Von der seligen Schwester Margret von Hünikon

Wir hatten auch eine junge selige Schwester, die hieß Schwester Margret von Hünikon und nach manchem heiligen Dienst, den sie unserm Herrn getan hatte, verhängte unser Herr aus Güte über sie, dass sie wohl sieben Jahre gar siech war. Und da die Zeit kam, wo unser Herr sie ihrer langen Mühsal mit sich selber vergessen machen wollte und sie gerade verschieden war, da war die selige Schwester Elli von Elgau im Chor bei ihrem Gebet, wie es Gott wollte. Und es erschien ihr eines frommen Ritters Seele, der seit ziemlich langer Zeit tot war, und seine Seele war im Himmelreich; und diese Seele war so überaus schön und freute sich so recht mit leuchtender Freude. Da fragte sie die Seele, warum sie sich so herzlich freue. Da sprach sie: „Nun bin ich heute begnadet von dem heiligen Geist und freuet sich heut alles himmlische Heer mit mir; und diese Freude hab' ich durch Schwester Margreten von Hünikon, die eben von dieser Welt geschieden ist und der ich in dies Kloster half; und wüssten alle Menschen den Trost, den sie dadurch empfingen, sie trachteten mit allem Fleiß danach, dass sie ihren Freunden in Kloster hülfen.“ Und zugleich sah sie Schwester Margretens Seele in einem unermesslichen Licht, dass es sie dünkte, der ganze Chor werde durchleuchtet, und viel Seelen waren bei ihr. Und dann dünkte sie, als ob der Himmel sich auftäte und die Seelen alle mit ihr in den Himmel führen. Und wie sie aus dem Chor kam, da sah sie, dass sie tot war, und es waren ihr Herz und Augen so erfüllt von dem unermesslichen Licht, in dem sie ihre Seele gesehen hatte, dass sie wohl acht Tage danach kaum einer Schwester Gesicht erkannte.

An dieser seligen Schwester hat unser Herr gezeigt, wie lieb ihm leidende Leute sind; denn sie war von ihren Kindertagen an ein leidender Mensch gewesen.


Der Vater dieser seligen Schwester Margreten war dieses Klosters besonderer Freund und tat seiner Töchter vier herein und war diesem Konvent gar dienstbar. Und nach seinem Tod erschien er seiner Schwester im Schlaf und sagte ihr, dass ihr sein getreuer Dienst an diesem Konvent maßlose Strafe und Pein abgenommen hatte, und sprach dazu: „Wüssten alle Menschen, welche Gnade ihnen dadurch geschähe, wenn sie diesem Konvent dienten, sie dieneten sich daran selber zu Tod.“


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Deutsches Nonnenleben