Von der seligen Schwester Willi von Konstanz

Wir hatten auch eine selige Schwester, die hieß Willi von Konstanz und kam in dies Kloster, als sie drei Jahre alt war. Dieser selige Mensch hatte viel Tugend und heiligen Eifer. Aber besonders dadurch zeigte sie, wie Gott so süß in ihrem Herzen wohnte, dass sie so gern und begierlich von ihm redete und auch reden hörte; und was sie dann so gehört, das behielt sie, bis sie uns daraus ein schönes Buch machte. Sie war auch gar elend, so dass sie kaum Trostes von jemand empfing. Ihr Wandel war so sanft wie heilig. Und als sie zu Alter kam und wegen Krankheit im Siechenhaus lag, so bedrängte es sie so während des Essens, dass sie ins Refektorium eilte und sich neben die Vorleserin stellte und begierlich dem Gotteswort lauschte. Und als ihr vor Alter der Verstand abnahm, da hatte sie doch Gott so in sich gezogen, dass sie sein nicht vergaß, ob sie auch andre Dinge nicht mehr verstand; wenn man von Gott redete, so merkte sie das und machte sich herzu und horchte begierig. Und wenn man sie etwas über ihn fragte, so antwortete sie gar lieblich. Und als sie kaum mehr etwas redete, wenn man den Namen Jesus sprach, neigte sie sich andächtiglich. Sie litt auch gar großes, schmähliches Siechtum ganz geduldig; und kurz vor ihrem Tod, in der Nacht, sprach sie zu einer Schwester: „Hier geht ein so liebes Kindlein.“ Und die Schwester erwachte und sah über ihrem Bett ein Licht scheinen, wie einen schönen Stern. Sie konnte ber das Kindlein nicht sehen. Und danach sprach eine Schwester zu ihr: „Schwester Willi, war unser Herr wohl fein, wie er bei dir war?“ Da wollte sie ihr nichts sagen, als dass sie gar minniglich sprach: „Er war lieblich, wohin er auch je kam.“ Und hierauf schied sie seliglich von dieser Welt.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Deutsches Nonnenleben