Die Anker und Kabel der Seevölker des Altertums

Autor: Schuirman, G. und Thaulow, G. Vorsteher der deutschen Seemannschule in Hamburg, Erscheinungsjahr: 1865
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Seeschifffahrt, Anker, Taue, Ausrüstungsstücke, Küstenfischerei, Wasserfahrzeuge, Schiffssicherheit, Seewesen
Aus: Hansa, Zeitschrift für Deutsches Seewesen. II. Jahrgang 1865 redigiert und verlegt durch Schuirman, G. und Thaulow, G. Vorsteher der deutschen Seemannschule in Hamburg.

Zu allen Zeiten sind für den Seemann von ganz besonderem Interesse diejenigen Ausrüstungsstücke des Schiffs gewesen, welche es möglich machen, der ewig bewegten, ewig das Schiff umherwerfenden See ihren Spielball zu entziehen und am erwünschten Orte in voller Sicherheit festzulegen: wir meinen die Anker und die Kabel.
Die Erfindung der Anker und selbst ihrer einfachsten Surrogate ist offenbar bei Weitem jünger, als die der übrigen Hauptausrüstungsgegenstände des Schiffs, wie der Riemen (Ruder), der Segel, der Masten u. s. w. Die einfachste, ursprünglichste Stufe der Seeschifffahrt, die Küstenfischerei, wie sie von den zivilisierten Nationen fast an allen neu entdeckten Gestaden noch vorgefunden wurde, brauchte keinen Anker und nichts dem Ähnliches; man konnte ja die Fahrzeuge am allerwirksamsten der Gewalt der See dadurch entziehen, dass man dieselben auf den Strand zog, was bei der geringen Schwere dieser kleinen Fahrzeuge ebenso leicht wie natürlich war. Anders gestaltete sich die Sache bei der zunehmenden Größe und Schwere der Fahrzeuge, die mit der wachsenden Entwicklung des ganzen Seewesens Hand in Hand ging.

Der Schauplatz der ersten weiteren Entwicklung des Seewesens ist nach aller unserer Kenntnis die Mittellandssee gewesen, das erste wirkliche Meer, auf welches die Völker der kaukasischen Rasse, die Träger aller neueren Kultur, bei ihrem Vordringen nach Westen stoßen mussten. Hieraus erklärt sich auch, warum gerade am Ostrande der Mittellandssee und zwar in den Händen der Phönizier das Seewesen seinen ersten Aufschwung zu nehmen begann, obwohl jener schmale Küstenstrich mit seinem verhältnismäßig nicht sehr fruchtbaren Hinterlande im Ganzen hierfür nicht sonderlich günstig war. Es ist aber eine feststehende Tatsache, dass gerade in Phönizien der erste Aufschwung des Seewesens begann, dass in den ältesten Zeiten, bis zu denen unsre sichere Kunde noch reicht, Phönizier den Seehandel der Mittellandssee beherrschten, namentlich die Männer von Sidon, von denen uns die homerischen Gedichte erzählen, dann auch die Einwohner von Tyrus, der prachtvollen, durch die Propheten des Alten Testaments mit so glühenden Farben geschilderten üppigen Seehandelsstadt. Doch nicht lange blieb die Herrschaft über die See und die Ausbildung des Seewesens allein in den Händen der Phönizier; auf ihren weiten Fahrten nach Westen durch die ganze Mittellandssee, ja noch viel weiter, nach Norden hinauf, hatten die Phönizier teils Kolonien ihres Stammes gegründet, teils Völker andren Stammes mit ihren heimischen Kultur-Elementen befruchtet und zu ähnlicher Tätigkeit angeregt. Letzteres gilt namentlich von den Griechen, deren bald in immer steigenden Progressionen wachsender Seehandel und ihr damit steigender politischer Einfluss in Kurzem das ganze östliche Becken der Mittellandssee unter ihre kommerzielle wie politische Herrschaft brachten, während das westliche Becken der Mittellandssee durch die bedeutendste phönizische Kolonie Karthago okkupiert wurde. Es kann nicht unsre Absicht sein, an dieser Stelle die Geschichte des Seewesens der Alten im Allgemeinen weiter zu verfolgen, namentlich bis dahin zu verfolgen, wo mit Griechenland und Karthago gleichzeitig beide Becken der Mittellandssee, also dieser ganze gewaltige Binnensee unter Roms Oberherrschaft kam und so für Rom das verwirklichte, was die jetzige Französische Politik mit ihren Absichten auf Verwirklichung der Phrase vom lac français zu erreichen strebt; es kommt hier rein darauf an, die Zeit der wichtigsten nautischen Erfindungen einer schon weiter ausgebildeten Marine und die Völker, welche Träger dieser Erfindungen waren, genauer festzustellen. Man pflegt nur zu oft das „Seewesen der Alten“ wie einen einzigen, durch keine zeitliche, räumliche und nationale Verschiedenheit in sich gespaltenen und gesonderten Begriff sich vorzustellen, und Alles dabei in Eins zu werfen. Und doch waren die zeitlichen, die räumlichen und namentlich die nationalen Eigentümlichkeiten im Altertum, dem das nivellierende Element der Neuzeit fehlte (das auch im Seewesen die lokalen Schiffsraten wie Galjoten u. dgl. immer mehr zurückdrängt) noch weit schärfer ausgeprägt als heute, wo doch wahrlich zwischen der Marine zweier verschiedener Völker und verschiedener Länder, wie z. B. Englands und Spaniens oder der Türkei Verschiedenheiten genug bestehen. Und nicht weniger machen sich die zeitlichen Unterschiede im antiken Seewesen bei demselben Volke bemerkbar: es wäre ja auch unnatürlich, wenn sich das Seewesen Jahrhunderte lang auf derselben Stufe sollte erhalten haben. Man bedenke nur, dass der Zeit nach die Punischen Kriege von der Schlacht bei Actium oder von der Zeit Christi so weit entfernt lagen, wie heute von unsrer Zeit der 30jährige Krieg mit seinen Heldengestalten Wallenstein und Gustav Adolph; dass die Zeit des Demosthenes und somit auch der „attischen Seeurkunden,“ von denen unten die Rede sein wird, ziemlich so weit von der Zeit Christi ablag, wie von uns die Zeiten der Spanischen Armada und der Tunesischen Expedition Karls V.; dass vollends die Zeit der glorreichen Perserkriege den letzten Lebensjahren Christi nicht näher stand als uns heute Columbus mit der Entdeckung Amerikas oder vielmehr sogar die Blütezeit der Galeerenflotte von Genua. Man wird also dieser Zeitunterschiede, welche selbst die Forscher auf diesem Gebiet fast ganz vernachlässigt haben, sich wohl bewusst sein müssen, wenn wir im Folgenden über die antiken Anker und Kabel sprechen, wie sie in den verschiedensten Perioden des Altertums im Gebrauch waren.

Wir sagten bereits oben, dass den Phöniziern die erste höhere Ausbildung des Seewesens zu verdanken ist: wir verdanken ihnen auch höchst wahrscheinlich die Erfindung des Ankers oder wenigstens des ersten noch sehr unwillkommnen Mittels zur Festlegung des Schiffs in offnem Wasser. Als erstes Mittel zur Erreichung des genannten Zweckes finden wir nämlich bei den ältesten Völkern des Altertums und namentlich bei den Phöniziern schwere Steine, an Tauen befestigt, die an das Ufer oder auf den Grund niedergelassen wurden, dann auch statt der Steine Metallbarren: ja, nach einer Erzählung des übrigens nicht sehr glaubwürdigen Diodor hätten die Phönizier einmal: als das Schiff schon seine volle Fracht hatte und sonst kein Silber mehr mitnehmen konnte, das Blei der Ankermassen abgenommen und durch Silber ersetzt. Wie dem auch sein mag, das Auswerfen runder massiver Massen von Stein oder schwerem Metall war in der frühsten Zeit der Entwicklung des Seewesens jedenfalls gewöhnlich.

Allerdings sollte man beim ersten Anblick denken, dass das Treiben des Schiffs durch die bloße Schwere einer Last nicht sehr gehindert werden könnte, welche das Schiff ja auch während seiner Fahrt zu tragen hatte, um so mehr als dieselbe im Wasser ja sehr an Gewicht verlor: auf der andern Seite aber verursachte der Stein immerhin durch seine Schwere eine nicht unbedeutende Reibung auf dem Grunde und durch sein Volumen bot er weit größeren Wasserwiderstand, als wenn er im Schiff liegend dessen Tiefgang nur wenig vermehrte, und konnte somit wohl hinreichen, um das Treiben des Schiffes zu verhindern.

Es erzählt uns Arrian von Stücken eines solchen offenbar sehr alten steinernen Ankers, die er gelegentlich seiner Küstenfahrt im Schwarzen Meere bei einem Tempel zu sehen bekam, wo man den angeblichen Anker des berühmten sagenhaften Schiffs Argo als Reliquie zeigte. Wie man es auch heute häufig trifft, hatte man schon damals die schadhaft gewordene Reliquie durch ein neueres Stück ersetzt, durch einen eisernen Anker, an dessen Echtheit der Reisende eben deswegen zweifelte, weil er von Eisen war: ihm schienen die in der Nähe liegenden bearbeiteten Stücke jenes Steines die ursprüngliche Reliquie gewesen zu sein.
Selbst in späterer Zeit, als das Seewesen schon außerordentlich vervollkommnet war und eiserne Anker ausschließlich gebraucht wurden, finden wir im Notfall noch dieses Mittel angewandt, d. h. wohl in weichem schlammigen Grunde, wo die gewöhnlichen Anker nicht halten wollten, und ebenso auch auf felsigem Grunde, wo sie größere Reibung boten als die schmalen Eisen-Anker. In dieser Weise verfuhr man bei Alexander des Großen Expedition nach der Angabe des Arrian, und auch der griechische Feldherr Iphikrates gebrauchte auf felsigem Grunde Sandsäcke, die an Kabeln ausgeworfen wurden. Ja in noch viel späterer, in christlicher Zeit empfiehlt der Kaiser Leo in seinen taktischen Vorschriften diese Art Anker, die Kephalides genannt werden. (Ein Beispiel von steinernen Ankern auch in neurer Zeit führt Scheffer, ein Gelehrter des 17. Jahrhunderts, in seinem verdienstlichen lateinischen Buch über das Kriegsseewesen der Alten an: im Indischen Hafen Kalikut hatten die Europäer Marmorblöcke von 8 Palmen = 6 Fuß Länge gesehen, die an doppelten Kabeln befestigt als Anker dienten.) Namentlich aber dienen solche Steine oder Sandsäcke auch ohne auf den Grund zu kommen als Treib-Anker, um die Gewalt der See zu brechen und den Gang des Schiffs ruhiger zu machen, in ähnlicher Weise wie dies kürzlich in der „Hansa“ mit einem bloßen Tau, einem Schlepper empfohlen wurde. Auch Röding gibt in seinem Marine-Lexicon als ein Mittel gegen das Verschlagenwerden bei Sturm an, man solle aus Reserverundhölzern einen Rahmen zimmern, darüber ein festes Segel nähen, und das Ganze an einer Ecke beschwert in die See werfen, nachdem man an den Ecken starke Leinen befestigt habe, deren andre Enden am Achterschiff fest wären. Dann findet das durch den starken Windfang heftig treibende Schiff einen Halt an der senkrecht im Wasser ruhenden Fläche des Segels, welche durch das Wasser aufgehalten, nicht so schnell folgen kann. Nach ganz ähnlichem Prinzip finden wir nun auch einen Treibanker bei den alten Ägyptern hergestellt, welchen uns Herodot sehr ausführlich beschreibt. Auf den schwach gebauten und sehr langsamen Flusskähnen nämlich auf dem Nil, welche Baris genannt werden, versenkte man auch vorn eine Platte aus Rohrgeflecht, die jedenfalls am unteren Ende beschwert war, so dass sich der Strom in derselben fing und (namentlich wohl bei konträrem Wind und starkem Windfang) das langsame Fahrzeug mit sich fortriss, während ein hinten an einer Leine nachgeschleppter Stein die Fahrt regulierte und auch als Anker dienen konnte, wie die oben genannten steinernen Anker. Doch kehren wir jetzt zu den eigentlichen Ankern zurück.

Wie schon gesagt, waren die Anker in den ersten Zeiten runde Massen aus Stein oder Metall, welche bloß durch ihre Schwere und die dadurch bedingte Reibung auf dem Grunde wirkten. Mit der steigenden Ausbildung des Seewesens aber kam man schließlich auf das einfachste Mittel, diese Reibung auch anders und wirksamer als durch bloße Vergrößerung des Gewichts zu vermehren, nämlich durch Anbringung von Widerhaken an den aufgeworfnen Metallbarren, bis endlich die ganze Barre als Haken geformt wurde, und nicht mehr durch ihre Schwere, sondern rein durch ihre Metallstärke in der Verwendung als Haken das Schiff festzuhalten hatte — der Anker griechisch: Ankyra; lateinisch: ancora war erfunden. Von Römischen und Griechischen Schriftstellern wird diese Erfindung teils den Tyrrhenern, teils dem Midas als Kleinasiaten zugeschrieben: etwas Sicheres ist darüber aus jener sagenumwobenen Zeit natürlich nicht festzustellen, wenn auch der Name der Tyrrhener, des bekannten seeräuberischen Küstenvolks des westlichen Beckens der Mittellandssee zu dieser Erfindung sehr wohl zu passen scheint. Auch ist es schwer glaublich, dass es nur einen einzigen Erfinder des Ankers gegeben haben sollte: vielmehr wird, wie in den meisten Fällen, die Erfindung wohl gleichzeitig von Verschiednen an verschiednen Orten gemacht worden sein. Es war indessen der Anker noch immer nur einarmig, ein einziger Haken an eisernem Schaft (ein „einschnäbliger“ Anker, wie die Griechen ihn bezeichnen, hatarostomos): der letzte Schritt zur Vollkommenheit war die Erfindung des doppelarmigen, beiderseitig zu brauchenden Ankers (des „beiderseits geschnäbelten,“ wie er bei den Griechen heißt, amphistomos), so wie wir ihn noch heute haben, eine Erfindung, die in gleich unglaublicher Weise dem Sagenhelden Eupalamus und dem Skythen Anachonsis zugeschrieben wird. (Von der später hinzugefügten Öhse zwischen den Armen, sowie von dem Ring am dünnen Schaftende und der Erfindung des Ankerstocks soll unten die Rede sein.) Diese Anker waren natürlich fast immer von Eisen: auffälliger Weise finden sich jedoch vereinzelt auch hölzerne Anker, und zwar nicht bloß in den frühesten Zeiten, sondern selbst im 2. Jahrhundert vor Christi, zur Zeit der höchsten Ausbildung des Seewesens, die sich der unsrigen, wenn man von der Benutzung des Dampfs und der Feuerwaffen absieht, vollständig ebenbürtig an die Seite stellt, und in der bewundernswürdigen Ausbildung des Rudersystems die neure Zeit und das Mittelalter sogar weit übertrifft.

Wir finden nämlich in einer sehr detaillierten Besehreibung des größten Kriegstransportschiffs der alten Welt, der „Syrakosia,“ später in „Alexandreia“ umgetauft, welche sich König Hieron von Syrakus hatte bauen lassen (eines Segelschiffs von 4.200 Tons, mit bleibeschlagnen Boden, mit 3 vollgetakelten Masten und 20 Hilfsriemen sowie mit fast 1.000 Mann Besatzung) die Angabe, dass dasselbe neben 8 eisernen Ankern noch 4 hölzerne Anker gehabt habe. (Von den Ankern des großen Vierzigreihenschiffs des Ptolemäus Philopator dagegen ist uns nichts überliefert, trotz des Aufsehens, das jenes Weltwunder gleich unsrem „Great Eastern“ erregte): vermutlich waren übrigens die Holzanker der „Syrakosia,“ wie sich dies oft bei den Ankern der Alten findet, mit Blei beschwert, und namentlich wohl für schlammigen Grund bestimmt, für den sie durch ihr größeres Volumen mehr geeignet waren als eiserne. Übrigens führt auch für Holzanker Scheffer als Beispiel aus seiner Zeit die Anker der Japanesen an.*)

*) Die Chinesischen Dschunken haben noch jetzt einarmige hölzerne Anker, deren Flukes öfter mit Eisen beschuht ist. Statt des Stockes ist am oberen Ende des Schaftes ein Stein angezurrt. Anm. d. Red.

Die genauesten Nachrichten über die Ausrüstung der Schiffe mit Ankern und Kabeln haben wir aber aus der Zeit der „Seeurkunden.“ Wir haben bereits oben erwähnt, wie nach Beseitigung des Einflusses der Phönizier das westliche Becken der Mittellandssee durch Griechenland beherrscht wurde: unter den Griechischen Staaten aber war seit den Perserkriegen und namentlich seit der Zeit des Perikles bis zum Ende des 3. Jahrhunderts v. Chr. Athen der herrschende Staat gewesen. Seine Seemacht war namentlich in der letzteren Zeit ganz gewaltig; sie zählte im Jahre 322 nicht weniger als 413 Ruderkriegsschiffe, davon 360 Dreireihenschiffe, 50 Vierreihenschiffe und schon 3 der damals aufkommenden Fünfreihenschiffe, zusammen von 102.500 Tons, bedeutend mehr als die ganze jetzige Französische Panzerflotte. Die Verwaltung dieses großen Materials hatte eine Commission von 10 Werft-Kuratoren, welche natürlich über das beträchtliche ihnen anvertraute Kapital am Schluss ihrer Amtsführung Rechnung abzulegen und Inventarien zu übergeben hatten. Zu diesem Zwecke wurden, da man ein andres Mittel zur Veröffentlichung, wie wir im Druck, noch nicht besaß, die Inventarien vollständig auf Marmorplatten geschrieben und auf der Burg öffentlich ausgestellt. — Von diesen Marmorplatten ist ein großer Teil, etwa 320 Druckseiten umfassend, vor 30 Jahren wieder aufgefunden, und von Böckh und Graser in ihren betreffenden Werken durch Kombinationen für unsere Kenntnis der antiken Marine nutzbar gemacht worden. Nach dem Ausweis dieser Seeurkunden nun gehörten zur vollständigen Ausrüstung für die Kriegsschiffe (d. h. die Dreireihenschiffe, welche sämtlich Schwesterschiffe waren, so dass ihre Ausrüstung vertauscht werden konnte) in früherer Zeit 4 eiserne Anker: späterhin aber und namentlich in der letzten Hälfte des 4 Jahrhunderts finden sich als reglementsmäßige Zahl unter dem „hängenden Zeug“ (das hauptsächlich das Taugut umfasste) stets 2 eiserne Anker aufgeführt für jedes Schiff, für das Dreireihenschiff sowohl als das Vierreihenschiff. Das Gewicht der Anker war, soweit sich dies aus den Bruchstücken ermitteln lässt, verhältnismäßig sehr gering, was übrigens mit der geringen Stärke der dazu gehörigen Kabel und auch mit dem geringen Ankergewicht der verwandten Galeeren des Mittelalters vollständig stimmt, und seine Erklärung darin findet, dass die Ruderkriegsschiffe, und zwar die des Altertums noch mehr als die des Mittelalters außerordentlich scharf gebaut waren, um Menschenkraft beim Rudern zu sparen, also ankernd dem Wasser wenig Widerstand boten.

Der Form nach scheinen diese Anker den auf römischen Münzen abgebildeten Ankern durchaus ähnlich gewesen zu sein, da ja die Römer alle ihre vollkommneren nautischen Einrichtungen von den Griechen entlehnten. Sie hatten für gewöhnlich keine Flügel (Widerhaken) sondern bloß abgeflachte Spitzen an den Armen: dagegen hatten sie stets den Stock, der im rechten Winkel zur Richtung des Schafts wie der Arme stand, und deshalb bei der sehr unvollkommnen Perspektive der alten Reliefs auf den Münzen gewöhnlich nicht zu sehen ist. Es sind uns indessen doch 3 Münzen bekannt, wo dieser Ankerstock ganz deutlich sichtbar ist (auf der einen scheint er fast eine tellerförmige Gestalt angenommen zu haben), und ebenso ist uns auch eine Münze bekannt, wo sich auch Flügel an den Enden der Arme finden. In Bezug auf das Fehlen der Flügel bemerkt übrigens auch der Schottische Kapitän Smith sehr richtig: „die Anker selbst waren von den heutigen wenig verschieden; sie hatten keine Schaufeln oder dreieckigen Platten von Eisen (Flukes) an den Enden ihrer Arme, und es ist auch gar nicht ausgemacht, dass diese Zutat die haltende Kraft der Anker vergrößert. Die Holländischen Anker, die nur abgeflachte Arm-Enden haben, sind für ihre treffliche Haltekraft berühmt.“ Außerdem hatten die Anker am dünnen Ende des Schafts einen Ring für das Kabel, am entgegengesetzten Ende zwischen den Annen aber meist eine Öse, von deren Verwendung unten die Rede sein soll. Bei der Handelsmarine wurde von den verschiednen Ankern des Schiffs der größte und stärkste der „heilige Anker“ (Griechisch: Hiera Ankyra, Römisch: sacra ancora) genannt, wohl weil von ihm die Rettung des Schiffs in der größten Gefahr abhing. (Der Deutsche Name „Pflicht-Anker“ ist natürlich davon abzuleiten, dass derselbe ursprünglich an der „Pflicht,“ der „Vorpflicht,“ der gedeckten Wohnung auf dem Oberdeck, seinen Platz hatte, während der Englische Name „sheet-anchor“ wohl von der Nähe seines Platzes an dem Schont (sheet) der Fock. der Französische Name „grande ancre“ oder „Maitresse ancre“ von der Größe und Wichtigkeit seinen Ursprung hat, dagegen „ancre de miséricorde“ von seiner Hilfe in der Not.) Von den Enter-Dreggen der Allen zu sprechen, die man zuweilen mit den Ankern verwechselt hat, ist hier nicht der Ort.

Als Kabel führten die Griechischen Kriegsschiffe zweierlei Arten: „Ankertaue schoinia ankyreia, bei den Römern funes ancurales, auch funes ancorarii, oder bloß ancoralia genannt) und „Achtertaue“ oder „Landtaue“ (schoinia epigya, oder epigeia, peismata, d. h. „Taue, welchen das Schiff gehorcht,“ auch ereismata, d. h. „Stütztaue“ genannt, oder prymnesia, d. h. „Achterschiffstaue,“ bei den Römern rectinocula). Die ersteren, von 8 „Finger“ = 6 Zoll Umfang, dienten zum Ankern: die letzteren, von 6 „Finger“ = 4 ½ Zoll Stärke, wurden nur im Hafen, also bei ruhigem Wetter gebraucht, zum Festlegen, namentlich des Achterschiffs am Lande, und zwar an Duc d' Alben oder Steinsäulen an den Kajen; es sind deshalb im Achterschiff für diese Kabel gewöhnlich auch 2 runde Pforten. Diese Achtertaue wurden übrigens auch beim Ablauf des neugebauten Schiffs verwandt, wie dies aus einem bei Athenäus erhaltenen Festgedicht auf das oben erwähnte große Schiff des Hieron hervorgeht. Von jeder Art erhielten die Griechischen Dreireihenschiffe 4 Stück; alle 8 Kabel zusammen aber wurden bei den Griechen mit gemeinschaftlichem Namen als schoinia, d. h. Binsentaue bezeichnet, weil dieselben ursprünglich aus einer jetzt noch in Spanien ähnlich verwandten Binsenart geschlagen waren. Bei dem großen Schiff des Hieron aber waren sie von weißlichem Spanischen Hanf.
Bei den Römern war die ganze Einrichtung im Wesentlichen dieselbe wie bei den Griechen, wie denn fast alle ihre vollkommneren nautischen Einrichtungen den Griechen und den Karthagern entlehnt waren.

Von Ankerketten findet sich weder bei den Griechen noch Römern eine Spur; wohl aber erfahren wir durch Cäsärs Bericht, dass die Veneter, eine halbwilde Nordgallische Völkerschaft, in ihren Schiffen, die gegen die Gewalt des offenen Ozeans durch außerordentlich starken und hohen Bau gesichert und mit Segeln aus Leder ausgerüstet waren, Eisenketten statt der Ankerkabel führten. Die wilden Veneter jener Zeit sind sonach die Ersten, welche die heute so allgemein gewordene Sitte, mit Ketten zu ankern, in Anwendung gebracht haben. Doch um wieder zu den Kabeln der Griechen und Römer zurückzukommen, so wurden Kabel der oben beschriebenen Art auch zum Schleppen und Bugsieren anderer Schiffe gebraucht und bei dieser Verwendung Rhymos genannt. Mit einem solchen Tau „ziehen“ hieß dann rhymulkein, was die Römer in remulcare (eine sinnlose Wortbildung) verderbten, und hieraus ist dann die Italienische Form rimurchiare und die Französische remorquer entstanden für „Schleppen“ oder „Bugsiren,“ wie wir schon an anderer Stelle bewiesen haben. Ein anderes Kabel ist der sogenannte kamelos, wohl wegen seiner Stärke und Größe mit einem Kamel verglichen, oder aber, was uns noch wahrscheinlicher ist, ursprünglich ein Haarseil aus Kamelhaar oder Garn, ein Name, der in dem bekannten Gleichnis des Neuen Testaments mit dem Kamel und dem Nadelöhr zu den seltsamsten Auslegungen Anlass gegeben hat, während Nichts natürlicher ist, als die Aufgabe, ein ganz dickes Tau durch ein ganz kleines Loch zu bringen, wenn man etwas Unmögliches verlangen will.

Von sonstigen Einrichtungen zum Ankern wäre noch zu erwähnen, dass die alten Griechen wie wir 2 Klüsen hatten, zu beiden Seiten des Vorstevens, gegen das Schamfielen der Kabel mit Metall gefüttert, und zwar als Augen geformt, wie wir es auch heute noch bei den Japanesischen Dschunken sehen können. Die Klüsen heißen bei den Griechen „Augen“ (ophthalmoi), und aus dem lateinischen entsprechenden Namen ist die Bezeichnung dieser Löcher in den Romanischen Sprachen und im Altenglischen entstanden. Dass man gerade die Form von Augen wählte, hatte einerseits seinen Grund in einer mystischen Bedeutung dieser Form, andererseits aber in dem schönen Gefühl der Alten, wonach sie das Schiff als ein belebtes, beseeltes Wesen auffassten, und am Bug mit „Stirn,“ „Backen,“ „Schnabel,“ „Augen“ und auch „Ohren“ ausstatteten. „Ohransätze“ (epotides) nämlich hießen 2 unter 45° mit dem Schiffskiel beiderseits hervorragende, sehr starke Balken, welche einerseits dazu bestimmt waren, das Kriegsschiff beim Ausweichen vor einem feindlichen Gegenstoß vor Verletzung des Vorschiffs durch das feindliche, oben weit ausschießende Vorschiff zu bewahren, andererseits aber zum Anhängen der Anker, wie unsere Krahnbalken. Von diesen Ohransätzen aus wurden die Anker zuweilen auch für die Reise nach vorn geholt und mit den Flügeln auf den ehernen Schnabel gesetzt, um die Planken nicht zu beschädigen. Übrigens scheinen die Alten, wenn sie den Anker niedergehen lassen wollten, gewöhnlich zuerst den Ring am dünnen Ende des Schafts mit dem Stock versenkt zu haben, so dass die Arme und die zwischen ihnen befindliche, auf den Monumenten meist deutlich sichtbare Öse am dicken Schaftende, mit welcher der Anker an dem Haken einer Pferdeleine vom Ohransatz herabhing, beim Niedergehen zu oberst blieben; wenn dann der Stock, auf den Grund gekommen, sich platt gelegt hatte, konnte der nach vorn stehende Ankerarm mit voller Kraft in den Grund einhauen, da durch den Aufstoß des Stockes auf den Grund die Ankeröse sich aus dem Haken der Pferdeleine loshakte. Das Kabel wurde dabei an (epistrophai) Betingen mit 2 Hörnern belegt, wie sie uns eine Römische Münze zeigt, oder auch an Pollern, deren einen uns ein Pompejanisches Wandgemälde deutlich vor Augen führt. Beim Ankerlichten aber wurde das Kabel wie bei uns mittelst eines Spills (stropheion) eingewunden.

Zum Schlusse sei noch bemerkt, dass Anker und Kabel und alles Dazugehörige sich genau in der Weise, wie es hier dargestellt worden ist, ausgeführt finden in dem Modell eines antiken Fünfreihenschiffes, das genau nach dem Graser'schen Buche über das Seewesen der Alten und nach den darin enthaltenen Rissen im Auftrage des Königlichen Museums zu Berlin gebaut worden ist und noch in diesem Monat in dem Antiquarium des Museums aufgestellt werden wird.