Die Französische Revolution 1789

Georg Forster hatte schon im Anfang der achtziger Jahre geschrieben: „Europa steht auf dem Punkt, eine schreckliche Revolution zu erleben,“ und deutsche Politiker wie Schlözer hatten sie in Frankreich kommen sehen. Als sie dann im Sommer 1789 zum Ausbruch kam, da war es nur zu natürlich, dass viele der besten Deutschen sie mit Begeisterung begrüßten. Klopstock feierte in einer Ode den aufdämmernden Reichstag Galliens und stellte die gallische Bürgerkrone hoch über den Lorbeer Friedrichs.

Schubart erblickte in ihr das Signal der Weltbefreiung, Kant war die französische Revolution die tatsächliche Bürgschaft dafür, dass die Menschheit in einem beständigen Fortschritt zum Besseren begriffen sei, und die Jugend dachte noch enthusiastischer. Graf Fritz Stollberg sah in dem Bastillensturme die herrliche Morgenröte der Freiheit, Fichte begrüßt den Anbruch einer neuen Zeit, und Hegel glaubt dem Sonnenaufgang einer herrlichen Epoche beizuwohnen. Zu dieser Begeisterung trug die Erwägung sehr wesentlich bei, dass man in Deutschland ebenfalls unter der Herrschaft der Aristokraten und Pfaffen seufzte und hoffte, das französische Beispiel könne und müsse auch bei den Nachbarn wirken.


Das Urteil, selbst der Besonnensten, wurde aber durch die glänzende Schönrednerei bestochen, mit der all die erstaunlichen Ereignisse, die sich in ihrer Wichtigkeit förmlich überstürzten, begleitet wurden. Man muss sich heute, wo wir seit Jahrzehnten an den Phrasen Schwall gewöhnt sind und ihn nach seinem ganzen Unwert zu würdigen wissen, erinnern, dass parlamentarische Beredsamkeit in jenen Tagen etwas außerordentlich Seltenes war und nur gelegentlich von jenseits des Kanals nach Deutschland hinüberklang.

Die oratorischen Prachtleistungen Mirabeaus und anderer nahmen die gebildeten deutschen Leser förmlich gefangen, und köstliche Schlagworte wie die berühmten: „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit,“ „Krieg den Palästen, Friede den Hütten,“ blendeten die Harmlosen, die damals noch naiv genug waren, an den Ernst und die Wahrheit derselben zu glauben. Heute weiß jeder bessere Schüler, dass ein Schlagwort eben ein Schlagwort ist, an das nur die Halb- und Viertelsgebildeten glauben, das den Redner aber zu nichts verpflichtet, die Deutschen vom Ende des 18. Jahrhunderts mussten das erst noch lernen. „Man begreift kaum,“ schreibt Justus Grüner, nachdem er 1801 die von den Franzosen besetzten Rheinlande besucht hat, „wie die herrlichsten Grundsätze so entstellt werden, wie ein rechtliches System eine solche höchst widerrechtliche Regierung erzeugen konnte, unter der weder öffentliches noch Privateigentum geschützt wird.“ (Das ist 1802 geschrieben, nicht 1920!) Schnell genug allerdings ist es geschehen, und niemand wurde rascher ernüchtert als der arme törichte Georg Forster, der sich mit Leib und Seele der Revolution in die Arme geworfen hatte. Er ging dann nach Paris, wo er zu seinem bitteren Schmerz, nach seinen eigenen Worten, Eigennutz fand; wo er Größe erwartete, auf Worte traf statt auf Gefühl, und hohle Prahlerei statt der Taten. In Verzweiflung ist er bereits am 12. Januar 1794 in Paris gestorben, das Geschick ersparte ihm wenigstens, mit ansehen zu müssen, wie seine französischen Freunde am Rhein hausten.

Nachdem das Zwischenspiel in Mainz, das vom Oktober 1792 bis Juli 1793 von den Franzosen besetzt gewesen war, ein Ende genommen hatte, nahmen die französischen Heere 1794 Aachen, Köln, Bonn, Trier und Koblenz und brachten damit die Gebiete links des Rheins in ihre Hand, die sie in den nächsten beiden Jahrzehnten nicht wieder aufgaben. Die einziehenden Franzosen, erzählt Sulpiz Boisserée erregten durch ihr sanskulottisches Aussehen Bestürzung, sie waren in Lumpen gehüllt, mit Holzschuhen an den Füßen und mit Stofftapeten und Teppichen bekleidet, statt der Mäntel, auf ihren Bajonetten trugen sie Stücke rohes Fleisch, Brotlaibe und Kohlköpfe. Wohin sie kamen, gründeten sie Klubs, in denen Bediente, Kutscher, Packträger und Umhertreiber aller Art wilde Reden hielten und soziale und politische Vorschläge machten, von denen einer verrückter und hirnverbrannter war als der andere. Damit wurden die Deutschen beschäftigt und hingehalten, denn nun begann das systematische Plündern und Ausrauben der einheimischen Bevölkerung. Krieg den Palästen, jawohl, sie wurden mit Gewalt ausgeleert; Friede den Hütten, jawohl sie durften gutwillig das letzte hergeben. Es blieben in den von den französischen Menschenfreunden „befreiten“ Ländern nicht nur alle Steuern, Abgaben, Zehnten usw. bestehen, sondern zu ihnen kamen ungeheure Lasten von Requisitionen, Einquartierung und sonstigen Forderungen, die kein Ende nahmen. Die Diktatur der Jakobiner musste den Krieg über die französischen Grenzen hinaustragen, da sie das wirtschaftliche Gedeihen Frankreichs völlig zerstört hatte und nur von der Beute lebte, die sie vom Ausland hereinschleppte.

Sie verstanden allerdings ihre Leute zu behandeln und haben die phrasenlüsternen Deutschen mit der Ware bedient, die sie liebten. Am 10. Dezember 1794 verkündete eine Bekanntmachung den Zwangskurs des französischen Papiergeldes, der Assignaten, mit folgenden hochtrabenden Redensarten: ,,Die Assignaten sind die Münze der Republik. Ihr Unterpfand ist die Rechtlichkeit des Franzosenvolkes, und dieses Unterpfand gibt ihm einen unendlichen Vorzug vor den verächtlichen Metallen, die dem sträflichen Wucher der Habsucht unterliegen.“ In Paris galten um eben diese Zeit 100 Fr. Papier gerade noch 7 Fr. in Silber, die Deutschen der Rheinlande aber wurden gezwungen, sie zum vollen Nennwert anzunehmen; die Kapitalien öffentlicher Stiftungen, die Gelder staatlicher Kassen mussten ihre Bestände in Assignaten umwechseln. Kein Franzose hat die Rheinlande arm verlassen, die Herren, die als Sanskulotten kamen, zogen auf Kosten der von ihnen „Befreiten“ wohlequipiert und ausgerüstet wieder ab. Die französische Republik, die für 4.700 Millionen Fr. Papiergeld ausgegeben hatte, verstand es glänzend, diese fiktiven Werte in „verächtliches Metall“ zu verwandeln.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Deutschland im 18. Jahrhundert. Band 1
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