Die fünfte Forderung des Arbeiterstandes ist die, dass die Frauen, die Mütter nicht in den Fabriken arbeiten sollen.

Der Franzose Julius Simon sagt in seinem, von der wärmsten Liebe zum Arbeiterstande eingegebenen, höchst belehrenden Buche „Die Arbeiterin“: „Unsere ganze wirtschaftliche Organisation leidet an einem entsetzlichen Fehler, welcher zugleich das Elend des Arbeiterstandes erzeugt und um jeden Preis überwunden werden muss, wenn man nicht zu Grunde gehen will: und dieser ist die Zerstörung des Familienlebens.“ Er führt dann die Worte Michelets an: „Arbeiterin — schreckliches Wort, welches früher keine Sprache gekannt, welches keine Zeit vor diesem eisernen Zeitalter begriffen hat und welches allein im Stande ist, alle angeblichen Fortschritte unserer Tage auszuheben.“ Damit soll das Verderben angedeutet werden, wenn die Mutter nicht mehr Mutter, sondern Arbeiterin ist. „Das Weib, welches Arbeiterin geworden, ist nicht mehr ein Weib; sie führt nicht mehr dieses verborgene, geschützte, züchtige Leben, umgeben von den zarten, heiligen Eindrücken des Familienlebens, was Alles sowohl für das Glück des Weibes, wie für das Glück der Familie so heilsam ist. Es lebt nicht mehr unter der Herrschaft ihres Mannes, sondern eines Werkführers, unter Mitarbeiterinnen mit vielfach verdächtiger Sittlichkeit, in fortgesetzter Berührung mit Männern, getrennt von ihrem Manne und ihren Kindern. In einer solchen Arbeiterfamilie sind Vater und Mutter vierzehn Stunden täglich abwesend. Da ist also keine Familie mehr. Die Mutter kann ihre eigenen Kinder nicht mehr stillen. Daher eine erschreckende Sterblichkeit. Die Kinder mit drei und vier Jahren laufen auf den Straßen herum, von Hunger und Kälte gequält. Wenn dann um sieben Uhr Abends Vater, Mutter und Kinder sich in dem einzigen Zimmer, welches sie haben, zusammenfinden, der Vater und die Mutter ermüdet von der Arbeit und die Kinder hungrig und erstarrt, dann ist Nichts bereitet. Die Stube stand leer den ganzen Tag, Niemand war da, um für die notwendigsten Bedürfnisse und für Sauberkeit zu sorgen. Kein Feuer auf dem Herde, die Mutter sehnt sich nach Ruhe, es fehlt ihr die Kraft, noch Nahrungsmittel zu bereiten; ihre eigenen, wie die Kleider ihres Mannes und ihrer Kinder sind zerlumpt: da haben wir das traurige Bild einer Familie, wie unsere Fabriken es vielfach schufen. Man braucht sich wahrhaftig nicht zu wundern, dass der Vater, wenn er ermüdet die Fabrik verlässt, nur mit Widerwillen in diese enge, schmutzige, ungelüftete Spelunke tritt, wo ihn halb-nackte Kinder erwarten und ein Weib, das er fast nicht mehr kennt, weil es nicht mehr in seinem Hause wohnt; wenn er dann die Schenke dieser Stube vorzieht und dort seinen ganzen Gewinn vergeudet und seine Gesundheit zerstört. Das Resultat dieser Zustände aber ist große Armut vieler Arbeiter mitten in einer blühenden Industrie.“ So beschreibt Simon, nachdem er lange Jahre alle Fabrikbezirke Frankreichs besucht hatte, die Zustände in manchen französischen Fabrikbezirken, wo die Frauen in den Fabriken arbeiten und dadurch die Familie zerstört ist. Er kommt daher zu dem Resultate, dass alle Lohnerhöhung für den Arbeiterstand unnütz ist ohne Besserung der Sitten und dass alle Besserung der Sitte im Arbeiterstande von der Hebung des Familienlebens, wo immer es durch die moderne Industrie und das Fabrikleben beschädigt ist, abhängt. „Schrecklich“, ruft er aus, „das Brot fehlt viel öfter in den Haushaltungen der Arbeiter durch die Schuld des Vaters, als durch die Schuld der Industrie. Der „blaue Montag“ verschlingt ein Viertel, vielleicht die Hälfte des ganzen Wochenlohnes, und die bestbezahlten Arbeiter, welche recht wohl für ihre Familien sorgen könnten, sind fast überall am meisten der Trunksucht verfallen. Der Wohlstand hängt mehr von der Sittlichkeit als von dem Lohne ab. Das Übel ist daher mehr noch ein moralisches und das Problem, welches gelöst werden muss, besteht darin, den Arbeiter durch sich selbst zu retten. Man kann dem Arbeiter noch einen größeren Dienst leisten, als ihm Arbeit und Geld geben, und dieser besteht darin, ihm Liebe zur Sparsamkeit und Sittlichkeit einzuflößen. Wenn die Werkstätten voll und die Schenken leer sind, dann ist das Übel überwunden.“

Alle diese Übelstände, welche Julius Simon hier aus dem französischen Fabrikleben beschreibt und welche in England in einem noch viel größeren Umfange Platz gegriffen hatten, sind in Deutschland, wenigstens in diesen Fabrikgegenden in einem solchen Umfange nie entfernt eingetreten. Namentlich arbeiten ja, so viel ich weiß, die Frauen und Mütter hier fast nirgends in den Fabriken. Die Erkenntnis aber, welche sich immer mehr in dem Arbeiterstand geltend macht, wie unendlich wichtig für sein Gedeihen die Familie ist, zeigt uns wieder, wie innig die Religion mit so vielen Bestrebungen des Arbeiterstandes zusammenhängt und wie dieselben nur in und durch die Religion erreicht werden können. Auch die Religion fordert, dass die Mutter im Hause in Erfüllung ihrer hohen und heiligen Pflichten gegen Mann und Kinder den Tag zubringe. Alles was Julius Simon in den angeführten Worten, alles was je ein Freund des Arbeiterstandes über die Wichtigkeit der Familie gesprochen hat, wird unendlich übertroffen durch das, was ihr von Jugend auf von der Kirche über die Heiligkeit des Familienlebens gehört habt. Es ist ganz und gar wahr, die Arbeiterfrage ist vor allem eine sittliche und sie hängt durchaus mit dem Familienleben zusammen. Ebenso gewiss ist es aber wahr, dass sie nur in und mit der Religion gelöst werden kann. Je inniger ihr euch der Kirche anschließt, desto bessere Frauen habet ihr für euch, desto bessere Mütter für eure Kinder, desto inniger wird das Familienleben, desto mehr wird euch das innigste Familienband vor allen Gefahren des Arbeiterstandes, namentlich vor der Kneipe, vor dem Wirtshause, vor der Liederlichkeit bewahren.