Schwester Alheit

Eine Schwester hieß Alheit und wohnte auf unserm Hof und war eine Begine gewesen und war ein guter Mensch und hörte gewöhnlich die Messe mit großer Andacht und wusste auch künftige Dinge. Da erblindete sie vor ihrem Tod und wollte nicht mehr zur Konventversammlung gehen. Da sprach eine Stimme zu ihr: „Du sollst es wegen deines Gesichtes nicht lassen, du sollst hingehen.“

Als die Zeit kam, wo unser Herre ihr Leben enden wollte, lag sie mit großer Andacht und sang diese Worte:


Freu' dich, Tochter Syon,
schöne Botschaft kommet dir:
du sollst singen süßen Ton
nach deines ganzen Herzens Gier.
Du bist worden Gottes Schrein;
darum sollst du fröhlich sein
und sollst nicht leiden Herzenspein.
Wohl heran zum Reihen,
den schöne Kinder wollen sehen.
Jubilieren, meditieren,
jubilieren, kontemplieren,
jubilieren, spekulieren,
jubilieren, konkordieren.


Diese Worte sang sie emsiglich vor ihrem Tod und sonderlich des Tages, da sie starb, und des Tages zuvor, so dass sie so lange sang, als man die sieben Psalmen hatte lesen können.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Deutsches Nonnenleben