Die dritte Forderung des Arbeiterstandes ist die Gewährung von Ruhetagen.

Auch diese Forderung ist wohlberechtigt. Die Religion unterstützt euch nicht nur in dieser Forderung, sondern sie hat dieselbe lange vor euch geltend gemacht. Gott hat sie gestellt in dem Gebote: „Gedenke, dass du den Sabbat heiligest!“

Auch in dieser Hinsicht haben die Grundsätze der modernen Volkswirtschaft und die Partei. welche ihnen dient, ein wahrhaft himmelschreiendes Verbrechen am Menschengeschlecht begangen und begehen es vielfach bis auf den heutigen Tag. Daran beteiligen sich nicht nur die großen Fabrikherrn, die ihre Arbeiter an Sonntagen zur Arbeit zwingen, sondern auch die Handwerker aller Art, die Güterbesitzer und die Dienstherrschaften überhaupt, welche ihren Dienstboten die Sonntagsruhe entziehen. Daran beteiligen sich auch alle jene Beamten, welche aus Feigheit vor den reichen Leuten den schutzlosen Arbeiter schutzlos lassen und nicht einmal die Gesetze zu vollstrecken wagen. Die Heuchelei, die man dabei mit s. g. liberalen Grundsätzen trieb, ist in neuerer Zeit von einigen Führern der Arbeiterbewegung mit großer Wahrheit aufgedeckt worden. Die Geldmacht hatte bei dieser Ausbeutung immer den Schein der zartesten Menschenfreundlichkeit angenommen und die Forderung der Kirche nach Ruhetagen als eine inhumane Beeinträchtigung der armen Volksklasse hingestellt. Wie oft hat sie deshalb mit emsiger Sorgfalt die Sonn- und Feiertage zusammengezählt und mit süßlicher Miene berechnet, wie viel Lohn alle diese Tage abwerfen würden, wenn sie zur Arbeit verwendet würden. Daraus ergab sich dann ein überaus großer Wohltätigkeitssinn dieser Geldherrn, die dem Volke diesen Gewinn so gerne zuwenden wollten, und die grausame Hartherzigkeit der Kirche, welche dem Volke diesen großen Gewinn entziehe. Darauf haben die Organe der Arbeiterpartei geantwortet, dass es noch ein anderes Mittel gebe, den Arbeitern diesen Gewinn zuzuwenden, ohne ihn durch Arbeit tot zu quälen. Dieses Mittel bestehe aber darin, dass man ihm für sechs Tage Arbeit einen so hohen Lohn gebe, wie man bisher für sieben Tage gegeben. Dann bleibe der Gewinn für den Arbeiter derselbe, der Arbeiter behalte aber seine menschenwürdige Existenz. Wer kann die Wahrheit dieser Anschauung und den Lug und Trug jener Auffassung der Geldmänner, die sich noch in den letzten Jahren in Baden und Bayern so vielfach kundgegeben, verkennen? Wenn sie Recht hätten, dann wäre es ja eine Unmenschlichkeit, die Arbeiter noch schlafen zu lassen. Man könnte euch so mit der süßesten Miene noch vordemonstrieren, welchen Lohn die Nachtarbeit euch einbringen würde. So gewiss wie der Mensch innerhalb der 24 Stunden eine Anzahl Stunden Ruhe nötig hat, so hat er auch innerhalb der sieben Tage eine Tagesruhe notwendig. Das verlangt nicht nur seine Seele, damit er an diesem Tage sich als Gotteskind erkenne, das verlangt auch sein Leib, damit er gesund und kräftig bleibe. Und wie der Mensch, welcher den Arbeiter einen Tag lang gebraucht, verpflichtet ist, ihm die notwendige Nachtruhe zu lassen und darnach seinen Lohn zu berechnen, so ist auch der Fabrikherr, welcher die ganze Woche die Kraft des Arbeiters gebraucht, verpflichtet, ihm die Wochenruhe zu lassen und auch darnach seinen Lohn zu berechnen. Auch die Ruhezeit ist zur Arbeitszeit zu rechnen, insoweit sie der Arbeit wegen nötig geworden ist und insoweit sie die Bedingung der bevorstehenden Arbeit ist.


Es genügt aber nicht, geliebte Arbeiter, dass die Ruhetage in den Parteiorganen der Arbeiter gefordert werden. Ihr müsst auch selbst, so viel ihr könnt, mitwirken, dass diese Ruhetage nicht durch die Arbeit gestört werden. Während die Arbeiterpartei als solche, Ruhetage fordert, gibt es leider noch immer manche Arbeiter, die nicht gezwungen, sondern von Eigennutz getrieben, am Sonntage arbeiten, wenn und wo sie Geld verdienen können. Solche Arbeiter sündigen nicht nur gegen Gott und gegen sein Gebot, sie sündigen auch recht eigentlich am ganzen Arbeiterstande, indem sie aus gemeinem Eigennutz dazu mitwirken, dass man auch anderen Arbeitern ihre Ruhetage um so leichter entziehen kann. Möchten doch alle Arbeiter, auch die Dienstmagd, die von einer gefühllosen Herrschaft über Gebühr ausgebeutet wird, auch den letzten Eisenbahnbediensteten nicht ausgenommen, dem von überreichen Eisenbahngesellschaften die Sonntagsruhe nicht gewährt wird, dieses Recht einstimmig als ein Menschenrecht zurückfordern. Was helfen die sogenannten Menschenrechte in den Konstitutionen, wovon der Arbeiter wenig Nutzen hat, so lange die Geldmacht diese sozialen Menschenrechte mit Füßen treten kann?

So sehr aber auch die Religion mit euch, geliebte Arbeiter, die Ruhetage fordert und so gewiss alle Bemühungen des Arbeiterstandes in dieser Hinsicht eitel wären, wenn sie nicht von der Macht der Religion und des Gottesgebotes: „Gedenke, dass du den Sabbat heiligest“ unterstützt würden, so gewiss ist es auch, dass dieser Ruhetag nur dann für alle eure Beziehungen, für eure Gesundheit, für Kräftigung und Stärkung eurer Arbeitskraft, für eure Seelen, für wahre Hebung eures ganzen geistigen Lebens, endlich für eure Familien, denen ihr unter der Woche so viel entzogen seid, und für Stärkung des Familiengeistes nützlich ist, wenn ihr brave, christliche Arbeiter, wenn ihr innig mit der Religion und Kirche verbunden seid, und dass ohne Religion selbst die Ruhetage nur dazu dienen, den Arbeiter und die Arbeiterfamilien an Gesundheit und im Wohlstände zu ruinieren. Der sogenannte „blaue Montag“ ist ja nichts anderes als ein ohne Religion zugebrachter Ruhetag und er hat in manchen Gegenden dem sittlichen und materiellen Wohl des Arbeiterstandes die tiefsten Wunden geschlagen.

Welch’ ein Unterschied zwischen einer Arbeiterfamilie, in welcher der Ruhetag nach den Grundsätzen der Religion, und einer anderen, in der er ohne Religion hingebracht wird! Ich will dieses Bild hier nicht weiter ausführen. Ihr selbst könnt überall dazu Beispiele finden. Ein, im Wirtshause, in schlechten Gesellschaften, in Trunksucht, in Unzucht, in Nachtschwärmerei dahingebrachter Ruhetag ruiniert die Gesundheit, das Vermögen, die Familie des Arbeiters und wird ihm ebenso zum Fluche, als ihm der christlich zugebrachte Ruhetag in allen diesen Beziehungen zum Segen wird.