Die Anfänge einer Gewerbepolitik in Mecklenburg im. 16. Jahrhundert

Die sich im 15./16. Jahrhundert allmählich durchsetzende Überordnung der territorialen Gewalt über die städtische fand ihren besonderen Niederschlag in wirtschaftspolitischen Bestimmungen für Handwerk und Gewerbe.

Das erste grundlegende Gesetz für Mecklenburg ist die Polizeiordnung von 1516, die in den Jahren 1542, 1562 und 1572 mehrere Neuauflagen und Revisionen erlebte. Die Veranlassung zu der von den Herzögen Heinrich und Albrecht mit dem Einverständnis der Landstände veröffentlichten Gesetzgebung boten die Klagen der Untertanen über Unordnungen und Missbräuche in den Städten, die seit 1512 an die Herzöge gelangt waren. Der herzogliche Sekretär Johann Monnick wurde beauftragt, eine Rundreise durch alle Städte zu unternehmen und über die dortigen Verhältnisse zu berichten. Auf Grund seiner Erkundigungen und der Klagen, die ziemlich überall bei den Städten die gleichen waren, wurde nun die neue Polizeiordnung ausgearbeitet. Sie enthält allgemeine Abgrenzungen der städtischen und ländlichen Rechte und Einzelverordnungen über die einzelnen Zweige von Gewerbe und Handwerk.


Einen Anlass zu stetigen Streitigkeiten zwischen Stadt und Land gab das Braugewerbe, das, zu den städtischen Rechten gehörig, auf dem Lande von Adel und Bauern nicht ausgeübt werden durfte, damit jede Konkurrenz für die Städte und eine Schmälerung ihrer wirtschaftlichen Macht wegfiel. Die Polizeiordnung brachte nun genaue Bestimmungen, die beiden Teilen, der Stadt- und der Landbevölkerung, entgegen kamen und so alle Misshelligkeiten durch genaue Abgrenzung der Gerechtsame zu beseitigen suchten. Es wurde verordnet, daß Adel und Geistlichkeit zwar brauen dürften, aber nur für den Eigenbedarf in ihrem Hause, keinesfalls sollten sie Bier gegen Entgelt ausschenken oder an die Krüger verkaufen. Alle anderen Landbewohner, wie die Bauern, Müller, Küster, durften nicht brauen, außer daß zur Erntezeit jeder Bauer für sich und sein Gesinde brauen konnte. Es wurde bei Strafe verboten, zu Kindtaufen, Hochzeiten und anderen Festen zu brauen. Zum wirtschaftlichen Schutz der Dorfkrüger, die ihr Bier aus der Stadt bezogen, ward verfügt, daß die Bürger sie nicht übervorteilen und mit Schulden belasten sollten. Der Krüger durfte nicht gezwungen werden, von seinem Gläubiger Bier zu beziehen, sondern sollte das Recht haben, zu kaufen, bei wem er wollte. Bei Abzahlung etwaiger Schulden sollte die Herrschaft behilflich sein.

Dass diese Verordnungen auch durchgeführt und Übergriffe der Städte gelegentlich verhindert wurden, zeigt ein Schreiben Herzog Heinrichs von 1517 an den Rat zu Rostock. Es handelte sich um einen Krüger zu Volkenshagen, den der Rat vertrieben hatte. Im Laufe des Jahrhunderts häuften sich aber doch trotz der Bestimmungen der Polizeiordnung die Klagen über das Bierbrauen auf dem Lande, so daß neue Verfügungen und Hinweise auf die Polizeiordnung nötig wurden. Auf Beschwerde der Stadt Wismar befahl Herzog Johann Albrecht 1549 allen Vögten, Küchenmeistern, Verwesern, Äbten, Propsten und allen Klöstern, dafür zu sorgen, daß entgegen den Bestimmungen der Polizeiordnung auf dem Lande kein Bier gebraut werde. Als die Städte sich auf dem Güstrower Landtage 1555 über Bierbrauen und Malzmachen auf den Dörfern beschwerten, wurde wiederum die Ungesetzlichkeit des Brauens auf dem Lande betont. Gleiche Klagen und Bestimmungen wiederholten sich auf den Landtagen von 1572 zu Güstrow und Sternberg, 1584 zu Sternberg und 1589 zu Güstrow. Die Amtsordnung von 1567 und eine Konstitution der Herzöge von 1571 wiederholten das Verbot ebenfalls.

Wichtig vor allem aber waren die sehr eingehenden Bestimmungen über das Handwerk, die ein großes Interesse der Herzöge für das innere Leben der Städte und ihr wirtschaftliches Gedeihen bekunden. Von grundlegender Bedeutung war die Bestimmung der Polizeiordnung von 1516, daß das Handwerk ein Privileg der städtischen Einwohner bleiben und, außer den Schmieden, kein Handwerker auf dem Lande geduldet werden sollte. Diese Bestimmung wiederholte sich in späterer Zeit, außer in den neuen Polizeiordnungen, in den Entschlüssen der Herzöge Johann Albrecht und Ulrich auf dem Güstrower Landtag von 155 und in der Amtsordnung von 1567. Eine Überfüllung im Handwerk, die das wirtschaftliche Auskommen der einzelnen in Frage stellen würde, sollte vermieden werden. Es wurde in der Polizeiordnung ein numerus clausus für Handwerker in den Städten aufgestellt, damit in jeder Stadt und in jedem Handwerk oder Amt nicht mehr Leute zugelassen wurden, als nötig waren und Existenzmöglichkeit hatten. Die Entscheidung hierüber wurde dem Ermessen des Rates einer jeden Stadt überlassen. Weiterhin wurde betont, daß tüchtige Handwerker gefördert und Missstände innerhalb des Handwerks beseitigt werden sollten.

Genaue Richtlinien wurden für die einzelnen Zweige des Handwerks aufgestellt. Die Polizeiordnung von 1516 wies den Rat der Städte an, im Interesse des gemeinen Wohls darauf zu achten, daß die Bäcker gutes Brot mit richtigem Gewicht backten, Fleischer, Schuhmacher und Schmiede ihre Ware zu angemessenen Preisen feilböten. Zur Kontrolle sollten sachverständige Ratsmitglieder mindestens alle Vierteljahr einmal Besichtigungen vornehmen und die Übertreter unter Strafe stellen.

Sogar in die Gepflogenheiten der Zünfte griffen die herzoglichen Bestimmungen ein. Die Polizeiordnung verbot übertriebene Schlemmereien bei Gildeschmäusen, die Anlass zu wirtschaftlicher Schädigung der einzelnen und der Allgemeinheit wären. Außer der Pfingst- und Schützengilde waren alle Veranstaltungen untersagt. Es sollten in keinem Handwerk mehr als zwei Innungsversammlungen, Morgensprachen genannt, stattfinden; es durfte bei diesen Anlässen wohl Bier geschenkt, aber keine Speise aufgetragen werden.

Alle Handwerker sollten freien Eingang in ihr Amt haben, d. h. ohne Geld dafür zu entrichten und Meisterschmäuse dafür zu veranstalten. Weiterhin wurde bestimmt, daß die Lehrlinge dem Meister nicht mehr als das übliche Lehrgeld geben und beim Meisterstück dem Meister keine Geschenke machen sollten.

Um das Handwerk und dessen Wohlstand weiterhin zu schützen, wurden Missbräuche, die wirtschaftliche Schädigung bedeuten, aufgehoben. Als sich das Schusterhandwerk zu Neubrandenburg 1572 beschwerte, daß ungelernte Schuster sich in den Städten und sogar auf dem Lande niederließen und Fellkäufer die Felle bei den Bauern aufkauften und so die Zufuhr in die Städte hinderten, was Teurung und Übervorteilung zur Folge habe, sorgten die Herzöge Johann Albrecht und Ulrich für Abhilfe. Sie stellten dabei die Bedingung, daß beim Schusterhandwerk selbst keine Übertretungen der Polizeiordnung mehr vorkämen und die festgesetzten Höchstpreise nicht überschritten würden. Übertretungen wurden bestraft und bei dreimaliger Wiederholung das Handwerk entzogen. Ebenso verfuhr man 1572 mit dem Tischlerhandwerk. Es wurde einerseits in seinen Interessen unterstützt und andererseits zur Innehaltung der Vorschriften ermahnt. Für angemessene Preise sollte es sorgen und den Entwurf einer Neuordnung den Herzögen zur Überprüfung vorlegen.