Schwester Alheit von Trochau

Es war eine Schwester, die hieß Alheit von Trochau, die hatte von ihren kindlichen Tagen an einen weissagenden Geist gehabt. Dieweil sie noch in der Welt war, sprach sie zur Mutter: „Es wird noch künftig sein, dass mein Vater und meine schönste Schwester aussätzig werden.“ Da sprach sie eines Tages: „Es sitzt mein Vater zu Regensburg und hat alles das verspielt, was er hatte, und hat verboten, dass man dir irgend was davon sage.“ Solcher Dinge sagte das Kind viel; da kam es in den Leumund, dass die Leute sprachen, es wäre eine Weissagerin.

Wie sie in unser Kloster kam, da ward sie eines Nachts verzückt und kam an die Stelle, wo die ungetauften Kindlein hinkommen. Da flohen sie die Kindlein und taten sie schmähen. Da sprach sie: „Warum flieht ihr mich?“ Da antworteten sie ihr: „Das tun wir darum, weil wir durch die Erbsünde hieher gekommen sind und Gottes Augen nimmermehr sehen. Du kannst es aber wohl noch bessern; darum tun wir dir kund, dass du nicht recht getauft bist.“ Dann nach etlichen Tagen lag sie nach der Mette vor unserm Altar in dem Chorraum und wurde abermals verzückt und kam vor unseres Herrn Gericht, ganz in der Weite, wie das Evangelium sagt, so dass die guten Engel die zu der rechten Seite auslasen, und die bösen die zu der linken Seite. Da lief sie selber zu den Erwählten. Da sprach unser Herr zu den Engeln; „Rufet Alheiden, sie soll nicht zu meiner rechten Hand stehen, sie ist nicht recht getauft.“ Da sprach sie zu den Engeln: „Euch ist nie weh durch Gott geschehen; aber mir ist oft weh geschehen durch ihn. Ich will nicht durch euren Willen von meinem Herrn gehen.“ Da sprachen die Engel zu unserm Herrn: „Herre, die hat uns vorgeworfen, uns sei nie weh durch deinen Willen geschehen, sie wolle nicht durch untern Willen von dannen gehen.“ Da rief unser Herr Maria Magdalena und sprach: „Sprich zu Alheiden, dass die von meiner rechten Seite gehe.“ Da sprach sie zu Maria Magdalena: „Es sagt das Evangelium, dass unser Herr sieben Teufel aus dir trieb; ich aber weiß nicht, dass ich je Todsünde getan hatte.“ Da sandte er Sankt Paulus dar; zu dem sprach sie, er wäre ein Verächter der Christenheit gewesen, sie wollte durch seinen Willen nicht von ihrem Herrn gehen. Da sandte er Petrus zu ihr; dem warf sie vor, er hätte untern Herrn dreimal verleugnet; das hätte sie nie getan. Da sandte er Johannes Baptista dar. Da sprach sie: „Wer bist du?“ Da sprach er: „Ich bin's, Johannes der Täufer.“ Da sprach sie: „Hast du andre Leute getauft und mich willst du verdammen? So musst du mich auch taufen.“ Da stürzte sie vor ihm nieder und hielt ihn fest. Da tat er ihr das Hemd ab und goss ein Schäfflein Wasser über sie. Und das sahen alle die wohl, die in den Chorraum gingen, dass das Wasser da schwamm. Nun sagte sie es der Priorin. Da schrieben sie es dem Prior von Regensburg, damit er darüber disputieren ließe, was man mit der Schwester tun sollte. Da kamen die Prediger her und sprachen, sie hätten darüber gelesen: es wäre eine Taufe der Gnaden, man sollte ihr doch ihr christliches Recht tun. Da sandten die Prediger nach ihrer Mutter und fragten sie, wie sie getauft wäre. Da sprach ihre Mutter: „Ich weiß nur: sie wurde schnell getauft. Doch ist hier eine Frau mit mir, die hat sie mit ihren Händen getauft.“ Da fragte man die Frau, wie sie ihr getan hätte. Da sprach sie: „Ich hab' ihr's ganz richtig getan: in des guten Herrn Sankt Niklaus Namen hab' ich sie getauft.“ Da nahmen sie die Prediger und tauften sie nun und wurden selber ihre Paten; Bruder Heinrich von Abbach war ihrer einer.


Danach tat ihr unser Herr solch große Gnade: in der Leidenswoche wurde sie verzückt bis an den Osterabend und sah alle die Dinge, die an unserm Herrn ergangen waren, und nahm wahr, dass er, als man ihn an der Säule schlug, beim dritten Schlag blutete. Da sprach er am Kreuz zu ihr: „Du Geminnte, das hab' ich für dich erlitten. Was leidest du für mich?“

Da sie noch jung war und nicht voll erwachsen, sprach unser Herr zu ihr: „Ich will dir eine große Gestalt geben, und du würdest auch die gewaltigste Priorin werden, die je in diesem Kloster war, und auch die seligste. Ich kann aber dann meiner Gnade Spiel nicht mit dir treiben, wie ich sonst täte. Nun wähle, was du willst.“ Da sprach sie: „Nein, Herre, ich kann deiner Gnaden nicht entbehren.“ Da sprach unser Herre: „Hab dessen zur Urkunde, dass du ferner nimmermehr länger wirst und dass ich noch groß Wunder mit dir treiben will.“

Der Teufel tat ihr großes Leid: er riet ihr, sie solle aus dem Kloster gehen, so wurde sie die seligste und die reichste unter allen ihres Geschlechtes. Er kam etwann in einer Schwester Gestalt und holte sie aus dem Chor und sprach, dass sie den Frauen in irgendwas dienen solle; und wenn sie dann aus dem Chor kam, so verschwand er. Als sie dann bei ihrem Gebet war, sprach er: „Bet du nur zu! Wenn du dann alt bist, so kannst du nichts mehr tun. Aber da sprach die: „So hab ich doch das noch vor mir.

Eines Nachts kam er zu ihr und wollte ihr einen Brief vorlesen. Da kam ihr Engel und nahm ihm den Brief und vertilgte ihn mit seiner Hand und warf ihn vor das Bett und sprach: „Du schöne Minnerin, ich bin dir zu Hilfe gekommen; es wäre unmöglich gewesen, hättest du ihn gehört, dass du je wieder ein reines Herz gewonnen hättest.“ Des Morgens, da fand man den Brief, wie er von dem Engel vertilgt worden war.

Da sie das Gehorsamsgelübde tun sollte, wollte es die Priorin nicht abnehmen, da ihr Vater unter den Aussätzigen war. Da wurde sie so sehr betrübt, dass die vor ein Kruzifix ging, das man noch vorzeigt, und weinte so sehr, dass ihm seine Füße naß wurden. Da nahm unser Herr die Hand vom Kreuz und richtete sie selber auf und sprach zu ihr: ,,Richte dich auf, ich will dir selber zum Gehorsamsgelübde verhelfen.“ Kürzlich danach fügte es sich, daß der Praitensteiner die Priorin zieh, sie hätte ihn verraten. Da musste sie unschuldigerweise nach Regensburg ins Kloster zum heiligen Kreuz entweichen; dort war sie lang. Da wählte man eine andere Priorin, die nahm ihren Gehorsam willig an.

Es ward ein Edelmann enthauptet, der war einer Schwester der liebste aller Menschen; davon wußte niemand. Da ging Alheit hin und sprach, dass man Gott für ihn bitten solle, er hatte den Leib verloren. Er war fern von dem Kloster.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Deutsches Nonnenleben