Schwester Cristin von Kornburg

Eine Schwester hieß Cristin von Kornburg. Die war eine emsige Dienerin unseres Herrn Jesu Christi und dem Konvent ein getreuer Freund und ging emsiglich zum Chor und war in alledem fleißig, was dem Chor angehörte, und im Lernen und im Schweigen und in allen Ordensdingen. Sie war ein gerechter Mensch und hatte viel Leidens wegen mancherlei Dinge, doch hatte sie einen gefunden, starken Leib; nun diente sie Gott mit großem Ernst. Sie hatte eine seine Kunst erlernt und kam durch die Gnade Gottes dazu, dass sie zu Tisch große, schwere Bücher deutete.

Als nun die Zeit kam, dass unser Herre ihre Mühsal vollenden wollte, da kam sie ein großes Siechtum an, so dass sie sich bereitete und wähnte, es sollte ihr Ende sein. Das zog sich aber zwei Jahre hin. Zu diesen Zeiten lag sie in großen Schmerzen des Leibes und in großen geistlichen Freuden und in göttlichem Jubilo, recht wie ein trunkener Mensch; denn sie war auch wahrlich trunken vom Cyperer Wein, den man in der Engel Land liest. Dies zeigte sie wohl durch ein ausbrechendes Ungestüm; denn sie hub oft bei Tag und Nacht an und sang mit lauter Stimme den Namen Jesu Christi in großer Süßigkeit. Um diese Zeit zu Weihnachten erschien ihr unsere Frau mit ihrem lieben Kind und tröstete sie gar lieblich und sprach, sie wollte ihr all ihr Leiden, das die je erlitten, mit großen Freuden lohnen. Danach, am obersten Fest (Epiphaniafest), kam ein himmlisches Licht über sie; das sah nicht sie allein, es sahen es andere Schwestern auch, die dessen Zeuge sind. Da wurde sie innerlich entzückt und sah abermals unsere Frau mit ihrem Kind in ihrer Herrlichkeit, wie ihr die drei Könige das Opfer brachten. Danach, zu unserer Kirchweih, nach unserer Frauen Tag nativitas nahm sie zur Primzeit unseren Herrn. Als sie zu sich selber kam, sprach sie: „Könnte ich vor Krankheit, ich wollte euch das Wunder sagen, das Gott mit mir getan hat, und das ich gesehen und gehört habe, so dass wohl dreißig Klöster davon reden könnten.“ Zur Allerheiligenmesse in einer Nacht kam Sankt Johannes Baptista zu ihr — denn er war ihr von allen Heiligen der liebste — einem so großen Licht, dass die Stuben alle erleuchtet wurden, und sprach mit tröstlichen Worten zu ihr: „Ich will bald wieder herkommen mit großen Freuden und will dir alles lohnen, worin du mir je gedient hast.“ Da sprach sie: „O weh, o weh, wie hast du mich so lange in meinem Leiden gelassen! Ich hatte dir das nicht zugetraut.“ Diese Freude vermochte sie nicht zu verhehlen und schrie mit lauter Stimme, so dass alle erwachten, die im Siechenhaus lagen. Danach, zur Sankt Martinsmesse, kam die Jungfrau Sankt Agnes mit der Schar der Jungfrauen in einem großen Licht und sprach zu ihr: „Freue dich der Zeit, die kommen ist, da dich Gott will vergessen machen alles dessen, was du je erlitten hast.“ Denn diese Jungfrau war ihr von allen Jungfrauen die liebste.


Sie hatte fünfzehn Jahre solche Versuchungen, dass sie wähnte, sie wäre der verlorenen Menschen einer. An unserer Frauen Abend Annunziata begann sie ihr Gebet und es fielen ihr diese Worte ein: ,,Alle, die unsere Frau je irgend etwas gebeten haben und die sprechen, sie habe es ihnen abgeschlagen, die sind rechte Lügner; sie schlug nie keinem Menschen etwas ab, der sie mit rechtem Ernst bat.“ Dazu fiel ihr ein: „Wohl allen denen, die Gott vertrauen.“ Und sogleich wurde sie so wohl vertrauend in Gott, dass sie fürder immer mehr göttliche Stärke hatte denn zuvor. Sie erzählte vor ihrem Tode, dass es ihr oft vorgekommen wäre, wenn sie unsern Herrn genommen hatte und auch sonst bei ihrem Gebet, dass sie vor übergroßen Gnaden so voll war, wie ein volles Gefäß von der Menge der Süßigkeit.

Als nun die Zeit kam, wo sie von der Welt scheiden sollte, da sahen etliche Schwestern im Geist, dass ihre Seele allen ihren Gliedern dankte, dass sie Gott so wohl gedient hatten. Da kam unser Herr Jesus Christus und seine liebe Mutter mit allem himmlischen Heer. Da sprach sie: „Herre, ich will nur mit dir!“ Damit fuhr sie in die ewige Freude, ohne alle Pein und ohne alle Vermittlung. Diese Dinge wurden nach ihrem Tode etlichen Personen geoffenbart.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Deutsches Nonnenleben