Von der seligen Schwester Margret Finkin

Sy quis non vivet in justicia, ille non potest manere in sapiencia. Wer nicht lebet in der Gerechtigkeit, der kann nicht wohnen in der Weisheit. Es spricht der heilige Sankt Bernhard: „Gott ist nicht genehm, was du wirkest, wenn du das versäumest, was du schuldig bist.“ Dies Wort hat sich wohl zu Herzen genommen die selige und gnadenreiche Schwester Margret Finkin; von deren heiligem Wandel und Tun wollen wir ein kleines schreiben, damit ihr Gedächtnis nicht vergessen werde.

Ob sie uns auch nicht mit Worten das Gute zu erkennen gab, das unser Herr in ihr wirkte, so zeigte doch ihr heiliger Wandel und ihr vollkommenes Leben wohl, dass die ewige Weisheit ihren Schatz in sie verborgen hatte. Denn ihre Worte und ihre Werke waren so schön geziert, dass sie allen, die ihrer wahrnahmen, einen Antrieb zu Gott gab. Aber wie sehr auch ihr Herz auf die göttliche Heimlichkeit gerichtet war, so hatte sie doch den größten Eifer dazu, wie sie die Regel und die Gesetze ordentlich in allen Stücken vollbringe, klein und groß; denn sie war im ordensgemäßen Leben so recht ein leuchtender Spiegel für dies ganze Kloster.


Dieser auserwählte Mensch kam in dies Kloster, als sie fünf Jahre alt war und lebte bis an die siebzig Jahre tugendlich und seliglich in strengem Leben und mancher heiligen Übung. Mit wie großer minnender Begierde sie beflissen war, den Orden in allen Stücken einzuhalten, davon wäre viel zu sagen; denn das fing sie schon in ihren kindlichen Tagen an. Sie war beständig im Chor, so dass sie selbst erzählte, sie habe in ihrem ganzen Leben nie die Gebetszeit versäumt, es wäre denn wegen einer triftigen Sache, mit Urlaub. Sie hatte auch die Gewohnheit, dass sie immer vor der Mette aufstand, wohl eine Vigilie lang, und las dann die drei pater noster, wie sie unser Herr Jesus Christus auf dem Berg gebetet: das erste der Heimatlosigkeit, die sein zartes Herz hatte, da er sich aller Menschlichen sie Gesellschaft begab und in allen seinen Nöten ohne Hilfe irgendeiner Kreatur sein wollte; das zweite der großen Not, die sein einsames Herz hatte, da er aus dem Schirm seines himmlischen Vaters in alle die grimmige, böse Gewalt seiner Feinde ausging; das dritte, dass er herausging aus dem Trost des heiligen Geistes, so dass seine Marter und sein Leiden aufs höchste stiegen. Bei dieser Betrachtung verblieb sie bis zur Mette; nach der Mette wachte sie beständig; und wenn man sie fragte, warum sie denn so beständig wache, sprach sie: „So ich mich etwa niederlege, auf dass ich ruhe, so ist mir, als wenn ich die Pofaunen blasen hörte, die die Engel am jüngsten Tage blasen werden, und dann kann ich auch nicht ruhen und stehe wieder auf.“

Von der Zeit ab, da sie den Psalter gelernt hatte, bis zu ihrem Tod, ließ sie nie einen Tag die Gebetsstunde aus, selbst nicht an dem Tag, da sie starb; und als sie an dem Tod lag, musste man ihr immer aus dem Bette helfen, wenn sie ihr Stundengebet lesen solle, bis an den Tag, da sie starb. Sie war auch im Refektorium eifrig und fastete stets die regelmäßigen Fasten. Und als sie vor Alter und Krankheit nicht mehr fasten konnte, aß sie doch im Refektorium mit den jungen, die da aßen. Zum gemeinsamen Werk war sie gar willig; wenn man zur Arbeit läutete, war sie bereit, ins Werkhaus zu gehen. Latein lehren und schreiben und sich andächtigem Gebet ergeben, das war ihre beständige Tätigkeit, außer wenn sie aus Gehorsam etwas tun musste. Aber besonders hatte sie die Gnade, dass sie so lieblich von Gott redete, dass es gar begierlich zu hören war. Ihr Wandel, ihre Worte, ihre Werke waren so still und sanft und dabei verständig und bescheiden, dass sie unter den Schwestern wie ein irdischer Engel wandelte. Und wenn auch einmal ein Lärm ins Kloster drang oder das Kloster etwa brannte, so veränderte sie doch weder ihr Aussehen noch die Stelle, wo sie im Gebet weilte.

Ein Mensch klagte ihr einst ein Leiden, das er hatte; da hieß sie ihn geduldig sein und sprach: „Was ist dir lieber: dass unser Herr an deinem Ende zu dir komme und du nimmer in keine Strafe kommst, oder dass dir Gott dies Leiden abnehme?“ Da erwählte der Mensch das Bessere und es blieb ihm auch das Leiden; und doch ward es ihm durch ihren süßen Trost viel geleichtert; denn ihre Worte waren so sicher, dass der Mensch bestimmt glaubte, Gott hätte es ihr kundgetan.

In vielen Stücken sah man es ihr an, dass sie Dinge wußte, die andern Leuten verborgen waren: Sie ward auch bei ihrem Tod gebeten, dass sie, uns zur Besserung, etwas von der Gnade sage, die Gott an ihr gewirkt. Da antwortete die recht ausweichend und sprach: „Was soll ich auch sagen? Mich dünkt es ganz genug, dass Gott mir die Gnade gab, dass mich nie verdross, was ich tun sollte und was zur Ordensregel gehört; denn das war mir allzeit begierlich und fröhlich zu tun.“

Ihr heiliges Leben brachte die zu einem seligen Ende und sie hat ihr Leben in solchen Tugenden verbracht, dass die von den Schwestern groß beklagt wurde; denn es ist ohne Zweifel: unser Herr ließ den ganzen Konvent ihres heiligen Lebens genießen. Denn das hat auch der gute Klausner von Veitheim gesagt: solange sie lebe, soll das Kloster vor aller großen Trübsal behütet sein.

Diese selige Schwester Margretha hatte auch ihre Ahne in diesem Kloster; die war ein gar seliger Mensch und hieß


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Deutsches Nonnenleben