Die Reichstädte

Nun gab es neben den Fürstentümern auch Republiken im deutschen Reich. außer 51 Reichsstädten sogar freie Reichsdörfer, zu denen Aschhausen in Schwaben, Gochsheim und Sennfeld bei Schweinfurt, Sulzbach und Soden bei Frankfurt a. M., Holzhausen bei Marburg gehörten, aber es war um sie und ihren Zustand keineswegs besser bestellt. Sie waren die klassischen Stätten der Korruption und einer Vetternwirtschaft, die sprichwörtlich geworden war.

Die reichsstädtischen Verfassungen datierten noch aus dem 16. Jahrhundert, sie waren versteinert und leblos geworden, die Magistrate hielten aber um so zäher an ihnen fest, als sich die Ratsherren durchaus als Potentaten ansahen und keineswegs als beauftragte Organe der Bürgerschaft. Das Patriziertum, das in den Reichsstädten herrschte, in Nürnberg z. B., befand sich der Rat in der Hand zwanzig adliger Geschlechter, gebot innerhalb seiner Mauern ebenso unumschränkt wie der absolute Fürst. Die Vereinigung kommunaler und landesherrlicher Gewalt in den Magistraten beförderte den Eigennutz der am Ruder Befindlichen und führte auch hier zu einer unbekümmerten Ausbeutung der Untertanen. Nürnberger Patriziersöhne reisten und studierten auf Kosten der Stadt.


Da die einst so reichen und blühenden Städte seit dem 16. Jahrhundert dauernd herabkamen und ihre Bedeutung an die fürstlichen Residenzen verloren, so führte die finanzielle Misswirtschaft sie in die bedrängteste Lage und brachte sie am Ende des Jahrhunderts der Katastrophe ihrer Selbständigkeit nahe. „Es kann kein Jahrhundert mehr anstehen,“ schrieb Schubart in seiner Selbstbiographie. „so müssen sich die Reichsstädte, um nicht ganz zugrunde zu gehen, dem Kaiser oder sonst einem mächtigen Fürsten von selbst unterwerfen.“

Und er, der die Misere des reichsstädtischen Wesens am eigenen Leibe so empfindlich spüren sollte, wusste vielleicht gar nicht einmal, wie recht er hatte, und das Nürnberg drauf und dran war, sich Preußen anzugliedern, hätten nicht Intrigen von Ministern, die Hardenberg den großen Erfolg nicht gönnten, es im letzten Augenblick noch verhindert. Manche der kleinen schwäbischen Orte wie Esslingen und Reutlingen hatten sich wohl oder übel in ein sogenanntes Schutzverhältnis zu Württemberg begeben müssen, da sie in der Tat von ihrem größeren Nachbar völlig abhängig waren. So fehlte es auch ihnen nicht an Stoff zu ewigen Klagen und Reibungen. Die Reutlinger z. B., die alle Jahr in Stuttgart ein Schirmgeld abliefern mussten, fanden dauernd Veranlassung zu Beschwerden über das demütigende Zeremoniell, dem man ihre Abgesandten unterwarf, dass man ihnen nur einen bürgerlichen Geheimrat zum Empfang abordne und keinen adligen und was dergleichen Schmerzen mehr waren.

Es stand in den Reichsrepubliken ebenso schlimm wie in den Reichsfürstentümern. Weckherlin, der sie in seinen Zeitschriften so bös durch die Hechel zog, spottete der ,,nasenlangen Nördlinger Welt“ und der „Schurzfleckmajestäten“ in den schwäbischen Reichsstädten. Welche Magistrate, wenn in der freien Reichsstadt Buchhorn 1752 bestimmt wurde, keiner solle in den Rat gewählt werden dürfen, außer er könne lesen und schreiben! Der Zuschnitt der Republiken war mit denselben Fehlern behaftet wie der der Monarchien, wozu der Umstand nicht wenig beitrug, dass auch ihre Gerechtsame sich mit denen anderer unmittelbarer Gemeinwesen auf das wunderlichste kreuzte und verflocht.

Die freie Reichsstadt Goslar beherbergte innerhalb ihrer Mauern zwei unmittelbare evangelische Reichsstifte, während die freie Reichsstadt Regensburg fünf Reichsstände einschloss, die ebenfalls Reichsunmittelbarkeit besaßen. Nur zwei Reichsstädte hatten ihre Verfassungen fortgebildet und sich mit gewissen Zugeständnissen der Zeit anbequemt, Frankfurt a. M. und Hamburg. Beide waren die einzigen, denen der Handel treu geblieben war, während er sich von Augsburg, Nürnberg, Ulm völlig zurückgezogen hatte, deshalb konnte die Stagnation, in der die anderen verrotteten, bei ihnen nicht eintreten.

Kaiser Josef II. Kupferstich von D. Berger nach der Zeichnung von Reclam. 1769

Kaiser Josef II. Kupferstich von Nilson

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Deutschland im 18. Jahrhundert. Band 1
009 Kaiser Josef II. Kupferstich von D. Berger nach der Zeichnung von Reclam. 1769

009 Kaiser Josef II. Kupferstich von D. Berger nach der Zeichnung von Reclam. 1769

010 Kaiser Josef II. Kupferstich von Nilson

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