Schwester Diemut Ebnerin von Nürnberg

Eine Schwester hieß Diemut Ebnerin von Nürnberg und war das sechsundsechzigste Jahr im Kloster gewesen und diente unserm Herrn emfiglich und besonders mit großem Gebet und tat dazu die größten Ämter von Jugend auf. Sie war ein junger Mensch, als ihr unser Herre an dem Ostertag erschien, und sah Maria Magdalena bei ihm und hörte und sah alle die Dinge, die zwischen den beiden geschahen. Nachmals erzählte die, dass ihr unser Herre vor vielen Jahren durch seine Auferstehung großen Trost gegeben hatte.

Unser Herr tat ihr kund, als die dreißig Jahre alt war, er hatte sie Sankt Johannes, dem Evangelisten, und Sankt Martin empfohlen, und sprach: „Hatte ich irgend jemand Lieberen und Zarteren gehabt, dem hätte ich meine Mutter empfohlen; und dem hatte ich dich auch empfohlen.“ Nun hatte sie manchen Trost von Johannes, dem Evangelisten; dann empfahl sie ihn auch all ihren Freunden, so dass die ihm und Sankt Martin viel dienten.


Sie hatte auch großen Trost durch die Engel und sprach, sie kenne ihren Engel aus tausend Engeln wohl heraus. Einmal hörte die am Aller-Engeltag die Engel die Respons singen: „Te sanctum dominum,“ und als die an den Vers „Cherubin“ kamen, so sangen sie den mit drei Stimmen; das klang so gar süße, dass es über menschliche Sinne ging.

Sie hatte die Gewohnheit, dass die dem heiligen Gervasio alle Tage etwas betete. Da erschien ihr sein Bruder Prothasius und sprach zu ihr: „Warum betest du mir nicht auch etwas? Ich bin im Himmel so hoch wie er; du sollst mir auch beten.“ Das tat die denn fürbaß.

Sie ward auch oft in das irdische Paradies verzückt und sprach oft, sie wüsste so wohl, wie es im Paradies bestellt wäre, als vom Kloster. Dort sah sie Heliam (Elias) und Enoch; die redeten mit ihr und zeigten ihr die Wunder, die darinnen waren. Sie sah etliche Bäume, die hatten zur einen Hälfte zeitige Früchte und zur andern Hälfte Blüten. Etliche Bäume trugen Frucht, die nicht voll erwachsen war; und die Frucht, die vor langer Zeit abgefallen, die war so frisch, wie die gerade abfiel. Sie sah eine Schwester, die im Kloster verschieden war, im Paradies. Da sprach die zu ihr: „Bist du noch nicht im Himmel?“ Da sprach sie: „Ja doch, wahrlich.“ „Was tust du denn da?“ „Da hat mich Gott zu dir her zum Trost gesandt.“ „Eya, so sag' mir etwas von seiner Schöne!“ Da sprach sie: „Frag' mich nicht nach seiner Schöne, frag' mich nach seiner Barmherzigkeit; und wäre all das Laub, das je erwuchs, und alles Gras, das immer wieder aufwächst, wären das alles Meister von Paris, sie könnten nicht voll reden noch voll schreiben die Barmherzigkeit, die in Gott liegt, und sonderlich die Barmherzigkeit, die er hat an des Menschen Tod. Doch will ich dir ein Gleichnis sagen von unseres Herrn Schöne, es ist aber so ungleich eins dem andern wie weiß und schwarz: und wäre eine Kirche aus lauterem, geschmiedetem Golde und schienen hundert Sonnen darein und wäre jede der Sonnen siebenmal so schön und so klar, als sie jetzund ist und schiene in das Gold — das wäre ein großer Schein; aber das wäre der mindesten Schöne nicht gleich, die in Gott liegt.“

Sie betrachtete unseres Herrn Marter alle Tage. Wie ihr das so weh tat, da fiel ihr ein Wunder ein und sie gedachte, welche Freuden die Heiligen im Himmel durch seine Wunden haben. Da ward sie in den Himmel entzückt und sah unsern Herrn im Himmel in seinen Ehren sitzen und in großer Würde und sah seine Wunden an Händen und an Füßen und die ihm in seine Seite ging, die leuchteten über alle und schienen in die heilige Dreifaltigkeit und in alles himmlische Heer. Und waren nicht mehr Freuden im Himmel, denn von seinen Wunden, es waren großer Freuden genug darin. Da sprach unser Herre zu ihr: „Nimm wahr, Diemut, ob du mich erleiden kannst. Du siehst mich jetzund nur durch einen Schleier, hernach, wenn du mich sehen wirst durch den Spiegel meiner Gott heit“

Zu einem andern Mal war sie bei ihrer Andacht; da wurde sie abermals entzückt in den Himmel und sah unsern Herrn in seiner Klarheit, und ohne Unterlass Funken von ihm fahren, die waren in ihrem Schein größer und schöner als die natürlichen Sterne; und sonderlich drei, die glänzten vor allen und warfen ihren Schein zurück in die Gottheit. Da gab er ihr zu erkennen, dass die Funken die Seelen wären, die er aus seiner Gottheit in der Menschen Leib sandte; und sonderlich die drei, das sind die Menschen, mit denen er besondre Wunder tun wollte: „Die müssen von diesem Widerblick immer mehr Sehnen nach mir haben als andre Menschen. Derselben Seelen hast du auch eine.“

Sie hatte vor ihrem Tode ein schmerzliches Siechtum. Da sah sie unsern Herrn an das Kreuz nageln, und er sprach zu ihr: „Soviel es dir möglich ist, so musst du meiner Marter gleich werden.“

Sieben Wochen vor ihrem Tod ward sie eines Tags verzückt, dass man wähnte, die wolle sterben. Als die dann zu sich kam, sprach sie zu ihres Bruders Tochter: „Du sollst nicht mehr Leute zu mir bringen und sollst mich nicht mehr nötigen zu essen, ich fordere es denn.“ Fürbaß nährte sie sich mit geringer leiblicher Speise. Und sprach: ,,Ich weiß die Dinge, die über zwanzig Jahre geschehen sollen, und sonderlich sterben viele Menschen nach mir.“ Das geschah auch.

Sie sprach oft das Wort: „Ich habe Gott so viel, und hätte seiner die ganze Welt so viel, sie hätte sein genug. Und ist ein groß Wunder, dass Gott so völlig in mir wohnt; ein Wunder nur, dass mein Herz nicht bricht!“

In diesen Zeiten ward sie gebeten, dass sie etwas von den Gnaden sage, darinnen sie wäre. Da sprach sie: „Ich ward zum Himmel gerissen und sah den Ausfluss der Gottheit, der da fließt in die Engel und in die Heiligen; das ist mir und allen Menschen unaussprechlich.“ Dann sprach sie: „Könnte ich vor Krankheit reden, ich wollte euch vom Himmelreich große Dinge sagen.“ Am Allerheiligentag sprach sie: „Es sind viel Heilige bei mir gewesen und eine große Schar Engel.“ Da fragte man die, ob sie der Heiligen irgendeinen gekannt hätte. Sie sprach: „Ja, ihrer etliche wohl.“

Es sah eine Schwester, dass sie vor ihrem Tode in einem himmlischen Licht lag. Danach verschied sie mit einem heiligen Ende am neunten Tag nach Allerheiligentag.

Eine Schwester hatte unsern Herrn lang um ein Ding gebeten, nämlich dass er ihr ein Zeichen gäbe, ob sie (Diemut) zum Himmel gefahren wäre, und dass ihr doch diese Bitte gewährt wurde. Und das geschah am selben Tag, in derselben Woche, da sie tot war; da kam sie zu einer Schwester. Da fragte diese, wie sie sich gehabe. Da sprach die: „Ich gehabe mich wohl. Ich genieße die Gottheit so vollkommen und meine Seele hat so große Gnade und Freude durch Gott, dass er dafür gelobt sei, dass er mich nie eine Stunde des Leidens überhob, das ich gehabt; meine Krankheit hat mich gekläret, mein Siechtum hat mich ewiglich gestärket.“ Und sprach zu derselben Schwester: „Laß dir lieb sein, dass du mir gedient hast! Und wäre alle diese Welt rotgolden und solltest du sie genießen, so lang du wolltest, du möchtest sie für den Lohn nicht nehmen, den dir unser Herr darum geben will.“


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Deutsches Nonnenleben