Von der seligen Schwester Elsbeth Schefflin

Wir hatten auch eine selige junge Schwester, sie hieß Schwester Elsbeth Schefflin, mit der unter Herr seine Gnade völlig teilte, so dass ihr Leben sich kundtat in Tugenden, heiliger Übung und Offenbarung der Gnade. Und die Gnade fing in ihr zu wirken an, da sie noch in der Welt war. Denn die gewann so großen Ernst zum geistlichen Leben und musste das mit vieler Mühe durchsetzen; und als die der böse Geist vom geistlichen Leben nicht abwenden konnte durch manche große Widerwärtigkeit und Anfechtung, die sie durch ihre Freunde erlitt, da drohte er ihr durch einen besessenen Menschen und sprach: „Fahr du nur hin, ich will dir's eintränken“; da sprach sie mit kühnem Herzen: „So muss das gewaget werden.“

Und da sie in das Kloster kam, ließ unser Herr dem bösen Geist so viel seiner Gewalt über sie, dass sie mit mannigfaltiger großer Bedrängnis gepeinigt wurde, aber doch so, dass er die Seele nicht berührte, gleich wie wir vom seligen Hiob lesen, über den auch unser Herr aus besonderer Liebe verhängte, dass er von den bösen Geistern schwer gepeinigt wurde. Und damit hat unser Herr auch sie so sonderlich geehrt; denn das größte Lob, das man einem guten Menschen hier in dieser Zeit geben mag, das ist, wenn man von einem sprechen kann, er sei ein leidender Mensch.


Das erste Leiden, das sie befiel, war, dass sie gar viel Unruh litt durch garstiges Gewürm an ihrem Leibe, so dass es ihr recht unerträglich war und sie so großes Siechtum ankam, dass sie zuweilen einen halben Tag in Ohnmacht lag. Und dadurch kam sie in solchen Leumund, dass man wähnte, sie habe eine arge Krankheit, und deshalb ward die viel verachtet. Dieses Elend litt sie alles im ersten Jahr, da die in dies Kloster kam.

Danach ließ auch der böte Geist von seiner Bosheit gegen die nicht ab und erschreckte sie sehr mit manchen Dingen. Etwa fand sie Nattern und derlei Gewürm an ihrem Bett im Schlafgemach. Einmal war sie Kellermeisterin; da kam der böse Geist zu ihr in den Keller und sie vertrieb ihn kühnlich; und wir haben da ein Kruzifix hingetan, damit er desto minder Gewalt hätte. Sie nahm sehr viele strenge Bußübungen vor und auch darin tat er ihr viel Leides. Manchmal kniete er neben ihr und schlug die dann über die Maßen stark. Sie hielt, die Ordensregel in allen Dingen und fing mit allem Eifer an, gleich als die ins Kloster kam. Denn wie da vom geschrieben steht, dass sie gar siech war im ersten Jahr, so hielt die dennoch ihr Schweigen so, dass die es selten brach um ihrer Krankheit willen. Auch später zu allen Zeiten und an allen Stätten redete sie wenig.

Sie hatte auch nicht allein Eifer zu großen Dingen, sondern auch der kleinsten nahm die wahr. Sie nannte keine Schwester mit ihrem rechten Namen allein, die sprach Schwester dazu, sogar bei ihrer leiblichen Schwester. Sie war auch gar emsig in andächtigem und großem Gebet. Und in der Zeit, da die Pförtnerin war, wenn ihr da Muße ward, so ging sie in den Chor oder sie sprach bei der Pforte ihr Gebet. Eigene Arbeit kam nimmer in ihre Hand. Sie hatte auch mit niemand auswärts zu tun. Ihr Wandel war auch gar sanft und minniglich gegen alle die Schwestern und die hütete sich mit Fleiß vor aller Ausgelassenheit und an allen Werken merkte man wohl, dass sie es in Andacht tat und aus einem minnenden Herzen. So wenn sie etwa üble Nachrede hörte und es nicht bessern konnte, stand sie auf und ging von dannen; denn sie erkannte wohl, dass es eine Zerstörung des Herzensfriedens und der göttlichen Minne ist. Was man ihr befahl, dazu war sie so gar fleißig, dass uns oft dünkte, es wäre über ihre Kraft.

Der Konvent war einst in Kummer wegen eines Krieges und die Schwestern taten gemeinschaftlich ein Gebet an Sankt Margreten; und das wusste sie nicht. Und da die Abendandacht war und sie unter dem Kloster draußen stand, da kam ein gar schönes Licht, jählings wie ein Blitzstrahl, so dass es etliche Schwestern wohl sahen und auch etliche auswärtige Leute, die fürchteten, dass der Chor brenne. Und als das Licht verging, da wussten die Schwestern, die das Licht gesehen hatten, nicht, was es meinte. Aber die selige Schwester fragte sie recht in Ungestüm, welches Gebet der Konvent getan habe. Da ward ihr gesagt: zu Sankt Margreten. Da streckte sie sich auf der Stelle vor dem ganzen Konvent mitten im Chor auf den Boden und tat auch dasselbe Gebet. Und als sie aufstehen wollte, da war sie so schwach, dass sie zwei Schwestern führen mussten, und sie war bei dreizehn Wochen in solcher Hinfälligkeit, dass man wähnte, sie hätte eine schwere Krankheit. Und danach sagte sie, dass Sankt Margret sie bestraft habe, weil sie ihr Gebet nicht getan hatte, und dass sie in einem so wonniglichen Licht zu ihr gekommen sei, dass es ihr zu überkräftig war, und dass sie sonst keine andre Krankheit habe.

Sie saß einmal nach Komplet im Chor; da kam ein so wonnigliches Kindlein durch den Chor gegangen und als es zu ihr kam und so gar minniglich war, da sprach sie: „Ach, mein liebes Kind, wer bist du?“ Da sprach es gütlich zu ihr: „Ich und die Dreifaltigkeit sind ein Ding; und so wahrlich das wahr ist, so wahr ist es, dass du von mir nimmer scheiden sollst.

Ihr war einmal ein Amt befohlen; da dünkte sie, dass es über ihre Kraft ginge. Und doch gedachte sie: ,,Herr mein, nun will ich aus Minne gehorsam sein, wie du aus Minne deinem himmlischen Vater gehorsam sein wolltest. Und da sie hernach zu ihrer Andacht in den Chor kam, da neigte sich unser Herr von dem großen Kreuz, das an der linken Chorseite steht, recht tief gegen sie herab; und daraus verstand sie, wie lieb unserm Herrn ihr Gehorsam war.

Wegen der großen Lauterkeit, in der ihr Herz stand, wurde ihr auch zuweilen zu erkennen gegeben, wie rein und wie lauter etliche Schwestern vor Gott stünden. Einmal, als sie im Refektorium bei ihrem Gebet war und die selige Schwester Elli von Wurmenhussen auch da betete, da sah sie, dass diese Schwester Elli so lauter war wie ein Kristall. Da fragte die sie danach, was sie zu dieser Zeit gebetet habe; da sagte ihr diese, dass sie derzeit vor Krankheit nichts tun könnte, als dass sie sich demütiglich vor unserm Herrn neigte und gedächte: „Herr mein, könnte ich nur tun, was dir lieb wäre, das täte ich gern. Da verstand sie, dass Gott ihr Anerbieten genehm war.

Sie war auch einmal in der Kapelle bei ihrem Gebet und da sah sie, dass die selige Schwester Elli von Elgau vor dem schönen Bilde unsrer Frau kniete und dass ihr Leib über dem Gürtel so lauter war als ein Kristall, und sah da in der Lauterkeit ihres Leibes ein Licht, das war so schön und so klar wie eine leuchtende Sonne; und dieses Licht bewegte sich so recht spielend und sich freuend in ihr und ihr ward zu erkennen gegeben, dass dies ihre (Ellis) Seele wäre. Und da gedachte sie: „Gesegne dich Gott, selige Schwester!“ und dachte weiter: ,,Ach, ich arme Sünderin, wie steht es um meine Seele!“ Und zu derselben Stunde sah sie ihren Leib in derselben Lauterkeit und ihre Seele in derselben Klarheit und spielenden Freude, als sie die vorgenannte Schwester gesehen hatte. Diese Gesichte wahrten bei ihr eine gute Weile und die empfing durch sie unermesslichen Trost. Die Gnade geschah ihr nach der Frühmesse, und sie blieb bei ihrer Andacht, als der Konvent hinüber zu Tisch ging. Nun höret die wunderliche Bewährung des geistlichen Gesichtes! In derselben Stunde kam im Konvent die Rede auf diese Gnade, die ihr geschehen war; und diese Rede ging zuerst von Schwester Ellinun von Elgau, der Laienschwester, aus, die ein ausnehmend guter Mensch war. Und da man sie darum näher fragte, sprach sie: „Ich leugne nicht, ich habe es gesagt, aber es kam mir von keinem Menschen.“ Nun hatte die selige Schwester Elsbeth Schefflin eine leibliche Schwester hier und die wunderte sich, dass es so offenbar war, und schalt sie darum, dass sie es jemand gesagt habe. Da sprach sie (Elsbeth Schefflin): „Ich redete heute mit niemand ein Wort und kam heute noch nie von dieser Stelle“ und sie wehrte sich öffentlich dagegen. Danach fragte sie die selige Schwester Jüzi Schulthasin gar ernstlich darum, doch sie wollte ihr's nicht sagen und leugnete es. Erst etliche Zeit danach kam sie zu ihr und weinte herzlich und sprach: „Ich bin so innig betrübt, dass ich so unwahr gesprochen habe; denn alles, was du von der Sache gehört hast, das ist wahr, und weiß doch Gott wohl, dass ich es keinem Menschen gesagt und wie es doch herausgekommen ist.“

Und wie nun dieser auserwählte Mensch durch heilige Werke bezeigte, dass die göttliche Minne in ihrem Herzen brannte, so bezeigte sie es auch durch die minnigliche Sehnsucht und die begierlichen Worte, mit denen die vom Tode redete. Und da die an ihrem Tode lag, musste man ihr süße Worte vom Himmelreich singen. Und als eine Weile vorbei war, da sprach die begehrlich: „Nun bin ich wieder dem Tod näher.“ Mit einem andächtigen Ende schied die von dieser Welt zur ewigen Seligkeit.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Deutsches Nonnenleben