichtigen Gesichtspunkte, welche ich oben angeführt habe, über die Trennung der Arbeiterlokale, über die Aufsteht der Mädchen durch anständige Frauen, bleiben hier in den meisten Füllen gänzlich außer Acht. Ich kann euch daher nur auffordern, liebe Arbeiter, euch dieser Bewegung im Arbeiterstande, zur Bewahrung der Sittlichkeit eurer Töchter mit aller Kraft anzuschließen. Dazu. sollt ihr Alle mitwirken. Das ist eine allgemeine Arbeitersache, das ist eine heilige Ehrensache für den Arbeiterstand, das ist endlich eine Pflicht der Religion. Die Ehre eurer Töchter ist eure Ehre, ihr Väter, ihr Brüder! Die Schande eurer Töchter ist eure Schande; die Sittlichkeit eurer Töchter ist die Bedingung der Sittlichkeit und des Glückes eurer Familien, geliebte Arbeiter! Wer sie antastet, der tastet nicht nur eure Ehre an, der zerstört die Zukunft eurer Familien, Dazu müsst ihr mitwirken, ihr Männer, auf dem Wege zur Fabrik, wie in der Fabrik selbst. Es sind eure Töchter. Fluch über den Vater, der dulden und ansehen kann, was seine Tochter entsittlicht! Dazu müsset ihr mitwirken, ihr Brüder, es sind ja eure Schwestern. Schmach und Schande über den Bruder, der zusehen kann, wie seine Schwester entehrt wird! Dazu müsset ihr alle mitwirken, die ihr der Gemeinde angehört, es sind ja Kinder eurer Gemeinde, deren Glück und Unglück euch angeht. Dazu müsst namentlich ihr mitwirken, ihr älteren braven Jungfrauen, und müsst mit menschlicher und christlicher Liebe eure jüngeren Mitschwestern vor so vielen Gefahren, die ihnen das Beste und Höchste, was die Jungfrau hat, die ihren guten Namen, ihren sittlichen Ruf, ihre Reinheit rauben wollen, nach Kräften beschützen. Deshalb dürft ihr in den Fabriken selbst keine Werkmeister dulden, die ihre Stellung zu dem Teufelswerk missbrauchen, die Arbeiterinnen zu verderben, und müsst euch vor allem hüten, aus Eigennutz oder aus Furcht, die Arbeit zu verlieren, Hehler der Schlechtigkeiten solcher Werkführer zu werden. Oft kennt ein Teil der Fabrikarbeiter die Schlechtigkeiten solcher sittenloser Werkführer und es findet sich keiner, der den Mut hat, gegen ihn aufzutreten und so kann ein solcher schlechter, niederträchtiger Mensch sein Werk zur Verführung der Unschuld lange Zeit ungestört forttreiben.


Hier seht ihr überall, liebe Arbeiter, den innigsten Zusammenhang der Religion mit dem Wohl und Wehe und mit den Forderungen des Arbeiterstandes. Alles was die Religion von der ersten Kindheit an bis heute euren Kindern, euren Töchtern gesagt hat, dient zugleich dazu, sie sittenrein zu erhalten, sie vor allen Gefahren zu schützen, sie so heranzubilden, wie es nötig ist, um einst wahrhaft gute Frauen der Arbeiter, gute Mütter der Arbeiterkinder, um einst die Stützen eines echten, guten Familienlebens im Arbeiterstande zu sein.