Schwester Diemuet von Nürnberg

Eine Schwester hieß Diemuet von Nürnberg und war die, die unter den ersten Schwestern wohnte und nie verzückt wurde; und in ihrem ganzen Leben tat ihr halt Gott keine besondere Gnade, und sie war doch so ein heiliger Mensch in all ihrem Leben und allen Ordenssachen, in Wachen, Fasten, in Schweigen, in Beten. Da sie nun an ihr Ende kam, da sagte sie uns immer wieder, wie wir uns gegen Gott halten sollten. Sie hatte so große Begierde nach unseres Herrn Leichnam, dass sie, wenn man ihn durch das Siechenhaus trug und ihn einer andern Frau geben wollte, sich nicht enthalten konnte und mit lauter Stimme schrie: „O weh, gebt mir ihn auch!“

Nach ihrem Tod kam sie zu einer Frau, in einem Licht, ohne alles Grauen, ganz wie sie zuvor gegangen war, in dem Ordensgewand. Da beschwor diese Frau sie, dass sie ihr sage, wie es ihr ergangen wäre zu ihrer letzten Stunde. Da sprach sie: „Es ist mir so wohl ergangen, dass Gott gelobt sei, dass ich je zum Menschen geboren ward. Mir hat Gott drei große Gnaden getan bei meinem Tod: es kam der heilige Geist über mich in eines großen Feuers Gestalt, so dass ich wähnte, es wollte die Stube verbrennen, und darum sprach ich zu etlichen Schwestern: — und sie nannte sie — ,Wollt ihr nicht löschen?‘ Die zweite Gnade war: als mir so weh nach unseres Herrn Leichnam war, da kam Sankt Martin in eines Bischofs Weise und hatte sich prächtig angetan wie ein Bischof und gab mir unseres Herrn Leichnam zu meiner letzten Stunde. Die dritte Gnade ist, dass meine Seele ohne Mittel und ohne Aufenthalt in den Himmel gefahren ist, und alle meine Wege waren mit brennenden Lampen behängt, wie in Sankt Benedikts Legende geschrieben steht.“ Davon hatte jene nie etwas gehört. Nun fragte sie, ob sie's sagen oder verschweigen sollte. Da sprach sie: „Du sollst es sagen. Ich bin darum wieder hergekommen, damit unseres Herrn Ehre dadurch gepriesen werde.“ Und dieweil man ihr die Vigilie sang, sah eine Schwester in einem geistlichen Gesicht, dass unser Herr sie den Engeln und Heiligen zeigte und sprach : „Nehmt wahr, dass ich noch ein Herze auf Erdreich hatte, das mich so recht lieb gehabt.“



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Deutsches Nonnenleben