Von der seligen Schwester Mechtild von Stans

Ecce relinquimus omnia et secuti summus te etc. Unser Herr spricht: „Wer alle Dinge läßt, der soll sie hundertfältig wiedernehmen und dazu das ewige Leben.“ Und dies hat sich besonders bewahrheitet an der großen, seligen Schwester Mechtild von Stans, die in allem ihren Gebaren so völlig erwies, dass ihre Seele allen Trost dieser Welt verschmäht hatte; und darum begegnete ihr auch das alleinige Gut, das Gott selber ist, in so reicher Weise, dass in ihr aufwallte ein Brunnen des ewigen Lebens. Da dieser auserwählte Mensch zuerst in dies Kloster kam, da hatte sie niemand besondern, der ihr tröstlich oder behilflich war. Und weil die so ein fröhliches Herz hatte, tat ihr das gar weh, und doch kehrte sie sich an den Herrn alles Trostes und begehrte, dass er die tröste; und das tat er auch vollkommen, wie hier, ihrem heiligen Wandel gemäß, geschrieben steht.

Wie heilig und ordentlich die in allen Dingen lebte, von da an, wo die in dies Kloster kam bis an ihr Ende, davon wäre gut und lustlich zu hören. Aber es ist unmöglich zu schreiben; denn wiewohl man ein kleines von ihren heiligen auswendigen Übungen wissen mag, so kann doch niemand wissen und sagen, wie inbrünstig ihr Herz und ihre Begierde allzeit in Gott gekehrt war. Alles, was sie aus Gehorsam tun sollte, darin hatte die so große Andacht, dass kein Ding sie darin zu beirren vermochte. Sie war auch so emsig im Chor, dass man nicht bemerken konnte, dass die je eine Gebetszeit versäumte, sie lag denn krank zu Bett. Wenn man zur Arbeit läutete, so ging die alsbald aus dem Chor in das Werkhaus, und sobald man läutete, ging sie behende wieder in den Chor. Im Refektorium war sie eifrig; und wenn die manchmal zu große Gnadenfülle hatte, so ging die ein- oder zweimal in die Krankenstube; und kaum dass die gegessen hatte, ging die wieder in ihre Einsamkeit. Was man die in Gehorsam tun hieß, das vollbrachte sie schnell; denn sie hatte ihren Willen allzumal in willigen Gehorsam geneigt. Sie war viele Jahre Gesellin am Redefenster, doch sobald die wieder in den Kreuzgang kam, hatte sie schon vergessen, was die dort gesehen und gehört hatte und kehrte schnell wieder zu ihrer früheren Andacht. Sie war auch sehr milden Herzens; wenn sie einen betrübten Menschen sah, so war sie mit ihm betrübt; mit dem Getrosten war die froh. Alle ihre Zeit verbrachte die so ganz mit Gott, dass man die selten bei jemand sah, wie doch sonst auch gute Menschen etwa tun zu ihrem eigenen Behelf. Und ob sie auch von Natur fröhlich war, so hat, sie sich selber doch so sehr überwunden, dass sie keiner Freude dieser Welt begehrte. Am Feiertag war sie stets in dem Chor, es sei denn, dass die aus Gehorsam anderswo war. Sie tat recht wie ein Kind, das seiner Mutter vor lauter Liebkofen nimmer gern vom Schoß kommt.


Wenn sie nicht krank zu Bett lag, hatte sie eine stete Gewohnheit bis zu ihrem Tod: dass sie allzeit vor der Mette und vor der Prim aufstand, und es weckte sie ihr Engel immer zu dieser Zeit Und wenn sie etwann so krank war, dass sie von Herzen gern geruht hatte, so machte er ihr solche Not, dass er sie durch Stöße dazu brachte, dass sie aufstehen musste; und sie gewann nun so große Gnade, dass ihr Herz recht inbrünstig wurde. Sie machte alle Tage zweihundert Kniefälle und dazu dreißig starke auf bloßen Knien. Schon viele Jahre war sie zu der Zeit, da der Engel sie weckte, in den Chor gegangen; da begann sie der Teufel so oft und in so mancher Weise zu erschrecken, dass sie dann vor ihrem Bette blieb. Zuweilen trommelte und pfiff er; zuweilen tat er, als wolle er das Gewölbe niederwerfen und stürzen. Sie kam auch oft und viel an allen Festtagen, besonders nach der Komplet in so große Andacht, dass sie laut zu weinen begann.

Einsamkeit und Schweigsamkeit liebte sie von Herzen. An Tagen, wo sie unsern Herrn empfing, und alle Freitage im Advent und in den Fasten schwieg sie emsiglich. Und wenn sie Gesellin war, so blieb sie es vorher so lange, dass sie dann dessen ledig war und zu ihrer Zeit ganz schweigen konnte. Sie verehrte auch unseres Herrn Marter emsiglich und mit heißem Ernst; und sein Leiden hatte ihr Herz und Kräfte also durchdrungen: wenn man zu Tisch von unseres Herrn Leiden las, so wurde ihr Herz so bewegt, dass sie gar nichts essen konnte, und sie kam in ein inniges Weinen und verlor vor überströmender Andacht das Bewusstsein, so dass man sie später, wenn der Konvent wegging, von dannen führen musste. Und so geschah es ihr oft vor unermesslichem, inbrünstigem Schmerz, den sie über unseres Herrn Marter trug, dass sie aller ihrer Kräfte unvermögend wurde. Und sonderlich in der Leidenswoche, da getraute sie sich selten je zu den Schwestern zu kommen; denn es geschah ihr beinahe alle Tage, auch am Karfreitag, wenn sie zum Kreuze ging und wenn sie unsern Herrn empfing, und gar oft nach Komplet, dass man sie mit aller Kraft aus dem Chor führen musste, als wäre sie gefallen. Sie vergoss auch aus überfließenden Gnaden so viel Tranen, dass sie ein Tuch so ganz durchtränkten, dass man wohl kaum eines Fingers Breite trocken gefunden hätte, wenn man es ausgewunden hätte. Wenn sie unsern Herrn empfing, so hatte sie so viel Gnade und Süßigkeit, dass sie ganz zusammenbrach; der Schwester, die auf sie acht hatte, gab sie ein Zeichen, damit sie ihr heimlich helfen solle; und dann blieb sie bis zur Non und aß nur ganz klein wenig und sah tagsüber nimmer gern einen Menschen bei sich und war ihr alle Süßigkeit dieser Welt so bitter wie Wermut. Sie war besonders einmal zu Ostern so von Gnaden durchgossen, dass sie von Mittwoch bis zu dem heiligen Ostertag zu Nacht nicht aß noch trank.

Hier schließen ihre heiligen Übungen und fangen an die außerordentlichen Gnaden und Wunder, die der Herr der Natur übernatürlich an ihr wirkte.

Sobald dieser reine, auserwählte Mensch hier herein gekommen war und alle Welt um Gott gelassen hatte, wie zuvor geschrieben steht, da opferte sie das alles unserem Herrn edel auf und sprach aus eigenem Herzen: „O Herr, mein Gott, nun hab' ich um deine Liebe diese ganze Welt gelassen und alles, was mir zu Lieb und Trost werden möchte; nun bitt' ich dich durch dein göttliches Erbarmen und durch deine unsägliche Güte, dass du mein Trost sein wollest; denn du weißt wohl, dass ich sonst keinen Trost auf Erden hab'.“

Und also bat sie unsern Herrn mit ganzem Ernst und mit eifriger Begierde und mit unaussprechlichen, zahllosen Tränen um seine Gnade.

Und kurz darauf, eines Nachts, nach der Mette, als sie zu ihrem Bett trat, da kam ein gar edler, anmutiger Herr und mit ihm eine große Schar von Herren; und der Herren einer trug ein großes Kreuz, das war so lauter wie ein Kristall, und der sprach gar gütlich zu ihr:

„Schwester Mezzi, du sollst dich nicht fürchten, dir kann kein Leid geschehen. Geh mir nach, kühnlich, ohn' alle Furcht!“

Da ging dieser Herr mit dem herrlichen Kreuz voran in den Chor und ihm nach gingen die Herren alle gar schön und sangen voll Andacht den Gesang, den man am Karfreitag singt; und sie ging ihnen nach in den Chor.

Und da ging der eine Herr hinauf zum Altar und hob das Kreuz sehr hoch empor, und die andern sangen gar wonniglich und knieten bei jeglichem Vers nieder und neigten sich, wie man am Karfreitag tut. Und wie ihr Herz darob in großem Wundern war, sah sie auf und sah, dass sich unser Herr vom Himmel herabließ an das Kreuz, das der Herr trug, ganz wie in der Marter, mit allen seinen Wundmalen; und sie stand fern von unserm Herrn. Und unser Herr sah sie an mit minniglichem Angesicht und sprach gar gütlich zu ihr:

„Schwester, glaubst du, dass ich wahrer Gott und Mensch bin?“

Da sprach sie: „Gnad' Herr, ich glaub' es wohl.“ Da sprach unser Herr: ,,So komm herzu!“ Denn der Herren waren so viele, dass sie nicht vermocht hatte hinzukommen; doch als unser Herr sie herzugehen hieß, wichen sie alle, bis sie vor unsern Herrn kam.

Und da sah unser Herr gar ernst aus und sprach zu ihr: „Schwester Mezzi, begehrst du keinen Trost als meinen?“ Da sprach sie: „Gnade, Herr, nein!“ Da sprach unser Herr gar süße: „Weil, du nun keinen Trost begehrst, denn meinen, und allen andern Trost willst fahren lassen, so will ich dich selber trösten und will dich trösten mit meinem heiligen Leib und mit meinem heiligen Blut und mit meiner heiligen Seele und mit meiner heiligen Gottheit und will dir allen den Trost geben, den ich meinen lieben jungem am Hohen Donnerstag gab und sollst wissen, dass ich deiner Seele und deines Leibes selber pflegen will. Niemandem traue ich eine solche Liebe zu, wie du sie hast, als mir allein, und du sollst es wissen, dass dir mein Trost nimmer gebrechen soll; denn was dich auch Widerwärtiges ankommt, kehre nur in dein Herz: da findest du mich mit allem Trost und mit allen Freuden. Meine Vielliebe und meine Vielselige, du sollst wissen, dass das Himmelreich dein Eigen ist, wenn du von dieser Welt scheidest. Ich gebe dir meinen ewigen Segen.“

Und den empfing sie fröhlich und dankbar und dann fuhr unser Herr von ihr auf in den Himmel und führte ihr Herz und ihren Sinn mit sich, so dass ihr von da an göttliche Gnade und himmlisches Sehnen selten je gebrach; denn ihr Herz brannte so ganz von der Gegenwärtigkeit unseres Herrn, dass sie sich nicht damit begnügen konnte, dass er ihr Seele und Gemüt mit seiner göttlichen Süße durchgossen hatte, sondern sie begehrte auch vom Grunde ihres Herzens, er möge ihr etliche seiner fünf Liebesmale leiblich zu empfinden geben, damit sie den Schmerz um seiner Liebe willen ertrüge und ihm dadurch für sein Leiden ein wenig danke.

Und einst am Sankt Katharinentag, als sie vor der Mette bei ihrem Gebet war, da wurde sie verzückt und in einem Schiff über ein gar schönes Wasser geführt und kam auf ein sehr weites, schönes Feld, das war voll der aller schönsten, wonniglichsten Blumen; und hier sah sie gar viele anmutige, wonnigliche Leute, die hatten alle weiße Kleider an und waren so fröhlich anzusehen, dass sie großen Trost empfing. Und als sie hin zu ihnen kam, wichen sie ihr gar ehrerbietig aus und machten ihr einen Weg, so dass sie zwischen ihnen dahinging; und als sie so mitten hindurchging, hörte sie eine süße Stimme vom Himmel, die sprach gar zärtlich zu ihr: „Schwester Mechtild, du sollst wissen, dass Gott deine Begierde erhören will, und was du begehrt hast, dass er dir gebe: seiner Male etliche zu tragen, das will er dir nun gewähren. Und du sollst sein Zeichen aufs Herz empfangen und sollst das tragen um seine Liebe, so lange du lebst.“ Und alsbald empfand sie der Wunde Schmerz in ihrem Herzen, da hob sie den Mantel auf und schaute: da sah sie und empfand, dass ihr Herz durchwundet war, und sah, dass die Wunde wohl dermaßen weit war, als eines Mannes Finger groß ist, und sah, dass sie so tief war, dass ihre Tiefe bis an den Rücken ging und zwei Ströme, einer von Wasser und einer von Blut, daraus flossen. Und da gedachte die: „Ach, wie sollst du das je heimlich tragen?“ und bat unsern Herrn gar inniglich, er möge ihr die Wunde auswendig abnehmen, ihr aber den Schmerz im Herzen lassen; den wollte die gern tragen. Und sobald sie das begehrte, kniete ein Engel vor ihr und hatte ein himmelfarbenes Flöcklein Wergs in seiner Hand und legte es ihr gar zart in die Wunde und sogleich war die Wunde außen ganz heil. Doch der scharfe Schmerz blieb ihr bis an den Tod; es war aber ihr Schmerz und ihre Pein zu einer Zeit viel größer, denn zu der andern.

Aber alsbald, da sie wieder zu sich kam und ihr Schmerz so groß war, da lugte sie abermals zu ihrem Herzen und sah, dass die Wunde außen heil war, sah aber noch die Runsen des Wassers und des Blutes, wie es von ihrem Herzen geflossen war. Und als man zur Mette läutete und sie auch mitlesen wollte, war ihr Schmerz so unermesslich und unerträglich, dass es über alle ihre Kraft ging. Und da sie sich nicht mehr enthalten konnte, da stürzte sie durch des Schmerzes Übermacht zusammen und schrie so laut, dass der Schwestern viele zu ihr kamen. Doch sie wollte ihnen nichts sagen und sprach nur: „Mir ist so arg weh!“ Und da führten die Schwestern sie zu ihrem Bett; denn sie war seliglich und heiliglich minnewund: Christus hatte ihr Herz inbrünstig entzündet mit seinem göttlichen Herzen. Daraus mag man offen erkennen, wie sie wohl sprechen durfte, was man vom hohen Lehrer Sankt Augustinus liest: Vulneraverat caritas Christi cor meum:

Die Minne Christi hat mein Herz verwundt,

und ich werd nimmermehr gesund,

eh ich getrink von dem göttlichen Grund,

da die lebenden Brunnen fließen

und sich alle minnenden Herzen ergießen,

die sich ihm allein geben:

denen gibt er hier Freud und dort ewig Leben.

Und ob ihr unser Herr auch dazumal nicht mehr gab als dies eine Zeichen am Herzen, so konnte es doch durch seine Gnade und durch die Überkraft des brennenden Schmerzes, den ihr Herz trug, geschehen, dass er hinauswallte und ausschlug in Hände und Fuße, wodurch denen auch kräftig des Schmerzes und der Minne Zeichen gegeben wurden; denn das sagte man öffentlich, dass sie die fünf Minnezeichen hätte und danach waren wohl auch ihre Gebärden anzusehen. Ihr Gang war so jämmerlich, als ob sie bei jedem Tritt besondere Qual empfände. Sie konnte auch mit den Händen kein kräftig Werk tun, selbst kleine Dinge nicht; sie konnte nicht eine Schüssel tragen und die Hände nicht so biegen, dass sich die Finger an die innere Handfläche legten. Auch sagte eine Schwester: als sie einstmals die Hand gegen die Sonne emporhob, dass sie durch ihre Hand hindurch gesehen habe. Sie erzählte selber von großen Schmerzen in Händen und Füßen. Aber dass ihr diese Zeichen wie das am Herzen gegeben worden waren, davon sprach sie nicht. Auch ist es nicht allein glaublich, dass ihr Herz, Hände und Füße verwundet waren, es ist sogar glaublich, dass alle ihre Glieder und ihre Kraft ganz durchdrungen und versehrt waren, wodurch sie empfindlich inne ward, wie scharf ihr Schöpfer und ihr alleiniges Lieb um ihretwillen verwundet worden war. Dass ihr aber dabei nur der durchschneidende Schmerz, den ihr Herz trug, gegeben wurde, das soll niemand wähnen; denn der mit seinem göttlichen Herzen ihr Herz leiblich verwundete, der verwundete auch ihr Gemüt geistlich mit der brennenden Hitze seiner göttlichen Minne; und je größer der leibliche Schmerz ihres Herzens war, desto stärker und inbrünstiger war auch geistlich die Minnebewegung ihres Gemütes; und also hatte sie ein stetes Einfließen in den Ursprung, von dannen die geflossen war.

An dem ersten Fasttag danach wurde die so krank, dass man die in das Siechenhaus bettete, und in derselben Fastenzeit zeigte ihr unser Herr alle die Martern einzeln, die er gelitten, von da an, wo er gefangen ward und wie er gefangen ward, bis dass er vom Kreuz abgenommen ward; und sie sah, wie er so in seiner Marter stand, dass sein ganzer Leib und sein Antlitz so schwarz war, dass er kaum einem Menschen glich. Und hievon kam ihr Herz in so gar übergroße Pein, dass es über alle ihre Kräfte war und die es nicht hatte erleiden können, wenn nicht unser Herr sie getröstet und sie je unterweilen mit einem so lieblichen und gütlichen Gesicht angesehen hatte, dass ihr Herz gestärkt wurde. Und als er ihr zeigte, wie er vom Kreuz genommen und unserer Frau in den Schoß gelegt wurde, da war sein Leib und sein Antlitz so jammervoll, dass sie sprach, man könnte das niemand völlig sagen. Sie sah auch, wie unserer Frauen Schmerz so groß und überschwänglich war; und das konnte ihre menschliche Kraft nicht mehr erleiden; und von der Übermacht des Mitleides, das die mit unserer Frau und auch mit unserm Herrn hatte, schwanden ihr die Sinne. Und als es unser Herr wollte, kam die Siechenmeisterin und brachte sie wieder zu sich. Und hiernach begehrte die gar minniglich von unserm Herrn, dass er ihr auch etwas von den Schmerzen zu empfinden gebe, die unsere Frau um seine Marter trug. Und das gab ihr unser Herr ganz zu empfinden; und von dem überschwänglich großen Schmerz ward sie so krank, dass man wähnte, sie werde sterben; und sie ward geölet und konnte weder essen noch trinken als nur so wenig, dass es über Menschenkraft ging. Sie wollte aber nichts trinken als Wasser und ein klein wenig Milch; und das, was sie genoss, könnte nicht bei ihr bleiben. Und unser Herr zog sie in so hohe, übernatürliche Gnade, dass sie dreizehn Wochen und ein Jahr lang, beinahe alle Tage von der Non bis zur Vesper, so ganz verzückt lag, dass man kaum Leben an ihr merken konnte. Und wenn sie in dieser Verzückung war, so war ihr Antlitz so schön und sie war so lieblich und lustlich anzusehen, dass man daran merkte, dass sie lebe. Und wenn sie wieder zu sich kam, so geschah das allerwege mit einem herzlichen Weinen; und darob war viel Verwunderung unter den Schwestern und auch unter gelehrten Leuten, ob ihr dies aus Krankheit oder aus Gnade begegnete. Und zu dieser Zeit kam ein weiter Arzt her. Dem ward ihr Gebrechen gesagt; und als er ihre Adern befühlte, sprach er, sie hatte keine Krankheit; sie hätte ein großes Sehnen nach einem unbegreiflichen Ding, und es wäre ihre ganze Natur so stark danach gedehnt, dass dadurch all ihr Blut zum Herzen gesogen wurde, damit es dem Herzen zu Hilfe käme; und er sprach: „Es ist so unmöglich, dass sie erreichen kann, wonach sie sich sehnt, als es mir unmöglich ist, zu begreifen, warum das Gras grün ist.“ Und sie sagte selbst, dass es so wäre.

Und zu dieser Zeit kam Bruder Wolfran, unser Provinzialprior, zu ihr und befahl ihr gar ernstlich, dass sie sich der Gnade erwehren solle. Und sie war ihm gehorsam und tat es, und da ward sie so krank und ward ihr so weh, dass man ganz an ihr verzweifelte und allezeit ihr Ende erwartete und ihr eines Auge recht wie tot war. Und danach, am Himmelfahrtstag kam sie wieder zu sich und es begann sich zu bessern, so dass sie hernach viele jähre lang zu Chor und Refektorium ging. Und später fragte sie die Priorin, wie ihr zu der Weile, da sie gelegen, gewesen wäre. Da sprach sie: „Ich war in so großen und hohen Freuden, die menschlicher Sinn nicht zu erdenken vermag. Und dass ich so weinte, wenn ich zu mir kam, geschah, weil ich von dort scheiden musste. Und hatte mich nicht jener geheißen, dass ich mich der Gnaden erwehren solle, Gott hätte Wunder an mir getan, davon kaum je zu sagen wäre.“ Und ob dies auch nicht geschah, so mag sich doch ein jegliches reine Herz wundern und bedenken, welch überfließendes Wunder ihre Seele schaute, als sie in das grundlose Gut so emsiglich und so gänzlich gezogen wurde; denn es ist glaublich und nicht bezweifelbar: sie war mehr und auch wirklicher im Himmel denn auf dem Erdreich. Wenn ein guter Mensch einmal mit seiner Vernunft in Gott gezogen wird, dem werden alle Dinge bitter und die ganze Welt zu eng. Wer mag da ausdenken, wie überreichlich ihre Seele von dem lebendigen Brunnen getränkt wurde, da sie dreizehn Wochen und ein Jahr wohl alle Tage in ein so hohes Schauen gezogen ward!

Es geschah ihr dies auch nicht allein damals, sondern gar oft zuvor und hernach, wenn sie beim Gebet und in ihrer Einsamkeit war; denn das bewahrheitete sich dadurch, dass man sie etwann ohne äußerliche Bewegung liegen fand. Und einstmals kam eine Schwester dazu, die ihre Andacht nicht erkannte, und schüttete ihr Wasser unter die Augen und wähnte, sie wäre ohnmächtig. Und als sie das lang getan hatte, kam sie zu sich selbst und sprach viel gütlich: „Ihr sollt mir das nimmermehr tun.“

Sie war auch einst in ihrem Stuhl und hörte einen gar schönen und süßen Gesang, und es waren die Worte: „Sanctus, Sanctus“ mit“ „Alleluia“; und da kam sie in ein Wundern und ging hinzu. Da sah sie, dass es lauter schöne, wohlgefällige Herren waren, die standen neben dem Altar, zu jedweder Seiten des Altars zwölf; und als sie ein wenig gesungen hatten, neigten sie sich gar andächtiglich gegeneinander, und wie sie hinausgehen wollten, ging ein jeglicher besonders, stellte sich vor sie und neigte sich ihr gar würdiglich; und den sah sie dann nicht mehr. Und also taten sie alle nacheinander.

Diese alterseligste Schwester Mechtild hatte ihres Bruders Tochter hier herinnen. Und als sie nach deren Tod gar ernstlich für sie bat, da dünkte ihr, dass sie auf eine schöne Heide geführt werde; darauf war ein Ring von schönen, wonniglichen Mägden. Und nun ward ein Stuhl in den Ring zwischen die Mägde gestellt und in den Stuhl ward sie gar würdiglich gesetzt. Und da trat Schwester Hemme, ihre Muhme, aus dem Ring vor sie hin und sprach fröhlich zu ihr: „Nun sieh mich an und schau, was für Freuden ich habe; und freu dich mit mir; denn diese Freude hab' ich durch dich!“ und sprach abermals: „Freu dich und freu dich! Wenn du wüsstest, was für Freuden und Ehren dir in der Ewigkeit bereit sind, du freutest dich immer mehr!“ Sie dünkte auch einstmals, als ob im Refektorium ein Tisch gerichtet wäre, der war voll himmlischer Mägde, und sie saß ob ihnen allen zu Tisch; und kam unsere Frau gar schön und Sankt Katharina mit ihr und brachten viel Himmelbrot und gaben den Mägden allen und auch ihr. Und als sie das Himmelbrot gegessen hatten, da kamen sie in so große Gnade und Süßigkeit; und blieb ihr die Süßigkeit wohl einen Monat.

Da nun die geminnte Zeit kam, wo unser Herr ihre ganze Treue lohnen wollte, da bat die Priorin sie, wenn ihr unser Herr eine Gnade täte, dass sie dies zu erkennen gebe. Und als man für sie an die Totentafel schlug und der Konvent zu ihr gekommen war, da bezeigte sie, daß unser Herr und unsere Frau da waren und Sankt Katharina, die elftausend Jungfrauen, die zehntausend Ritter, und sie sprach zweimal: „Omnes, omnes“ damit meinte sie: alles himmlische Heer.

Und mitten darunter machte sie die jammervollsten Gebärden, und es schüttelte sich ihr ganzer Leib und sie bekreuzte sich dann gar oft. Und alsbald wieder hob sie die Hände gegen den Himmel, als lobte sie Gott. Und danach kam sie wieder zu sich und sagte mit beschiedenen Worten alles, was sie vorhin gezeigt hatte und dass sie nichts dafür könne, dass unser Herr und unsere Frau und alles himmlische Heer bei ihr gewesen; der Teufel habe sich ihr auch gezeigt und dann hatte sie die jämmerlichen Gebärden gemacht. Sie sagte auch, dass unser Herr mit dem Konvent hereingegangen und mit dem Konvent zu ihr gekommen sei, und er gab ihr dadurch zu verstehen: wo der Konvent ist, dass er da auch sei. Und dann wurde sie gefragt, wie sie ihn gesehen hätte; da sprach sie, dass sie ihn in seiner Herrlichkeit gesehen hätte und dass sie darum nicht sagen könnte, wie köstlich und überwonniglich sein Anblick war.

Und danach lebte sie noch ziemlich viele Tage und verschied mit einem heiligen Ende und fuhr ihre edle Seele zu dem, der sie schon hier seinem eingeborenen Sohn, unserm Herrn Jesu Christo, ausnehmend gleich gemacht hatte.

Als wir das von ihr geschrieben hatten, sprach eine sehr alte Schwester: „Es ist nicht der hundertste Teil davon geschrieben, was Gott an ihr getan hat.“ Sie sprach auch bei ihrem Tod, dass sie das für eine so große Gnade wie keine sonst hielte, die Gott ihr je getan hatte: dass sie nicht wusste, sie hatte je Hoffart empfangen über die Gnade, die Gott mit ihr gewirkt.

Und nach ihrem Tode, da erzeigte unser Herr offenbarlich, dass er die in der Ewigkeit seinen Heiligen gleich gemacht hatte, so wie er sie ihnen auch in der Zeit verähnlicht hatte in hohem und in vollkommenem Leben. Und durch seine Anordnung erschien sie einer Schwester und gebot ihr, dass man sie getreulich anrufen und bei der Liebe mahnen sollte, die sie zu den heiligen fünf Minnezeichen gehabt und dass man diese sonderlich verehren solle und dass unser Herr den Menschen, der sie anrufe, ehren wolle; das hat er offenbar dadurch gezeigt, dass er manchen Menschen von Nöten des Leibes und des Herzens erlöst hat. Eine ehrbare Frau gab zweien Menschen, die das Fieber hatten, ein kleines Stückchen ihres Haares zu trinken, und das Fieber wich von beiden. Eine andre Frau hatte ein schweres Übel an ihrem Arm und bestrich sich mit ihrem Haar und ihr ward besser. Eine ehrbare Frau von Winterthur brachte drei Opfer und sagte von ihr (Mechthild), dass sie ihren Ehewirt aus großer Not erlöst hätte und dass sie wohl wüsste, sie hätte es getan. Ein ehrbarer Mann von Felthain, dem war so weh, dass er kaum zu Atem kam und schon zu sterben vermeinte; und er rief sie an und gelobte eine Wallfahrt zu ihrem Grabe; da wurde ihm besser. Unserer Knechte einer war gar krank und las ihr sechshundert pater noster und bestrich sich mit ihrer Erde und genas. Unsere Schwestern haben auch bestimmt gesagt, sie habe ihnen etliche Krankheiten abgenommen, die sie lange gehabt hatten.



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Deutsches Nonnenleben