Geschichtliche Vorbemerkungen. Erste Fortsetzung

Man suchte diese Übelstände dadurch abzuhelfen, dass man die Arbeiter selbst zum Bauen veranlasste, indem man ihnen entweder fiskalische Gebäude oder Gründe verkaufte und zinsfreie Bauvorschüsse gewährte; so machte man 1824 auf der Louisen Grube bei Zabrze den Versuch, 20 kleine Wohnhäuser von je einer Wohnung, die im Jahre 1796 angekauft waren, an Bergleute gegen Ratenzahlungen als Eigentum zu überlassen, und seit 1819 gewährte man auch zinsfreie Bauvorschüsse, zu denen noch mit dem raschen Aufschwung der dortigen Industrie die unentgeltliche Überlassung des Bauplatzes hinzukam, um dadurch die Arbeiter an dem Werke zu fesseln. Bauprämien à 300 Mark wurden an 305 Bergleute bezahlt und die Bauvorschüsse betrugen anfangs 600—900 Mark. Auf diese Weise erbauten die Bergleute 416 meist einstöckige, massive Häuser für je 2 bis 5 Familien, welche zusammen 1.727 Familienwohnungen enthielten. In neuerer Zeit wurden auch Häuser mit 8 Familienwohnungen gebaut. Vom Jahre 1864 an wurde der Baugrund unentgeltlich überlassen, und zu den Bauprämien von 300 Mark bewilligte man noch unverzinsliche, jedoch mit 12,5% jährlich zurückzuzahlende Darlehen bis 1.500 Mark. Auf diese Weise wurden von 1865 — 1872 an der Königs- und Louisen-Grube 187.080 Mark Bauprämien und 926.850 Mark Hausbau-Vorschüsse ausbezahlt.

Denselben Weg verfolgten auch die fiskalischen Steinkohlenwerke im Saarbrücker Bezirke, die mit Gewährung von Unterstützungen aus der Knappschafts- und Staatskasse seit dem Jahre 1842 den Bergleuten den Bau der Wohnhäuser selbst überließen. Im Ganzen wurden hier von 1842 — 1871 mit der erwähnten Hilfe 3.081 Häuser erbaut, wovon 1.027 Häuser in den Kolonien und 2.054 außerhalb derselben stehen. Die hierzu gewährte Prämiensumme betrug 1.834.755 Mark, während aus der Knappschaftskasse eine Darlehenssumme von 2.028.830 Mark und aus den Staatskassen eine solche von 890.235 Mark geleistet war. Für den Wohlstand der Arbeiter in diesem Bezirke spricht der Umstand, dass die Darlehen schon vor dem festgesetzten Termine zurückgezahlt waren und dass von den mit Hilfe dieser Darlehen erbauten Häusern in dem ganzen obigen Zeiträume nur 9 Häuser wegen Schulden verkauft werden mussten, während in den letzten 7 Jahren nur 1 Haus aus demselben Grunde verkauft ist. Die Kolonien machen einen freundlichen Eindruck, die Straßen sind mit Bäumen bepflanzt, die Häuschen mit Blumengarten umgeben und mehrere Schulhäuser sind erbaut, auch haben sich verschiedene Handwerker niedergelassen und bestehen Wochenmärkte daselbst. Als eine rasche Vermehrung der Arbeitskräfte erforderlich wurde, erbaute man in den Kolonien: Alter Kessel, Elversberg, Friedrichsthal, Herresohr und Klein-Heiligenwald 25 Doppelhäuser auf Staatskosten, die zusammen einen Kostenaufwand von 159.900 Mark erforderten, so dass jedes Doppelhaus 6.396 Mark kostete. Auch bei den übrigen preußischen Staatsbergwerken hat man in ähnlicher Weise gebaut, und im Jahre 1873 waren im Staatshaushalts-Etat 162.000 Mark für den Bau von Arbeiterwohnungen angesetzt, welche für die Saarbrücker Bergwerke und für die Salzwerke zu Stassfurt und Schönebeck errichtet werden sollten.


Bei den vom Staate und der Stadt Berlin gemeinschaftlich betriebenen Rüdersdorfer Kalksteinbrüchen erbaute man anfänglich die Arbeiterwohnungen auf Kosten der Verwaltung; in den Jahren 1867 bis 1872 aber wurden 31 Häuser mit Hilfe des Prämien- und Vorschusssystems von den Arbeitern selbst erbaut. Man überlies den Bergarbeitern, je nach der Größe des Hauses, 700 — 1.200 m2 Baugrund und gewährte ihnen außer anderen Begünstigungen noch eine Prämie von 450 oder 900 Mark, je nachdem das Haus eine oder zwei Familienwohnungen enthielt.

Die von der preußischen Bergverwaltung beim Bau der vielen Arbeiterwohnungen im Laufe der Zeit gemachten Erfahrungen führten dahin, dass Normalprojekte für Zwei-, Vier- und Acht-Familienhäuser aufgestellt wurden, wobei man eine möglichste Absonderung der Einzelwohnungen anstrebte und bei dem Zwei- und Vier-Familienhause auch vollständig erreichte, während bei dem Acht-Familienhause je 2 Familien gemeinschaftliche Eingänge und je 4 Familien gemeinschaftliche Verbindungswege zwischen den Gebäuden haben, wobei aber für jede Familie ein besonders abgegrenzter Hof- und Gartenplatz vorhanden ist. Die Vier-Familienhäuser sind in der Mitte zwischen 2 parallelen Längsstraßen situiert und bilden eine einfache Reihe; die Acht-Familienhäuser stehen in Doppelreihen an zwei parallelen Straßen, so dass die Hof- und Gartenplätze von zwei Häuserreihen rückwärts zusammenstoßen, damit der frischen Luft freierer Durchgang gestattet wird. Bei den Vier- und Acht-Familienhäusern haben die Einzelwohnungen 1 Wohnstube von 19 m2, 1 Kammer von 9 m2, 1 Küche von 6 m2, 1 Keller von 9 m2 , 1 Bodenkammer von 6 — 9 m2 und 1 Trockenboden von 19 — 29 m2 Grundfläche; das zugehörige Stallgebäude hat 1 Ziegenstall von 4 m2 und 1 Schweinestall von 3,5 m2 Grundfläche; ferner ist 1 Futterraum und 1 Abort vorhanden. Zweifamilienhäuser, für kleine Beamte bestimmt, sind etwas größer angeordnet. An Grundfläche pro Einzelwohnung ist vorhanden: 1) bei dem Zwei-Familienhause für das Wohngebäude 72 m2 für die Stallung 14 m2, für Gartenplatz 168 m2, für Hofplatz und Wege 146 m2 , also Gesamtfläche 400 m2; 2) bei dem Vier-Familienhaus für das Wohngebäude 52 m2, für die Stallung 14 m2, für Gartenplatz 200 m2, für Hofplatz und Wege 134 m2, zusammen 400 m2; 3) bei dem Acht-Familienhaus für das Wohngebäude 27,5 m2, für die Stallung 24 m2, für den abgeteilten Hof- und Gartenplatz 84 m2, für gemeinschaftliche Hofplätze und Wege 26 m2, zusammen 161,5 m2. Jedes der 3 Häuser erfordert hiernach eine Gesamtgrundfläche von resp. 800 m2, 1.600 m3, 1.292 m2.

Seit dem Jahre 1840 trat in Preußen das lebhafte Bestreben hervor, das Los der arbeitenden Klasse zu verbessern; so bildete sich die Berliner gemeinnützige Baugesellschaft, um eine Verbesserung der Wohnungsverhältnisse anzustreben und dadurch bei den Arbeitern den Sinn für Häuslichkeit und Familienglück zu heben. Nach den Statuten der Gesellschaft, die am 28. Okt. 1848 von der Regierung genehmigt wurden, hatte dieselbe den Zweck, gesunde Wohnungen für die sog. „kleinen Leute“ zu erbauen, an diese zu vermieten und den zu einer Mietgenossenschaft vereinigten Mietern jedes Hauses dies letztere nach 30 Jahren zum freien Eigentum zu übergeben. Zur Erreichung dieses Zweckes sollten die Wohnungen derartig vermietet werden, dass sie das Anlagekapital nach Abzug aller Kosten mit 6% verzinsten. Hiervon sollten 4% den Aktionären als Dividende gezahlt, 2% dagegen amortisiert und deren Beträge alljährlich den einzelnen Mietgenossen pro rata der gezahlten Miete als Eigentumsanteile gut geschrieben werden. Mietgenossen oder deren Erben, welche die 30jährige Periode nicht abwarten können, erhalten eine ihrem Eigentumsanteile entsprechende Abfindungssumme, so dass für diese zugleich ein Sparkassenverhältnis entstand. In vielen Kreisen fand diese Idee, aus besitzlosen Arbeitern arbeitsame Besitzer zu schaffen, die wärmste Teilnahme, und König Friedrich Wilhelm IV., sowie der Prinz von Preußen, der jetzige Kaiser Wilhelm, interessierten sich durch persönliche Mitwirkung an dem Gedeihen dieser Gesellschaft. Der Letztere führte das Protektorat, während Prinz Albert, Gemahl der Königin von England, der auf der Londoner Weltausstellung vom Jahre 1851 ein Arbeiter-Musterhaus für 4 Familien erbaut hatte, Ehrenmitglied der Gesellschaft wurde.