Schwester Alheit von Roet

Eine hieß Schwester Alheit von Roet, die war eine Witwe und brachte ein Töchterlein mit sich in das Kloster, das hieß Irmelin. Mit diesem Kinde hub unser Herre sogleich an und beging die größten Wunder an ihm. Eines Tages, als es um zwölf Jahre war, saß es mit andern Kindern an einem Fasttag zu Tisch. Da war der Kinder Meisterin weggegangen. Da fingen die andern Kinder zu reden an; da fiel es nieder und ward ohnmächtig. Als es doch wieder zu sich kam, da fragten sie es, was ihm geworden wäre. Da sprach es: „Ach wehe, ihr Kinder, ihr sollt doch schweigen bei Tisch. Ich habe einen so gräulichen Teufel gesehen, der hat alle eure Worte aufgeschrieben. Davon bin ich ohnmächtig worden.“

Und wenn es bei seinem Gebet war, so war es so heiß entflammt wie ein Mensch, der nicht bei Sinnen ist. Und wenn irgendwer mit ihm redete und es vom Gebet weggehen hieß, so sprach es: „Ach weh, Kinder, wie ihr mich in großen Gnaden stört!“


Es war ein Vorbild in all seinem Leben und nahm sich gar eines harten Lebens an. Da nun die Zeit kam, wo der Bischof kommen und krönen wollte, wie es Gewohnheit war, da gab man ihm unseres Herrn Leichnam. Am selben Tag, als es zu Tisch kam, ging unser Herre mit seinen Engeln ins Refektorium und stellte sich vor es und redete gar minniglich mit ihm, so dass sich alle darob wunderten, die gegenüber am Tisch waren und seine Gegenantwort hörten; unseres Herrn Rede aber hörten die nicht.

Wenn es bei Leuten und gar fröhlich war, warf es die Augen zum Himmel auf und sprach: „Ach weh, wann kommt die Zeit, dass wir zu ewigem Leben und Freuden kommen?“ Und wurde dann traurig und lachte nimmer. Das trieb es gar beständig. Da wurde es von den Schwestern gefragt, was es damit meine. Da sprach es: „Wenn ich bei den Leuten und fröhlich bin, so gedenke ich an die unsägliche Freude des Himmels, die uns künftig ist; so kann ich mich dann nicht enthalten, wie ihr wohl an mir seht.“

Es blühte wie eine Himmelsrose in allen Tugenden und brannte wie eine Fackel in der Minne Gottes. Sein Leumund war groß vor Gott und vor den Leuten. Da diese selige Schwester an ihr Ende kam, da sah der heilige Mann, der Ulschalk, als er sein Gebet sprach, dass das Krankenhaus voll weißer Tauben war. Da nahm ihn groß wunder, von wannen die Tauben alle gekommen wären. Indessen schlug man ihres Todes wegen an die Tafel. Da besann er sich wohl, dass es ob ihres heiligen Lebens war und stand bei ihr, bis sie verschied.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Deutsches Nonnenleben