Die neun Kurfürsten

Noch immer, wie seit Jahrhunderten schon, war Deutschland ein Wahlreich, in dem neun Kurfürsten die Kaiserwahl vornahmen. Im 18. Jahrhundert waren es neun an der Zahl, drei geistliche: Mainz, Trier und Köln, und sechs weltliche: Böhmen, Bayern, Sachsen, Brandenburg, die Pfalz bei Rhein und Hannover.

In Wirklichkeit, wenn auch nicht de jure, war dieses Wahlreich eine Erbmonarchie des Hauses Habsburg, das die Kaiserwürde seit 1437 besaß, und wenn die Kurfürsten dieser Tatsache nicht Rechnung trugen, so geschah es, weil die Wahlen, die sie immer erneut vornahmen, ihnen eine ganze Reihe von Vorteilen sicherten. Ganz abgesehen von den bedeutenden Bestechungssummen, die oft jahrelang in ihre Tasche flossen, erlaubte ihnen die Wahl, dem zu Wählenden Bedingungen aufzuerlegen, die ihrem Interesse entsprachen, nicht dem seinen.


So wurde denn die angebliche Kaiserwahl, die eine längst abgekartete Sache war und niemals mehr von den Kurfürsten, sondern immer nur von ihren Gesandten vorgenommen wurde, zu einer Nebensache, dem Vorwand, hinter dem sich als springender Punkt die Abfassung der Wahlkapitulation verbarg, die der Kandidat beschwören musste, ehe er die Krone empfing. Im Laufe der Zeit haben die Wahlkapitulationen zu einer solchen Beschränkung der kaiserlichen Prärogative geführt, dass der Kaiser in seinem Reich in der Tat nichts mehr zu sagen hatte.

Seine Bezüge vom Reich beschränkten sich auf etwa 8.000 Taler im Jahre, sein Machtbereich aber erstreckte sich nicht weiter als auf das Erteilen von Adelsbriefen, die Verleihung von Titeln und das Ausstellen von Privilegien und Rechten, die für die damit Begabten von recht platonischem Wert waren, da der Kaiser, der sie erteilte, gar nicht imstande war, die Besitzer in ihren Vorrechten zu schützen. Alle wirklichen Rechte eines Monarchen, also etwa das Kriegführen, der Abschluss von Bündnissen, das Erheben von Zöllen und Auflagen konnte er nur nach vorheriger Verabredung mit den Fürsten und Ständen vornehmen, was bei der Vielköpfigkeit derselben ein rasches und zielbewusstes Handeln von vornherein unmöglich machte. Zum Ersatz für die Ausübung realer Herrschermacht standen dem Kaiser in der höfischen Etikette die höchsten Ehrenbezeigungen zu, Ehren, die schon seine Krönung mit dem Prunk eines halb mystischen Zeremoniells umgaben.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Deutschland im 18. Jahrhundert. Band 1