Die ersten Spuren der Opposition gegen die mittelalterliche Richtung

Nicht mit Einem Male und nicht allgemein ergreift eine neue Richtung die Menschheit. Jahrhunderte vorher, ehe sie herrschend wird, kündigt sie sich an, und selbst, wenn sie herrschend geworden, hat sie noch mit den Resten der bisherigen Richtung zu kämpfen.

Auch die Richtung, welche wir als die antike geschildert, trat nicht mit einem Male in die Welt. Ehe sie sich der Menschheit bemächtigte, musste sie erst die übrigen besiegen, die sich in den orientalischen Völkern aussprachen, in welchen offenbar das geistige Element mit dem natürlichen noch im Kampfe begriffen lag.


Und wiederum begann auch die Richtung, die wir als die mittelalterliche bezeichnet, schon in dem Momente, als das alte Leben auf dem höchsten Punkte seiner Entwicklung stand: in Griechenland zu den Zeiten des Perikles. Denn die Philosophie des Socrates und des Plato ist mit Recht als eine Vorläuferin der neuen Weltanschauung betrachtet worden.

Allein man kann nicht sagen, dass die mittelalterliche Weltansicht von jetzt an, oder auch nur von dem Augenblicke an, als das Christentum Staatsreligion des römischen Reiches und als dieses von den Germanen eingenommen ward ein Zeitpunkt, den man gewöhnlich als den Anfang des Mittelalters bezeichnet, schon die allgemeine der Menschheit gewesen. Bis sie zu dem Punkte gelangt, wo man dies von ihr behaupten konnte, hatte sie noch eine Menge von Kämpfen mit all den Elementen zu bestehen, die sich noch aus dem Altertum unter mannichfachen Modifikationen erhalten hatten.

Zuvörderst lag in dem ganzen römischen Staatswesen, welches bekanntlich auch auf die germanischen Eroberer einen so großen Einfluss geäußert, eine Opposition gegen die hierarchischen Bestrebungen, durch die Beibehaltung des Grundsatzes, dass die Geistlichkeit der Staatsgewalt unterworfen sei: ein Grundsatz, der dann später von den Nachfolgern der römischen Imperatoren, von den deutschen Kaisern, fortwährend festgehalten wurde.

Zweitens lag in dem germanischen Elemente eine Opposition gegen die Askese des Mittelalters.

Die Germanen, ein kräftiger, tatenlustiger Volksstamm, der nur in Krieg und Kampf seinen Ruhm, den Zweck seines Daseins erkannte, konnte der Lehre von unterwürfiger Demut, von Weltverachtung, von einsiedlerischer Untätigkeit keinen Geschmack abgewinnen.

Und drittens reproduzierte sich noch einmal im Abendland, zu den Zeiten Karls des Großen und unter den sächsischen, fränkischen Kaisern die antike Literatur und Bildung. An der Hand der Alten schien sich eine verständige, nützliche, lebendige Wissenschaft entwickeln zu wollen, die zu dem auftauchenden Scholastizismus, der Wissenschaft des Mittelalters, in Opposition trat *).

Gegen Ende des 11., Anfang des 12. Jahrhunderts indes hatte die mittelalterliche Richtung so das Übergewicht bekommen, dass man sie als die allgemeine bezeichnen konnte.

*) Siehe darüber Schlossers Vincenz von Beauvais. Erste Abteilung.

Doch in dem Augenblicke, als sie den Sieg über ihre bisherigen Gegner davon getragen zu haben schien, erhoben sich schon neue Oppositionen.

Die nächste Veranlassung dazu lag wohl in dem Verfalle der Richtung des Mittelalters selber.
Es ist schon oft genug ausgesprochen worden, dass das ganze hierarchische System des Mittelalters für die Menschheit außerordentlich heilsam gewesen, dass die Kirche es eigentlich war, welche in den Zeiten der Anarchie und der Verwirrung die Partei des Rechtes, der Freiheit, der Ordnung nahm und die Menschheit oft vor Unterdrückung bewahrte.

Selbst die Art von Frömmigkeit, die im Mittelalter herrschte, können wir nicht ohne Anerkennung bettachten, mögen wir nun auf die asketischen Bestrebungen oder auf das innere stillere Gemütsleben Rücksicht nehmen. Immerhin bleibt es ein großartiger Versuch, wenn auch ein vergeblicher, das sinnliche Element, das uns die Natur eingegeben, bis zur gänzlichen Unterdrückung zu besiegen. Auch die zeremonielle Frömmigkeit des Mittelalters entbehrte doch nicht einer tieferen religiösen Empfindung: sie schloss die echte Frömmigkeit keineswegs aus, wenn sie auch auf jene ein zu großes Gewicht legte.

Auch das wissenschaftliche Leben in den besten Zeiten des Scholastizismus müssen wir bewundern. Es ist eine Regsamkeit, ein Eifer, ein Streben in den Menschen, wie sie die schönsten Zeiten wissenschaftlicher Bildung nicht größer sahen. Die religiösen Wahrheiten, welche schon seit Jahrhunderten in der Menschheit wurzelten, aber nur als unbegriffene Tatsachen, waren nun auf einmal von dem Hauche einer höheren Erkenntnis berührt. Es ist etwas Großes, Tausende um der Wissenschaft willen in die entferntesten Länder strömen zu sehen — sitzend zu den Füßen des Meisters, mit Begeisterung seine Lehren einsaugend.

Aber die schönen Zeiten blieben nicht immer: eben, als die Richtung des Mittelalters auf der höchsten Spitze ihrer Entwicklung angekommen war, traten auch die Verfalle ein.

Es ist undenkbar, dass eine Macht, wenn sie durch günstige Zeitumstände und Verhältnisse zu einer gewissen Herrschaft gelangt ist, nicht suchen sollte, diese nicht nur zu behaupten und zu befestigen, sondern auch zu erweitern. Die Kirche des Mittelalters, an ihrer Spitze der Papst, war zu jenem großen Einfluss nur durch das Bedürfnis der Menschheit und durch ihre Unterstützung gelangt, weil man in ihr einen Schutz gegen die rohen weltlichen Gewalten erblickte. Als sie aber auf jenem Punkte angekommen war, nahm sie den Einfluss, den man ihr bisher freiwillig zugestanden, als ein Recht für sich in Anspruch und betrachtete sich nicht mehr als die Beschützerin, sondern als die Herrin der Menschheit. Sie stellte sich hin als die notwendige Vermittlerin zwischen ihr und Gott: ihre Priester sind eben darum schon heiliger, frömmer, als andere Menschen: sie hat allein den Himmel zu vergeben: es gibt keine Seligkeit, außer durch die Kirche und keine Wahrheit, außer in ihr.

Aber mit dieser angeblichen Heiligkeit und Frömmigkeit, welche die Kirche für ihre Priester in Anspruch nahm, stand nun in dem schneidendsten Widerspruch das unsittliche Leben, die Habsucht und Laster aller Art, welche nach und nach in der Geistlichkeit eingerissen waren. Die Kirche und der Klerus trat in Widerspruch mit den eigenen Theorien: dass man nämlich die Welt und ihre Güter fliehen, die sinnlichen Begierden und Regungen erdrücken müsse; denn keine Macht wusste sich mehr durch äußere Güter zu bereichern als die Kirche, und was sinnliche Lust, Luxus und Wohlleben anbetrifft, fand man an der Geistlichkeit und dem Mönchsstande fast noch mehr zu tadeln, als an den Laien.

Dazu kam, dass die Ansicht von der Frömmigkeit immer materieller, äußerlicher wurde, und allmählich den tieferen Gehalt verlor, der anfänglich in ihr war. Meistens durch die Schuld der Geistlichkeit, welche dabei gewann, da ohne ihre Vermittlung keine fromme Handlung mehr möglich war. In Messebesuchen, in Schenkungen an Kirchen und Klöster, an Arme, überhaupt in die sogenannten guten Werke setzte sie die größte Frömmigkeit.

Und überdies verlor auch der Scholastizismus seit der Zeit, als die Kirche eine Grenze gezogen hatte, über die man nicht hinaus durfte, jenen lebenskräftigen Charakter, durch den er sich anfänglich auszeichnete, weil er ein freies Erzeugnis des religiösen Bedürfnisses war: jetzt sank er immer mehr zu leerem Formelwesen herab.

Aber in dieser Lage der Dinge, als die alte Richtung in sich selbst Keime des Verfalles entstehen sah, traten neue Entwicklungen ein, die ganz andere Tendenzen in sich schlossen.

Einmal suchte sich jene eine Seite des religiösen Bewusstseins, die wir mit dem mystischen Elemente des Mittelalters bezeichneten, immer selbstständiger zu entwickeln, und dadurch sich allmählich von den Banden der Kirche abzulösen. Unbefriedigt von der zeremoniellen Frömmigkeit des Mittelalters, die immer lebloser und äußerlicher ward, zog es sich zurück in die Tiefen des Gemüts, um hier Befriedigung für das zu finden, was die Kirche nicht mehr gewähren konnte: ja es trat, von der Kirche beleidigt, bald gegen sie in Opposition.

Dann begannen sich jetzt neue Nationalitäten zu gestalten. Damals, als die Kirche anfing, die Herrschaft für sich in Anspruch zu nehmen, waren die alten Volkstümlichkeiten zerbrochen durch die germanischen Eroberer, und es hatten sich aus dem Gemische der verschiedenen Volksstämme sobald noch keine neuen entwickeln können. Erst nach einigen Jahrhunderten war dieses möglich gewesen. Eben jetzt aber, in den Zeiten der höchsten Blüte des Mittelalters, tritt auch das Bewusstsein der Nationalitäten wieder hervor: es entstehen Nationalpoesien, Nationalliteraturen. In dem erwachenden Nationalbewusstsein aber war schon der Keim einer Opposition gegen die Allgewalt der Kirche enthalten.

Aber die meisten und wirksamsten Gegensätze gegen das alte System finden sich in dem aufkommenden Bürgertum.

Gewissermaßen kann man die Oppositionen, welche von den Städten ausgingen, eine Fortsetzung derjenigen nennen, die sich gleich von Anfang an gegen die werdende Gewalt der Hierarchie aufgelehnt. Denn die Städte sind immer die Bundesgenossen des Kaisers gegen Papst und Geistlichkeit gewesen: und in ihnen erhielt sich auch fast allein das germanische Element.

Auf verschiedene Weise traten sie jetzt mit der herrschenden Richtung in Widerspruch. Einmal waren sie in politischer Beziehung fast beständig in Streit mit der Geistlichkeit, sei es mit dem Bischoff, von dessen Gewalt sie sich zu befreien suchten, oder mit dem übrigen Klerus und den Klöstern, der Stadt, die sie besteuern wollten, natürlich mit dem fortwährenden Widerspruch der Geistlichkeit. Dann bestand die hauptsächlichste Tätigkeit der Städte in Handel und Gewerbe: die zunehmenden Bedürfnisse, die Bequemlichkeit des Lebens, Befriedigung von Genüssen aller Art sicherten ihnen ihren Erwerb. Durch den Handel kamen sie mit der Welt in Berührung, da erweiterte sich der Gesichtskreis. Es bildete sich eine ganz andere Ansicht vom Leben und von der Welt, als es die rigorose Moral des Mittelalters verlangte. Es war eine gesunde, verständige, zugleich heitere Ansicht des Lebens, die sich in dem aufkommenden Bürgertum aussprach.

Keime genug zu Oppositionen gegen das alte System! die sich dann gegen Ende des 12. Anfang des 13. Jahrhunderts zum ersten Male mit Entschiedenheit erheben und nicht ohne Erfolge.

In diesen Oppositionen bemerken wir nun gleich von Anfang an drei verschiedene Richtungen, die aber in einem inneren geistigen Zusammenhang zu einander stehen.

Die eine Richtung, welche wir die ernst religiöse nennen können, ist jene, die aus dem Mystizismus hervorging: sie fühlt sich nicht befriedigt von der äußeren Religiosität der Kirche, tritt vielmehr gegen die äußeren Formen und Zeremonien derselben, worauf sie ein so großes Gewicht legte, in Opposition. Diese Richtung hat als Ideal eines wahrhaft religiösen Lebens und einer wahrhaften Kirche die ersten Zeiten des Christentums im Auge; sie will ein apostolisches Zeitalter wieder hervorrufen, oder dieses wenigstens als Muster der Nacheiferung aufstellen, und tritt gegen die Kirche darum in Gegensatz, weil diese von den ursprünglichen einfachen Lehren des Christentums abgewichen sei. Als Fundament der religiösen Überzeugung nimmt diese Richtung nur die Bibel an, und sie verwirft sämtliche Einrichtungen und Dogmen, die nicht mit ihr übereinstimmen.

Die zweite Richtung, die satyrisch volksmäßige, repräsentiert, ohne dass sie es ausdrücklich ausspricht, jene heitere Ansicht von Welt und Leben, wie sie sich besonders im städtischen Bürgertum entwickelte: ihre Opposition ist besonders gegen die Gebrechen der Kirche, gegen die schlechten Sitten der Geistlichkeit, ja wohl auch gegen das Lächerliche und Absurde einiger Zeremonien und Dogmen gerichtet, und gefällt sich in derbem Scherz, Ironie und Spots.

Die dritte Richtung, die wissenschaftliche, geht gegen den Scholastizismus, und sucht diesem gegenüber eine nützlichere und bessere Wissenschaft mit einer gefälligeren und klareren Darstellung hervorzurufen.

Spuren der ernsten religiösen Richtung finden wir genug im ganzen 12. Jahrhundert: aber zu einer gefährlichen Opposition gestaltete sie sich erst bei den Waldensern.

Sie nannten sich so von einem gewissen Peter Waldus, einem frommen Bürger in Lyon, der durch Zufall mit der Bibel bekannt geworden war und hier auf einmal ganz andere Dinge fand, als die Kirche lehrte: er teilte seine Ansichten seinen Freunden mit und bald sammelten sich um ihn eine Menge Gleichgesinnter, die sich dann durch Lesen der heiligen Schriften gegenseitig erbauten. Die Kirche wurde endlich auf diese Leute aufmerksam und tat sie zuletzt in den Bann, schon in den achtziger Jahren des 12 Jahrhunderts. Seitdem traten die Waldenser gegen die Kirche in offene Opposition und stellten ihre abweichenden Lehren nur noch schroffer heraus.

In den Ansichten der Waldenser waren denn schon alle die Hauptsätze enthalten, an denen die neuere religiöse Richtung von nun an festhielt, auf welche sie immer wieder zurückkam.

Zuerst verwarfen sie in Religionssachen jede Autorität, und hielten sich nur an die Bibel, welche das Fundament und die Quelle der christlichen Religion sei. Alle Meinungen, welche sich nicht unmittelbar aus ihr ableiten ließen, hielten sie für nichtig. Daher verachteten sie Scholastiker, päpstliche Dekrete, Konzilien, ja auch Kirchenväter: sie wären nicht mehr, wie andere Menschen auch. Die Bibel aber wollten sie nicht nach dem Sinne der Kirche ausgelegt wissen, sondern einfach und klar, wozu man eben keine große Gelehrsamkeit brauche: sie verlangten, dass die Bibel in die Landessprache übersetzt würde, damit sie auch dem gemeinen Manne zugänglich wäre.

Die nächste Folge von diesen Ansichten war die Verwerfung aller der Institutionen und Einrichtungen der Kirche, die sich nicht aus der Bibel rechtfertigen ließen. Besonders verwarfen sie den Schein von Heiligkeit und Frömmigkeit, überhaupt den großen Einfluss, welchen der Klerus für sich in Anspruch nahm. Die erste Kirche, sagten sie, kannte keine Geistlichen, alle waren Laien, selbst die Apostel, und nur der darf sich jenes Namens rühmen, der sich durch Erkenntnis und tugendhaften Wandel vor den übrigen auszeichnet. Alle Christen sind sich gleich; einer, wie der andere, ist berechtigt, Priester zu sein, und der tugendhafte Laie verrichtet mit größerem Erfolge eine heilige Handlung, als der lasterhafte Priester. Der Güterbesitz des Klerus ferner ist ganz und gar verwerflich. Überhaupt findet sich von der jetzigen Einrichtung der Kirche im neuen Testamente keine Spur: alle kirchlichen Institutionen samt dem Papst und seinen Dekreten seien daher zu verwerfen.

Von den Lehren griffen sie besonders diejenigen an, welche sich auf die äußeren Werke beziehen. Nicht Fasten, nicht Beobachtung äußerer Gebrauche, nicht Kasteiung des Körpers mache den Christen aus, sondern eine fromme Gesinnung und ein tugendhafter Wandel. Auch die Ehelosigkeit des Klerus verwarfen sie: die Ehe sei von Gott eingesetzt, sie sei dazu da, um das menschliche Geschlecht fortzupflanzen: es wäre widersinnig, den Zölibat für verdienstlich oder gar für heilig auszugeben.

Diese Sekte der Waldenser verbreitete sich denn ungemein weit. Nicht nur im südlichen Frankreich, wo sie entstanden war, zählte sie fast sämtliche Einwohner zu ihren Bekennern, sondern sie drang auch, im 13. Jahrhundert, in die Schweiz, Italien, Deutschland, Böhmen ein, wo sie sich eines großen Teils der Gemüter bemächtigte *).

*) S. Röhrig die Gottesfreunde und Winkler am Oberrhein, in Ilgens Zeitschrift für historische Theologie. 1840. Erstes Heft S. 122.

Und gleichzeitig mit dieser ernsten religiösen Opposition erhob sich auch die satyrisch volksmäßige. Wir hören sie namentlich im südlichen Frankreich, bei den Troubadours, auch in England, wo gegen Ende des 12. Jahrhunderts die bekannte Satire „der Pfaffe Amis“ gedichtet ward: auch in Deutschland hören wir sie, bei den Minensängern, wie bei Walther von der Vogelweide: nur hatte sie hier noch einen ernsteren Charakter.

Diese Opposition geht vorzüglich gegen die schlechten Sitten der Geistlichkeit, gegen die Habsucht der Kirche, gegen die Anmaßungen des römischen Stuhles, wie denn in letzterer Beziehung besonders Peire Cardinal und Gujot zu erwähnen ist; doch ist sie auch gegen Lehre und Ansicht gerichtet, namentlich gegen das mönchische Wesen. „Ein Garthäuser“, sagt Gujot, „hat sein Haus für sich allein: er kocht sich, er schläft, er isst allein: ich weiß nicht, ob ein solches Leben Gott gerade besser gefällt: ich aber, wenn ich im Paradiese allein sein sollte, wollte lieber gar nicht im Paradiese sein. Der Mensch, der einsam lebt, wird immer ein traurig Leben führen, oft Melancholie und üble Laune haben. Denen, die sich einmauern lassen, traue ich gar nicht, es sind Narren-“

Selbst gegen die wissenschaftliche Methode erhebt sich eine Opposition, die zum Teile noch aus der früheren besseren Zeit herüberkam. Hier sind namentlich Johann von Salisbury und Roger Bacon zu erwähnen, jener am Ende des 12., dieser in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts blühend. Diese eiferten gegen die unfruchtbare Dialektik, zu welcher der Scholastizismus immer mehr herabsank, gegen das Formelwesen, mit dem er sich umhüllte, gegen die spitzfindigen Grübeleien, mit denen er sich beschäftigte. Sie wollten ihm gegenüber eine praktische, verständige Wissenschaft, die sich besonders der Klarheit in der Darstellung befleißigte: Johann von Salisbury weist namentlich auf die Alten hin, die hierin Muster sein könnten. Roger Bacon dringt auf das Studium der Bibel, als des Fundamentes der Theologie: ganz im Gegensatz gegen die unfruchtbaren Grübeleien und Phantasien der Scholastiker will er die Naturwissenschaften wieder beleben, und die Mathematik, die Wissenschaft des Gewissen, zur Grundlage aller wissenschaftlichen Bildung gemacht haben: er verwirft in der Wissenschaft jede Autorität früherer Schriftsteller: gerade das feie das größte Hindernis für ihre selbstständige Entwicklung.

Betrachten wir im Ganzen und Großen die Zeiten des ausgehenden 12., angehenden 13. Jahrhunderts, so bemerken wir überall die kräftigsten Keime des erwachenden Geistes der neueren Zeit: ein Streben, sich von den drückenden fesselnder Hierarchie zu befreien, die Religion einfacher, natürlicher, vernünftiger zu gestalten, der Wissenschaft eine neue, ersprießliche, Richtung zu geben.

Ein anschauliches Bild der ganzen Opposition gegen das alte System ist Friedrich II., der Kaiser von Deutschland. Er bildet eigentlich den Mittelpunkt der Opposition: fast alle Seiten derselben sind von ihm vertreten. Zuvörderst war er als Kaiser in fast ununterbrochenem Streit mit der römischen Curie. In religiöser Beziehung dachte er vielleicht am Freiesten unter allen seinen Zeitgenossen, nicht ohne Beimischung von Spott und Satyre: man erzählt sich Manches von ihm, unter andern, dass er über die Brotverwandlung im Abendmahle gespottet habe: als er über ein Kornfeld ritt, habe er geäußert: „wie viele Götter können unsere Priester aus diesen Ähren machen!“ Auch der neuen wissenschaftlichen Richtung wandte er sich zu: er unterstützte besonders die Naturwissenschaften: er selbst hat eine Schrift über Ornithologie geschrieben, die heute noch von Sachverständigen gerühmt wird. —