Von der seligen Schwester Adelheid von Frauenberg

Nemo potest venire ad me, nisi pater, qui misit me, traxerit eum: Niemand kann zu mir kommen, er werde denn gezogen von meinem himmlischen Vater. Diese Worte kann man wahrlich verstehen und merken an der seligen, alten Schwester Adelheid von Frauenberg und offenbar merken, mit welch sonderlichen Gnaden der himmlische Vater in ihr gewirkt hat, und wie er die sich selber ewiglich auserwählt hat und wie minniglich er sie gezogen durch seinen eingebornen Sohn von ihren kindlichen Tagen an.

Diese selige Schwester Adelheid von Frauenberg war eines Freiherrn Tochter und nach der Welt Gewohnheit gaben sie ihre Verwandten einem adeligen Herrn zur Frau, bei dem sie in großen und mannigfaltigen Ehren lebte. Doch ließ unser Herr nicht von seinem Werk, das er in ihr so liebreich wirkte, und gab ihr die Gnade, dass sie, wieviel Würde und Ansehen sie auch hatte, doch dadurch allerwege Bitterkeit und Bestrafung litt und dass ihr Herz allzeit nach dem einzigen Gut einen steten Jammer trug, so dass sie nimmer abließ und Tag und Nacht Gott von ganzem Herzen bat, er möge ihr von der Welt weghelfen; könnte es anders nicht sein, so möge er über sie verhängen, dass sie aussätzig wurde, nur damit sie so von der Welt käme. Und ob auch unser Herr ihr Begehr nicht gleich gewährte, so ließ sie darum doch nicht ab und übte sich in Gebet und in mannigfaltigen Tugenden. Seit sie vierzehn Jahre alt war, las sie alle Tage den fünf Liebesmalen unseres Herrn einer jeglichen Wunde fünfzig pater noster vor dem Imbiss, und wenn sie dies Gebet vor Imbiss nicht verrichten konnte, so aß sie zur Buße dieses Mal nichts von den besten Speisen.


Sie übte sich auch in Demut und in den Werken der Barmherzigkeit mit großem, minnendem Verlangen. Sonderlich hatte sie sich eines Menschen angenommen, der war so entstellt, dass man ihn beschuldigte, er wäre aussätzig; und dem tat sie alle solche Dienste, die ihm seine eigene Mutter nicht tun wollte. Und dieser Mensch war so missgestaltet, dass es männiglich widerstand, ihn anzusehen; und dem tat sie alles, was er begehrte, so dass ihre Hände oft gräulich unrein wurden; und doch war es ihr aus großer Begier so voller Lust, dass es sie recht dünkte, sie ginge mit Gott um; und das kam davon, weil unser Herr ihr oft in solcher Leute Bild erschienen war.

Und wie sie sich also mannigfaltig in solchen Tugenden übte, wollte sie unser Herr sich selber noch näher ziehen und ihre Sehnsucht erfüllen und verhängte, dass ihr Ehewirt starb. Doch noch immer wollte unter Herr sie versuchen und bewahren und wollte ihre Begierde nicht stillen ohne besonderes Leiden; denn ihre Verwandten wollten sie mit aller Kraft zwingen, dass die einen zweiten edlen, prächtigen Herrn nähme. Und durch das eifrige Bitten ihrer Verwandtschaft, sowie wegen des leiblichen Liebreizes, der diesem Herrn eigen war, und weil unser Herr auch wollte, dass sie kämpfte, ward die so stark angefochten, ehe sie sich überwand, dass es ihr gar weh geschah. Und doch half ihr die göttliche Gnade, dass sie der Welt ganz enttagte. Nun war eine gar gute Schwester in der Stadt Winterthur, die bat gar ernstlich für sie, dass ihr Gott herein (ins Kloster) helfe. Und des Tags, da man sie einkleidete, da dünkte sie, als ob ein schöner Stern sich vom Himmel auf unsern Altar niederließ. Und darüber wunderte sich die Schwester und kam her: da fand sie sie vor dem Altar liegen.

Wie heilig sie von dieser Stunde an bis zu ihrem Tod lebte, davon wäre viel zu sagen. Sonderlich war die so ganz demütig, dass es zu verwundern war. Es war auch ihr besonderes Streben, dass die sich sogar um ihr eigenes Kind, das sie herinnen hatte, nicht viel beunruhige. Wenn die Novizenmeisterin es etwa recht arg schlug, so sprach sie nie ein Wort, und es geschah ihr doch oft gar weh dadurch. Sie hielt die Ordensregel so fleißig als sie nur konnte und vermochte. In dem Chor war sie emsig und die Verse, die man ihr zu den Gebetszeiten vorschrieb, oder was sie sonst singen sollte, das vollbrachte die mit großer Begierde und hatte die stete Gewohnheit, dass die in der Mette vor dem Lesepult saß und leuchtete wie der geringsten Kinder eines. Sie ging auch kranken Leibes gar fleißig zum Refektorium. Und war ein Ding noch so klein, wenn es die Gesamtheit der Nonnen nicht hatte, wollte die es auch nimmer mehr versuchen. Sie fastete auch gar eifrig, trotzdem sie vor Krankheit oft kaum zu gehen vermochte. Beim gemeinsamen Werk war die beinahe immer die Erste und spann dann so gar emsig, dass ihr oft die Finger anschwollen. Und wieviel die auch immer mehr als das gemeinsame Wochenwerk spann, so gab sie doch immer alles zum Wochenwerk. Wenn es die zuweilen so arg dürstete, dass ihr das Herz im Leib verdorren wollte, so wollte sie doch nicht zu unrechter Zeit trinken. Wenn man zu Tisch gehen sollte und die so sehr fror, so steckte sie ihre Füße in heiße Asche, damit ihr schnell warm würde und die sich nicht zu Tisch verspätete. Was die nur immer zu tun vermochte, für die Gemeinschaft oder für irgendeine Schwester im besonderen, wie niedrig auch das Werk war, so erbot die sich doch demütiglich, begierlich und fröhlich dazu. Und besonders einer armen Schwester, die den andern zuwider war, tat die gütlich und erwies ihr namentlich etliche Dienste, die niemand ihr tun wollte; und es geschah ihr doch oft so weh dadurch, dass ein großer Ekel in ihr war. Sie hatte auch die stete Gewohnheit, dass die nach der Mette im Gebet wachte. Was sie an äußerlichen Übungen tun konnte, das tat die so fleißig, dass man wohl merken konnte, wie ganz sie aller leiblichen Gemächlichkeit widerstand. Und hiedurch ward die würdig, dass unser Herr ihr Herz inwendig mit sonderlich heißer Begier entbrennen ließ.

Besonders hatte sie allweg zu unsres Herrn Kindheit große Minne und Andacht und erbot sich unserer Frau oft andächtig zur Hilfe bei ihm, ihrem einzigen Lieb. Sie begehrte mit herzlicher, minnender Begier, dass ihr ganzer Leib gemartert würde dem süßen Kindlein zu Dienst: sie begehrte, dass ihre Haut abgezogen werde, unserm Herrn zu einer Windel; ihre Adern zu Fädlein würden, ihm zu einem Röcklein; und begehrte, dass ihr Mark gepulvert wurde, ihm zu einem Müslein; und begehrte, dass ihr Blut vergossen würde, ihm zu einem Bad, und ihr Gebein verbrannt würde, ihm zu einem Feuer, und begehrte, dass all ihr Fleisch verzehrt würde für alle Sünder und bekam einen herzlichen Jammer danach, dass ihr ein Tröpflein von der Milch zuteil geworden wäre, die unserer Frau entfiel, da sie unsern Herrn säugte.

Wie mannigfaltig sie sich in heiligem Leben und hohen Tugenden übte, davon wäre viel zu sagen. Aber sonderlich drei edle Tugenden hatte sie an sich, in denen sie vor allem leuchtete und durch die sie würdig ward und auch behielt alle die Gnade, die Gott in ihr wirkte, das war beharrliche Einsamkeit, vollkommene Geduld und wahre Demut.

Da nun die Zeit zu nahen begann, wo sie unser Herr bald von dieser Welt nehmen wollte, da wollte er sie auch sonderlich bereiten und noch höhere Gnade in ihr wirken und verhängte, dass sie wohl ein halbes Jahr vor ihrem Tode an Schwindsucht lag, mit so großen Schmerzen, dass es zu wundern war. Und diese Mühsal litt sie so andächtig und so fröhlich, dass es Gott allein in ihr wirken musste. Und wie weh ihr auch war, so betrug die sich doch gar freundlich gegen die Schwestern und lobte Gott um jeglichen Schmerz besonders, und dass sie irgend etwas leiden dürfe seiner Marter zu Lob. Und da sie in diesem Siechtum so geduldig lag, erschien ihr der böse Neider aller guten Werke in Gestalt einer Schwester und sprach: „Du bist so geduldig und sprichst nur: ,Herr, gib mir mehr!‘ Das gibt er dir: dass er dich vergessen hat! Du solltest dich böse gehaben und Gott anschreien, dass er dir Besseres gebe.“ Und da verstand sie gar bald, dass es eine unrechte Schwester war und sprach: „Fliehe, du böses Fußtuch! Ich will meinen Willen geben in Gottes Willen. Weil du dich nicht in Gottes Willen neigen willst, darum musst du seines Angesichtes entbehren ewiglich“, und wollte ihn mit einem Stabe schlagen. Da wuchs er vor ihrem Angesicht, bis er fast an die Decke stieß, und verschwand und ließ ein großes Heulen und Brüllen hinter sich aus.

Und später, kurz vor ihrem Tod, gab ihr unter Herr ein besonderes, unermessliches Leiden, weil er ja auch mit besonderen Gnaden zu ihr kommen wollte. Und dieses Leiden war ein so starker, ungewöhnlicher Gliederschmerz, dass alle ihre Glieder davon durchgeschüttelt wurden und ihr ganzer Leib zuckte, als wollte sie aus dem Bett fallen, und das währte von der Non bis zur Vesper. Und dies litt die in solcher Geduld, wenn die bei sich selber war, dass die es allerwege unserm Herrn zum Lob seiner Marter emportrug.

Und in derselben Nacht war ihr so gar weh, dass zwei Schwestern bei ihr wachten; und sie lag so eine Weile ganz still und sprach dann gar andächtiglich : „O Frau, aller Welt Königin, Himmels und der Erden!“ und sprach dann gar inniglich: „Gern, Frau, gern!“ und sprach dann abermals mit einer sehnlichen Stimme: „O, wie war das so kurz!“ und weinte dann recht bitterlich; und als die Schwestern sie fragten, ob ihr so weh wäre, da sprach sie: „Geht mit Gott, ich bedarf euer nicht.“ Und die neigten sich, als ob die schliefen, bei ihr nieder und dann, über eine gute Weile richtete sie sich auf und erhob ihre Hände andächtig und begierlich und tat recht wie ein Mensch, der sich herzlich an einem Ding freut, und legte ihre Arme gar zärtlich übereinander und druckte die gar minniglich und begierlich an ihr Herz, recht wie ein Mensch, der mit fröhlicher Begier den andern an sein Herz drückt. Und als sie das eine gute Weile getrieben, sprach die innig: „Minniglicher Herre mein, zerreiß mir Hände und Füße, Haupt und Herz und alle meine Glieder!“ Und danach über eine Weile weinte die so ganz herzlich, wie ein Mensch, der vor großem Jammer weint, und tat recht, als ob sie schreien wollte; und als dies eine gute Weile gewährt, da sprach sie zu den zwei Schwestern gar gut und fröhlich: „Kinder, schlafet und seid meinethalben ohne Sorge.“

Und hierauf ging die eine der Schwestern, die ihr immer sonderlich hold gewesen war, zu ihr und ermahnte die bei der göttlichen Liebe, sie möge ihr sagen, was ihr geschehen sei, und sagte ihr die Worte, die sie gehört hatte. Und hievon ward sie gar betrübt und wollte es ihr gern versagen und gelobte ihr, die wolle ihr sonst, bei Gott, alles zuliebe tun, was sie vermöchte; und nach langem Reden, ehe die es sagen wollte, gab ihr die Schwester das Gelöbnis, dass sie es bei ihren Lebzeiten niemand sagen wolle. Und nun sprach sie wie ein Mensch, der sich vor Freude nicht mehr halten kann: „Was willst du mehr? Unser Herr und unsere Frau waren hie.“ Und die Schwester fragte, wie sie ihr erschienen seien. Da sprach sie: „Unsere Frau war eher bei mir als unser Herr und tröstete mich gar gütlich und sprach: ,Gehab dich wohl; ich und mein Kind werden dein ewiger Lohn sein; du musst aber noch viel leiden.‘ Und darum sprach ich: ,Gern, Frau, gern!‘ Dann sah ich sie nicht mehr und deshalb sprach ich: ,O weh, wie war das so kurz!‘ und weinte dabei.“ Und dann fragte sie, wie sie unsern Herrn gesehen habe. Da sprach sie kläglich: „Wie ich den sah, das kommt nimmer aus meinem Herzen“ und weinte und sprach: „Ich sah ihn am Kreuz mit blutenden Wunden; und er schwebte über mir, mitten über dem Bett, und es stand unsere Frau bei ihm und hatte einen Arm um das Kreuz gelegt; und es ließ sich unser Herr von dem Kreuz herab und umfing mich gar liebreich und drückte mich gar gütlich und liebevoll an sein göttliches Herz und sprach voll Süße zu mir: ,Gehab dich wohl, ich will dein ewiger Lohn sein.“ Da sprach ich gar innig in Gedanken: ,O weh, Herr, wann?‘ Da sprach er gar minniglich: ,Du musst noch mehr leiden.‘ Und darum sprach ich: ,Herr, zerreiß mir Hand und Fuß, Herz und Haupt und alle meine Glieder; das will ich gern leiden.‘ Und da erhob sich unser Herr wieder und waren ihm alle seine Wunden geheilt und sprach zu mir: ,Sieh, du hast mir alle meine Wunden geheilt mit deinen Tränen, die du oft vergolten hast aus Erbarmen über meine Marter und mit deiner Geduld, dass du deine Mühsal so fröhlich und so geduldig leidest, meiner Marter zum Lob.‘ Und dann sah ich ihn nicht mehr.“ Und die Schwester fragte, ob zugleich unsere Frau dagewesen wäre. Da sprach sie: „Das kann ich dir nicht sagen; denn meine Minne zu Gott wurde so groß und mein Herz und mein Gemüt wurden mit solchen Freuden durchgossen, dass zur Zeit tausend Schwerter mich hätten durchschlagen können und ich hätte es nicht empfunden. Als ich aber unsern Herrn nicht mehr sah, da sah ich unsere Frau, die war so gar schön bekleidet und war so minniglich anzusehen und so zärtlich und so anmutig beschaffen, dass alle Zungen das nicht völlig sagen könnten. Und den Mantel, den sie um sich trug, den tat sie auseinander und ließ mich einen himmelfarbenen Rock sehen, den sie anhatte, und sprach: ,Siehe, den Rock habe ich von dir, da du für deinen Konvent so getreulich gearbeitet hast,‘ und sprach dann gar lieblich: ,Weil du mein Kind so treu hast aufziehen helfen, so will ich deine Begierde erfüllen und will dich tränken mit der Milch, mit der ich mein heilig traut Kind säugte,‘ und gab mir ihre reine, zarte Brust in meinen Mund. Und dann sah ich sie nicht mehr. Und wie mir diese unsägliche Süßigkeit entzogen ward, da ward mein Jammer also groß, dass ich so arg weinen musste.“

Und da fragte sie die Schwester, was unsere Frau meinte, als die sprach: „Weil du mir mein Kind so treu hast aufziehen helfen.“ Da sagte die ihr die Begierde, die sie zu unseres Herrn Kindheit gehabt, wie zuvor geschrieben ist, und dass ihr dies so wohlgefällig gewesen. Und wie sie dies gesagt hatte, da war ihr Herz so gar gestärkt von der großen Gnade und war so voll Freuden und Süßigkeit, dass sie sprach: „Mich dünkt, ich gehe wohl, wohin ich wollte,“ und ward ihre Seele so durchgossen mit göttlichem Trost, dass die sprach: „Mir ist in meinem Herzen die ganze Welt wie ein Unrat; und säße mein einziger Sohn vor mir, den ich gar lieb hatte, und alle die Freunde, die ich je gewann, ich kehrte mein Auge nicht danach, dass ich sie sähe.“

Nach dieser Gnade lebte sie etwa sechs Wochen in Freuden und in Trost. Manchmal ward ihre Sehnsucht wohl auch so groß, dass die gar herzlich weinte. Und dann schied sie seliglich von dieser Welt in einem heiligen Ende.



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Deutsches Nonnenleben