Von der seligen Schwester Offmya von Münchwil

Wir hatten auch eine heilige, selige Schwester, die hieß Schwester Offmya von Münchwil und war eine der ersten Schwestern in diesem Konvent und war durch ihr tugendhaftes, heiliges Leben den Schwestern so lieb und so wert, dass man sie hoch in Ehren hielt: Und in ihr wirkte der Herr ausnehmend mit seiner besonderen Gnade, wie sich auch ihres Herzens Begierde gänzlich zu ihm gekehrt hatte. Denn ihr seliges Leben zeigte vollkommen, wie die göttliche Minne ihr Herz erfüllt hatte, dass sie äußeren Trost ganz und gar verschmähte.

Wie süß Gott in ihr wirkte, das können wir nicht wissen, bis auf ganz wenig. Sie übte sich gar innig in rechter Andacht und dadurch ward ihr Herz so voll göttlichen Trostes und Milde, dass ihr die Wege süß und leicht wurden, die andern gemeiniglich hart sind. Sonderlich diese Gnade hatte sie: so sie zur Beichte ging und sie gedachte, dass der Beichtvater an Gottes Stelle da saß, ward ihr so minniglich zumut, dass sie oft nicht gleich beichten konnte. Sie kniete vor dem Altar und man sagte ihr, dass ihre Mutter gekommen wäre (und weil sie fern von ihr wohnte, kam die selten zu ihr), doch tat die nichts dergleichen, weil die gerade in ihrem Gebet war. Und da wurden ihre äußeren Kräfte so ganz einwärts gezogen und ihr Geist wurde so kräftig, dass sie in der Luft schwebte.


Sie war auch gar krank vor ihrem Tod und hatte sonderlich die Krankheit, dass sie die Speise nicht bei sich behalten konnte; und darum getraute man sich nicht, ihr unsern Herrn zu geben und sie hatte doch so herzlichen Jammer nach ihm. Und eines Tages, an einem großen Fest, wollte sie die Schwester, die ihrer pflag, nicht bei sich lassen. Und da die Zeit der Messe war, gewann sie abermals so große Begierde nach unserm Herrn. Und wie sie so lag und ihre Begierde mit ganzem Ernst darauf gerichtet hatte, sah sie ein Licht, und in dem Licht ließ sich ein schönes Tischtuch vor sie auf ihr Bett nieder. Da gedachte sie: „Ach Herr, was meint dies?“ und blickte wieder auf; und sah ein noch schöneres Licht und in dem Licht ließ sich eine schöne Schüssel auf das Tischtuch nieder. Nun gedachte sie mit andächtigem Herzen: „Unser Herr will sich recht über dich erbarmen“, und ihr Verlangen nach Gott ward noch größer. Und wie sie in solchem Jammer war, da kam ein so wonnigliches Lieht, dass sie dünkte, die ganze Stube würde erleuchtet, und in dem Licht ließ sich unseres Herrn Fronleichnam auf die Schüssel nieder. Da ward sie gar unermesslich froh und doch war sie in Sorgen, weil sie nicht wußte, wie er ihr werden sollte. Und da kam zum viertenmal das allerschönste Licht, das sie je gesehen, und darin kam eine rechte Hand und gab ihr unsern Herrn, ganz, als wenn sie ihn am Altar empfangen hätte; und da ward sie so voll Gnaden und Trostes, dass ihre Pflegerin, als sie kam, wohl sah, dass ihr irgendeine Gnade geschehen war; und sie wollte ihr's nun und nimmer erlassen, sie musste ihr sagen, was ihr geschehen war. Und weil sie ihr getreu war, so sagte sie es ihr, doch so, dass sie es niemand sagen sollte, dieweil sie lebte. Nun ist dies aus.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Deutsches Nonnenleben