Von einer seligen Schwester, die elend war

Wir hatten auch eine selige Schwester, die war gar elend, also dass die kaum Trost von irgend jemand hatte, weder inwendig noch auswendig. Und diese Schwester war einmal krank; da es einst am heiligen Weihnachtstag war, bat sie die Siechenmeisterin, dass die ihr zur Christmesse gehen hülfe. Diese vergaß dessen und so begehrte die Schwester gar inniglich, dass die mit dem Konvent im Chor wäre, und diese Begierde kehrte sie zu unserm Herrn. Und da sie in solcher Sehnsucht lag, sah sie eine Wolke über sich und darin ein minnigliches Kindlein, als ob es eben geboren wäre; das wendete sich gar lieblich um und um, bot ihr die Händlein und Füßlein und ließ sein zartes Leiblein wohl durchschauen und sprach zu ihr: „Da, nun schau mich und genieße mein nach all deinem Begehren.“ Und hiedurch ward sie gar innig getröstet.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Deutsches Nonnenleben