Von der seligen Schwester Ita Sulzerin, der Laienschwester

Der gute Gott hat auch ausdrücklich bezeigt, dass er nicht allein bei denen ruhen will, die er dazu bestimmt, dass sie, wie wir, uns nur inneren, geistlichen Dingen ergeben sollen: er hat sich auch den Schwestern gar lieblich erwiesen, sie er dazu bestimmt, dass sie dem Konvent getreulich dienten. Und ob auch derer gar viel sind, denen unser Herr gütlich getan hat mit seinen Gnaden, so schreiben wir doch von etlichen besonders.

Wir hatten eine gar selige Schwester, sie hieß Schwester Ita Sulzerin; deren heiliger Wandel und Übung zeigen deutlich, dass Gott mit seinen Gnaden völlig in ihr wohnte und auch viel Wunders an ihr wirkte, davon wir doch nur ein kleines wissen.


Diese selige Schwester hatte einmal die große Anfechtung, dass sie unserm Herrn anderswo löblicher dienen könnte, denn hier in diesem Kloster zu Töß. Darum hatte sie viel Streit mit sich selber, ob sie hier bleiben sollte. Und als sie einst in der Küche war, kam ihr abermals ihre Anfechtung; da gedachte sie: „Herr, mein Gott, ohne deinen Willen will ich nichts tun.“ Hiermit dachte sie, dass sie brennende Glut in die Hände nehmen wolle; brannte sie die Glut, so sollte ihr dies eine Urkund sein, dass Gott ihr Leben anderswo genehmer wäre denn hie. Mit dieser Bedingung, die sie mit Gott einging, griff sie in das Feuer und füllte ihre Hände beide voll frischer Glut und saß eine Weile und stand dann auf und ging in den Kreuzgang und hatte allwegen die Glut in den Händen. Alsdann fürchtete sie, dass die Schwestern aus dem Chor gingen und es sähen, und legte die Glut in den Mantel und drückte sie dann fest an sich; und als sie wieder in die Küche kam, hatte sie weder an den Händen noch an dem Mantel irgendein Zeichen, dass je Feuer daran gekommen wäre. Und nun gewann sie ganze Sicherheit, dass Gott ihr Leben nirgends so löblich wäre als in diesem Kloster.

Diese Schwester dünkte auch einstmals, dass ihr Gott so fremd wäre. Das klagte sie der seligen Schwester Willinum von Konstanz; die tröstete sie mit süßen und minniglichen Worten und sprach, sie würde von Gott noch durch seine Gnade entschädigt werden. Darauf ging sie an ihr Gebet in die Einsamkeit und kam in so hohe Andacht, dass es über alle ihre Kraft war, und sprach dann mit lautem Lachen: „Höre, Herr, höre! Ich vermag recht nicht mehr!“ Wie sie das so eine Weile getrieben, brach sie in ein lautes Weinen aus. Zu dieser Gnade und viel höherer kam sie gar oft, wovon wir nicht gänzlich sagen können. Einmal lag sie krank, wie ihr's lange vor ihrem Tod geschah; und da sprach sie einst zu einer andern seligen Schwester, die auch in dem Siechhaus lag: „Schwester Anna, uns kommt ein Arzt und eine Ärztin“, und alsbald sahen sie beide, dass unsere Frau kam auf dem Eselein, wie sie mit Josef nach Ägypten zog, und hatte das Kindlein im Schoß und kam zu ihnen beiden und legte jedweder ihre Hand aufs Haupt; und zu derselben Stunde wurde sie von großen Schmerzen gesund.

Wegen der emsigen Mühe, mit der sich diese selige Schwester in allen guten Werken übte, ward sie mannigfaltiglich angefochten durch den Teufel, der da ist ein Neider aller Tugend. Er nahm ihr oft ihren Rosenkranz und zerbrach ihn ganz und warf ihr die Ringlein unser ihr Bett und ließ kein Ringlein beim andern. Sie zwang ihn dann, dass er sie alle wieder zusammenlesen musste und auf ihr Fenster legen. Und hiebei kann man wohl merken, wie gewaltig sie über ihn auch in andern Sachen war, die ihr noch größer hatten schaden können. Einstmals wollte der Konvent unseres Herrn Fronleichnam empfangen und sie übte sich in großer Andacht. Und da, wie es in der Messe war, erschien ihr der Teufel als ein schöner Herr und tat gleich, als wäre er unser Herr. Also ward sie die ganze Messe betrogen, bis die Austeilung (der Kommunion) anfing. Und als sie zum Altar gehen wollte, sprach er: „Wozu bedarfst du dessen? Ich bin doch gegenwärtig hier bei dir.“ Da sprach sie: „O Herr, so ist doch die Gnade der Gemeinschaft so gut!“ Da verschwand der Teufel. Und als sie unsern Herrn empfing, da ward sie versichert, dass sie vom bösen Geist nimmermehr betrogen werden sollte; und ward ihr in der Gnade gezeigt, dass Gottes Leichnam die sicherste Gnade ist, die der Mensch in diesem Leben empfangen mag.

Es geschah auch zu einer Zeit, dass sie in der Küche Wochendienst hatte. Und eines Tages nach der Mette, als sie den Häfen zum Sieden brachte und in der Küche tat, wessen es bedurfte, da war es dennoch gar früh. Also ging sie zur Kapelle hinauf an ihr Gebet, und Gott übergoss sie da mit so hoher Gnade, dass ihr Geist von ihrem Leib gezogen ward; und es wurden ihr da solche Wunder von Gott zu erkennen gegeben, davon wir nicht schreiben können. Unter andern Wundern, die sie schaute, ward ihr vollkommen die Lauterkeit ihrer Seele zu erkennen gegeben. Und als die Seele wieder zum Leib kommen sollte, da schwebte sie lange ob dem Leichnam und schaute, wie schmählich und wie unedel er war und wie verweslich gleich der Erde und wie adelig die Seele von Gott geflossen war. Und wie diese wieder zu dem kranken Leib gefügt werden musste, so tat sie das gar ungern und gedachte: „O weh, musst du wieder in den graulichen Leib fahrend?“ Und alsdann kam sie wieder zu sich selber und war ein Mensch wie auch ehe und ging wieder in ihre Küche.

Unser Herr reizte sie mit manchen Dingen, damit ihre Begier desto größer würde. Sie sah zu einem Mal unsern Herrn, als ihn der Priester aufhob, in der Form eines kleinen Kindleins. Sie war auch einst der (gewohnten) Speise so überdrüssig, dass sie nicht gern aß; und es gelüstete sie nach irgend was gar sehr und das sah sie eine Schwester essen; und doch überwand sie sich da selber ganz. Und als es in der Nacht war, da erschien ihr unser Herr in der Schlafkammer im Bild eines gewaltigen Herrn und hieß sie mit ihm in das Refektorium gehen und setzte sie an einen Tisch und stand vor ihr und fing an Gloria in excelsis und sang es ganz zu Ende mit einer so mächtigen Stimme, dass es sie möglich dünkte, die ganze Erde hätte es gehört; und danach sprach er zu ihr: ,,Schwester Ita, willst du essen?“ Da sprach sie: „O Herr, ich habe den Überdruss, so dass ich nicht gern esse.“ Und da wollte ihr unser Herr zeigen, dass es ihm lieb war, dass sie sich am Abend bei der Speise überwunden hatte, und legte ihr ein weißes Brot vor; und kaum dass sie des Brotes versuchte, da verging ihr all ihr Überdruss, den sie zuvor so oft gehabt, und ging sie von da ab nimmermehr an.

Sie war auch einmal so krank, dass man sie in das Todbett legte; und wie sich's besserte, wäre sie gern wieder in ihrer rechten Bettstatt gelegen. Dazu wollten ihr die Schwestern nicht helfen und sprachen, sie wäre zu krank. Und wie die Schwestern zur Messe gingen, kam unser Herr und unsere Frau und die heiligen Engel, die Patriarchen und die Propheten, die Zwölfboten, die Märtyrer, die Bekenner und die heiligen Jungfrauen und überbetteten sie; und als die Schwestern von der Messe kamen, da fanden sie sie an der Stelle, wo sie zuvor gelegen war, ehe sie krank wurde.

Sie sah auch einmal in der Komplet, dass sich ein schönes, wonnigliches Licht von dem Altar herab durch den Chor auf eine jegliche Schwester besonders niederließ, wie sie in ihren Stühlen standen, aber auf eine viel klarer als auf die andre; und welche Schwester nicht in ihrem Stuhl war, auf die schien auch das Licht nicht.

Sie sagte auch einst einer Schwester, was das Wort Jerusalem bedeute. Und als die Schwester sie fragte, wer es ihr gesagt hätte, da sprach sie mit Ungestüm und aus Überfülle eines süßen Herzens: „Da ich manchen süßen Harfenklang gehört habe, da hört ich auch das.“ Und daraus mögen wir ersehen, wie oft ihr minnender Geist zu einem lauteren Schauen in das himmlische Jerusalem gezogen ward; denn das bewies ihr äußerer Wandel völlig, dass ihr Herz und ihr Gemüt emsiglich wohnten in der Ewigkeit, ob sie doch mit dem Leib wohnte in der Zeit. Ihr seliges Leben vollbrachte sie durch ein seliges Ende. Und als man sie begrub, da bewies unser Herr vor aller Leute Gegenwart, dass das ewige Licht in ihrem Herzen geleuchtet hatte, durch folgendes wunderbare Geschehnis: es war dieses Tages ein starkes Ungewitter und da die Schwestern die Kerzen über dem Grabe hielten, erloschen sie gänzlich; und danach plötzlich, ohne aller Menschen Hilfe, entbrannten die so kräftiglich, dass das Wachs recht niederfloß. Und hierüber wunderten sich die Leute, die es sahen.



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Deutsches Nonnenleben