Hier fängt ihr seliges Leben an

Diese selige Schwester Elisabeth war gebürtig aus der Stadt Zürich im Konstanzer Bistum und von gutem, ritterlichem Geschlecht. Und in ihren jungen Tagen ward sie Gott dem Herrn geopfert zum geistlichen Leben in einem Predigerorden, in einem Kloster, genannt Töß. Und nachdem ihre Kindertage vergangen waren und die im Orden bestätigt war und Gehorsam gelobt und verheißen hatte, da wurde ihr wohlgeordnetes Leben im Orden erst eigentlich durch die rechten Mittel erzogen, also dass sie gar geistreiche Erkenntnis gewann und auch hohe geistliche Dinge wohl verstehen konnte und ihr Leben danach richten. Die edle Wendung, die sie zu Gott nahm mit Herzen und Seele, war so kräftig, dass ihr alle weltlichen, sündigen, eitlen Sachen entfielen, mit denen so mancher Mensch seine ewige Seligkeit versäumt. Aber all ihr Fleiß war ein Trachten nach geistlicher Lehre, damit sie zu einem seligen, vollkommenen Leben gewiesen werden möchte, wonach alle ihre Begierde rang. Sie gewann Kundschaft von etlichen weisen, gelehrten, heiligen Gottesfreunden, besonders von den seligen Brüdern, die in ihrem heiligen Predigerorden waren; unter ihnen gewann die auch Kunde vom heiligen, hohen Meister Bruder Eckardus, von dem, wie auch von einigen andern, die gar viel guter, nützlicher Lehre empfing. Da schrieb sie auf, was ihr von solchen seligen Personen irgend Lustliches werden mochte, das die und andre Menschen zu göttlichen Tugenden fördern könnte. Sie tat wie die geschäftigen Bienlein, die den süßen Honig aus den mannigfaltigen Blumen eintragen. Und wiewohl zu ihren Zeiten viel selige Schwestern in dem Kloster Töß waren, so übertraf sie doch an heiliger Vornehmheit die andern und leuchtete voll Klarheit unter ihnen als ein Spiegel aller Tugenden.

Nun lebte zu derselben Zeit ein vielheiliger Mann des Predigerordens im Konvent zu Konstanz; des Namen war geheißen Bruder Heinrich, mit dem gewöhnlichen Namen nennen wir ihn den Seüssen (Seuse). Der war nicht allein hervorragend durch hohe Tugenden und überschwängliche Heiligkeit, sondern auch ausgezeichnet in der göttlichen Kunst der heiligen Schrift und in der Weisheit heilsamer Lehre. Und das war insonderheit seine Begierde, dass er möchte heißen und sein ein Diener der ewigen Weisheit. Da nun dieselbe selige Schwester Elisabeth Kunde gewann von diesem heiligen Bruder des Predigerordens, ward die von Gott mit großer Andacht zu seinem Leben und seiner Lehre getrieben. Nun war aber diese Schwester ein gar mühseliger, leidender Mensch; darum begehrte die oft von ihm, dass er ihr etwas sage vom Leiden aus eigener Empfindung, damit ihr leidendes Herz daraus Kraft nehmen möge. Und das trieb die viel Zeit, wenn er zu ihr kam.


Also zog diese Schwester aus dem guten Bruder mit vertraulichen Fragen die Art und Weise seines Anfanges und Fortganges und etliche Übungen und Leiden, die er gehabt, heraus. Nun kannte er ihre Absicht nicht aus dem Grunde und sagte es ihr nur zu ihrer Besserung in göttlicher Heimlichkeit. Sie aber schrieb alles auf, sich und andern Menschen zu einem Behelf, und tat dies verborgen vor ihm. Später, als er dieses geistlichen Diebstahles inne ward, da bestrafte er die darob, und die musste es ihm herausgeben. Er nahm es und verbrannte alles, was er davon bekam. Da ihm aber das andere Teil auch gegeben wurde und er es ebenfalls verbrennen wollte, da ward dies durch eine himmlische Botschaft von Gott, die ihm geschah, verhindert. Also machte die hernach ein schönes Buch daraus, das wir mit dem gewöhnlichen Namen das Seussen-Buch nennen. Aber weil er sie überlebte, kam dieses Buch später an ihn; da ordnete er es zu einer rechten Form und schrieb noch etliche gute Dinge mehr dazu in ihrem Namen. Dazumal, als die Schwester aber das Buch noch in Schriftbogen heimlich verborgen hielt, da gab die es einer andern Schwester in einer verschlossenen Lade zu bewahren und verbergen. Da kam eine andre gute Schwester zu der, die es bewahrte, und sprach: „Eia, liebe Schwester, was hast du für ein verborgenes göttliches Wunder in deiner Lade? Lug, mir war heute Nacht in einem Traum, als stünde ein junger, himmlischer Knab in deiner Lade, der hatte ein süßes Saitenspiel in seiner Hand, das man Röböblein nennt, und darauf spielte er einen geistlichen Reigen; der war so lockend, dass männiglich davon Luft und geistliche Freude empfing. Ich bitte dich, gib es heraus, was du verschlossen hast, damit wir andern es auch lesen.“ Doch jene schwieg und wollte ihr davon nichts sagen, weil es ihr verboten war.

Im ersten Anfang wurden dieser seligen Schwester Elisabeth gar hohe, vernünftige, überschwängliche Gedanken dargereicht, von der reinen Gottheit, von aller Dinge Nichtigkeit, vom Lassen seiner selbst in das Nicht, von aller Bilder Bildlosigkeit und von mannigfaltigen solchen Erkenntnissen. Diese Lehre war gut in sich selbst, aber sie konnte nicht guttun, weil hinter solcherlei großer, verborgener Schaden für einfaltige und anfangende Menschen liegen kann. Nun begehrte diese Schwester vom seligen Vater Heinrich, dem Diener der ewigen Weisheit, dass er ihr in solchen Dingen zu Hilfe käme, grobe Lehre unterwegen ließe und ihr von hohen Gedanken schriebe. Er antwortete ihr also: „Rechte Seligkeit liegt nicht an schönen Worten, sie liegt an guten Werken; fragst du aber nach solch hohen Sachen um einer lebendigen Erfüllung willen, so rate ich dir dennoch, dass du davon lassest; und nimm solches für dich, was dir gemäß ist; denn du scheinst noch eine ungeübte Schwester. Halte dir das Bild der Freunde Gottes vor, wie sie sich zuerst übten, mit Christus zu leben und zu leiden; denn also wird ein anfangender Mensch angetrieben und vorwärts gewiesen in das Nächstkommende. Wiewohl es geschieht, dass Gott, der Herr, solches einem Menschen in einem Augenblick zu geben vermag, so pflegt er das doch nicht gewöhnlich zu tun. Sondern es muss gemeiniglich erlitten und erstritten und erarbeitet werden.“ Sie sprach zu ihm also: „Lieber Vater, wisset, dass meine Begierde nicht steht nach klugen Worten; sie steht nach heiligem Leben; und das recht und redlich zu erreichen, hab ich Mut, wie weh das auch tun mag; es sei Leiden, Meiden oder Sterben oder was es ist, was mich weiter zum Nächsten bringen kann, das muss ausgehalten werden. Und erschrecket nicht ob meiner kranken, zarten, fraulichen Natur; denn was ihr auszuhalten befohlen, das der Natur wehtut, das getraue ich mich zu erfüllen mit Gottes Hilfe. Und fängt zuerst beim Niedersten an und weiset mich hindurch, wie man ein junges Schülerlein zuerst lehret, was der Kindheit zugehört, und es nach und nach weiter weiset, bis es selber ein Meister der Kunst wird.“ Also fing der heilige Vater an, die selige Schwester Elisabeth zu einem anfangenden guten Leben anzuweisen und belehrte die unter andern Dingen, dass sie vor allem ihr Gewissen durch eine ganze, lautere Beicht reinigen möge, in dieser Beichte mit gutem Fleiß bereute nach Vermögen, damit ihr ihre Sünden von Gott vergeben würden durch den Beichtvater, so wie es der lieben heiligen Maria Magdalena geschah. Diesen heilsamen, guten Rat ergriff die selige Schwester mit Begierde und meinte, dass dieser selbe heilige Vater der Beste wäre, dem sie beichten könnte. Nun lagen die Sachen aber so, dass die Beichte in mündlichen Worten nicht zu geschehen vermochte. Da nahm die ihr ganzes Leben vor, das in Wahrheit rein und lauter war, und wo sie sich irgend nach ihrem Meinen verschuldet hatte, das schrieb sie auf eine große wächserne Tafel, sandte ihm die also verschlossen und bat ihn, er möge ihr den Ablass sprechen von ihren Sünden. Und es fügte sich dieses Morgens in der Früh, da der heilige Vater die Tafel noch nicht empfangen hatte, auch von der Sache noch nichts wusste und er in seinem andächtigem Gebet war und sich nach dem Gebet an ein stilles Ruheplätzchen setzte, dass ihm die äußeren Sinne vergingen. Da waren vor ihm viele der göttlichen Geheimnisse und unter anderm ward ihm einleuchtend, wie Gott der Engel Natur nach ihrer Art und Weise gesondert hat und wie er einem jeglichen also seine besondere Eigenschaft nach besonderer, geordneter Unterschiedenheit von den andern gegeben hat, was in Worten nicht wohl zu sagen ist. Und wie er nun eine gute Weile mit den englischen Jünglingen himmlische Kurzweil getrieben hatte und er in seinem Gemüt fröhlich war von dem überströmenden Wunder, das seine Seele erfahren hatte, da war es ihm in dem nämlichen Gesicht, als käme diese heilige Schwester Elisabeth hereingegangen und stünde da vor ihm, wo er unter dem englischen Gesinde saß. Und mit großem Ernst kniete die vor ihm nieder und neigte ihr Antlitz auf sein Herz und also kniete die eine gute Weile, so dass es die heiligen Engel, die dabei standen, mit ansahen. Den Bruder nahm die Kühnheit der Schwester wunder; doch es stund ihr so heilig an, dass er es ihr gütlich gestattete. Und nach einer guten Weile richtete die sich wieder auf. Da war ihr Antlitz so fröhlich und von so gnadenreichem Ansehen, dass es offenbar wurde, dass ihr Gott besondere Gnade getan hatte und noch mehr tun wollte. Als nun desselben Tages dem Diener der ewigen Weisheit die Beichttafel gebracht wurde und er die zu Ende las, da stand zuletzt darin also: „Nun falle ich sündiger Mensch vor eure Füße und bitte euch, dass ihr mich wiederbringt in das göttliche Herz und dass ich euer geistliches Kind heiße in Zeit und in Ewigkeit.“ Von der heiligen Tochter wohlvertrauenden Andacht ward der selige Vater herzlich bewegt und er sprach zu Gott empor also: „Eia, lieber Herre mein, ich falle mit ihr vor deine gewaltigen Füße und bitte dich, dass du sie erhörest. Sie sucht den Reichtum des Herrn in seinem Knecht; lass die empfangen nach ihrem guten Glauben. Sprich ein tröstlich Wörtlein zu ihr, sprich also: Confide filia, fides tua te salvam fecit: Dein guter Glaube hat dich gerettet! Und gewähre es an meiner Statt; denn ich habe das Meine getan und ihr einen ganzen Ablass aller ihrer Sunden gewünscht.“ Als dies alles geschehen war, da sandte er ihr wieder denselben Boten und schrieb ihr, wie es ihrer Begierde ergangen war, wie ihm alles zuvor geoffenbart worden sei durch Gott und wie ihr Gott Gnade getan habe. Da ward die viel froh und lobte Gott, von dem ihr die Gnade widerfahren war.

Nach allen diesen Dingen tröstete und stärkte der heilige Vater Bruder Heinrich, der würdige Diener der ewigen Weisheit, die selige Schwester Elsbeth mit mannigfaltiger heilsamer geistlicher, guter Lehr; und besonders sandte er ihr die Bilder und die Lehre der heiligen Altvater, die da unter andern Dingen von großer, strenger Härtigkeit (gegen sich selbst) und mancherlei Abbruch tagt. Da meinte die gute Tochter, ihr geistlicher Vater hatte ihr das in der Meinung gesandt, dass die nach der heiligen Altväter strenger Weise auch ihren Leib mit großer Kasteiung üben sollte. Und also fing die an, sich selbst Abbruch zu tun, sich zu peinigen mit härenen Hemden und mit Seilen und gräulichen Banden und mit scharfen eisernen Nägeln und dergleichen viel. Als die dies eine Zeit getrieben hatte und er dessen inne ward, da verbot er ihr es ganz und gar und sprach unter andern Worten zu ihr also: „Unser lieber Herr Jesus Christ sprach nicht: nehmet mein Kreuz auf euch, sondern: jeder Mensch nehme sein Kreuz auf sich. Du sollst nicht darnach trachten, der Altväter Strengheit zu erreichen, noch auch meine harte Übung; du sollst dir aber daraus ein Kreuz machen, indem du erweisest, dass die Untugenden in dir sterben, du selbst aber mit dem Leibe lange lebest.“ Das wunderte nun die selige Schwester, warum er ihr das wehrte, an sich selbst hingegen die allerschwerste, härteste und größte Übung vornahm. Da antwortete er ihr und sprach unter andern Worten also: „Die auserwählten Gottesfreunde haben gar ungleiche Übung gehabt; wer kann aber all das Wunder ausführen, als der Herr, der wunderbare Taten tut in seinen Freunden und um seiner hohen Herrlichkeit willen auf mancherlei Weisen geehrt werden will? Darum sind wir auch ungleich von Natur. Was dem einen Menschen gut und angemessen ist, das fügt sich dem andern nicht; schaue aber ein jeglicher Mensch mit Fleiß zu sich selbst und merke gar eben, was Gott von ihm wolle und tue sich darin genug und lasse andere Dinge bleiben. Denn, allgemein zu sprechen, so ist es viel besser, mäßige Strenge zu üben als übermäßige. Sintemal es beschwerlich ist, das Mittelmaß zu finden und recht zu fassen, so ist besser, ein Kleines darunter zu bleiben, denn zu viel darüber zu wagen. Es geschieht oft, wenn man der Natur zu ungehörig abbricht, dass man ihr danach zu ungehörig wiedergeben muss. Ein so strenges Leben mag solchen Menschen nütze sein, die sich selber zu zart halten und ihre widerspenstige Natur zu ihrem ewigen Schaden zu mutwillig gebrauchen. Das gehört über dir und deinesgleichen nicht zu, die ihr eure Natur ordentlich gerichtet habt. Gott hat allerhand Kreuz, womit er seine Freunde büßen lässt; darum, so verseh ich mich wohl, Tochter, dass Gott ein ander Kreuz auf deinen Rücken legen will, das dir noch peinvoller wird als solcherlei Kasteiung. Dasselbe Kreuz empfange geduldiglich, so es dir kommen wird.“

Also fügte es sich hernach, da noch nicht viel Zeit hingegangen war, dass Gott die selige Schwester Elsbeth mit langwieriger Krankheit ergriff, so dass die an ihrem Leib eine sieche, abgezehrte Elende ward bis zu ihrem Tod. Sie schickte dem heiligen Vater heimlich die Botschaft, dass es ihr ergangen sei, wie er ihr vorausgesagt. Er sandte hinwieder zu ihr und schrieb ihr also: „Wisse, liebe Tochter, dass Gott nicht allein dich damit getroffen hat, sondern er hat auch mich in dir beraubt; denn ich habe niemand mehr, der mit solchem Fleiß und frommer Treue geholfen hat, meine Büchlein zu vollbringen, wie du es tatest, dieweil du gesund warst. Und darum hab ich Gott den Herrn getreulich für dich gebeten, möchte es sein Wille sein, dass er dir dann Gesundheit gebe. Und da mich Gott nicht schnell erhören wollte, schau, da zürnte ich mit Gott in einem freundlichen Zürnen und meinte, ich wollte vom minniglichen Gott nicht mehr Büchlein machen und wollte auch meinen fröhlichen, gewöhnlichen Morgengruß aus Unmut unterlassen, wenn er dich nicht wieder gesund machte. Und da ich mich so in dieser Unruhe meines Herzens nach meiner Gewohnheit in unserer Kapelle niedersetzte, da entsanken mir die Sinne, und es dünkte mich, es käme eine Engelschar herein in die Kapelle, und sie sangen einen himmlischen Gesang mir zu Trost, da sie mich hier in besonderem Leiden wussten und fragten mich, warum ich so traurig sei und nicht auch mit ihnen singe. Da sagte ich ihnen meine ungeziemliche Abwendung, die ich deinetwegen dem lieben Gott gegenüber hatte, weil er mein Gebet um deine Gesundheit nicht erhört habe. Da meinten die himmlischen Geister, die heiligen Engel, ich sollte nicht also tun und davon ablasen; denn Gott hatte die Krankheit zum allerbesten über dich verhängt. Und das sollte dein Kreuz sein in dieser Zeit, dadurch solltest du erwerben große Gnade hie und mannigfaltigen Lohn im Himmelreich. Darum, so sei geduldig, Tochter mein, und nimm es auf als freundliche Gabe vom minniglichen Gott!“

Also blieb diese selige Schwester Elsbeth ein sehr kranker Mensch gar viel Zeit, bis an ihren Tod und blieb in großer, dankbarer Geduldigkeit und wuchs empor zu mannigfachen Tugenden und in hohem, heiligem Leben. Und es fügte sich so, dass ihr geistlicher Vater oft zu ihr kam und ihre Schwäche, leidende Person mit göttlicher, guter Tröstung erlabte. Er sagte ihr etwa von seiner kindlichen Andacht, wie er Gott in seiner Kindheit gedient hatte, was einem frommen Gemüt gar luftvoll zu hören ist, und gar viel andres sagte er ihr: manchmal von äußerlichem Leiden, manchmal von innerlichem Leiden und wie Leiden beschaffen; wie nütz es ihm sei, dass er dessen so recht viel erlitten habe. Zuweilen wurden die auch so emporgezogen in Gott, dass sie von überaus hohen, göttlichen Dingen redeten und die selige Schwester solch göttlichen Trost davon empfing, wenn die ihren geistlichen Vater so minniglich von Gott reden hörte, dass die sprach: „Ach, wie ist meinem Herzen! Ich schwebe in der Gottheit, wie ein Adler in der Luft!“

Was aber die minniglichen schönen Worte und Reden gewesen sind, die sie gesprochen, das steht zum guten Teil in dem Buch geschrieben, das wir das Seusebuch heißen, im zweiten Teil dieses Buches, das da anfängt: Confide filia bis an das Ende des Buches. Er sagte ihr auch oft, welch großer Nutzen und mannigfaltige Gnade verborgen sei in dem heiligen minniglichen Namen Jesus, wie er diesen aus großer Liebe und Andacht in das Fleisch und Blut der Brust seines Herzens geschrieben habe und also diesen Namen sichtbarlich auf seinem Herzen trage. Da gewann die dafür große Andacht und nähte diesen Namen mit roter Seide auf ein kleines Tüchlein in folgender Gestalt: . . . das wollte sie selber heimlich tragen; und machte gleich diesem noch unzählig viel Namen und bewirkte, dass der selige Vater Heinrich, der würdige Diener der ewigen Weisheit, diese Namen alle auf sein bloßes Herz legte und die mit einem frommen Segen seinen geistlichen Kindern dahin und dorthin sandte. Und es fügte sich, dass Gott der Herr der seligen Schwester kundtat, wer den Namen Jesus derart bei sich trüge und täglich ein Paternoster spräche, dem wollte Gott hier gütlich tun und ihn begnaden auf seiner letzten Hinfahrt.

Als nun diese heilige Tochter, die selige Schwester Elsbeth, von ihrem geistlichen Vater, dem vielseligen Gottesmann, so adelig geführt worden war zur ganzen christlichen Wahrheit, mit gutem Bescheid aller Wege, die da in hoher Seligkeit enden, und die alles so wohl begriffen hatte, als man es in dieser Zeit vermag: da schrieb er ihr im legten Brief unter andern Dingen also: „Wohlan, Tochter, gib der Kreatur Abschied und lass dein Fragen fürder sein; lausche selbst, was Gott in dir spricht! Du magst dich wohl freuen, dass dir geworden ist, was manchem Menschen verborgen bleibt. Wie sauer es dir auch geworden ist, das ist nun alles dahin mit der Zeit; du hast nun fürbaß nichts mehr zu tun als göttlichen Frieden in stiller Ruhe zu haben und fröhlich der Stunde deines zeitlichen Vergehens in die vollkommen ewige Seligkeit zu harren.“

Die Schwester sprach: „Gelobt sei die ewige Wahrheit, dass ich durch eure weisen, lebendigen Worte so schön gewiesen worden bin im erden Beginnen eines anfangenden Menschen und in den ordentlichen Mitteln: Meiden und Leiden und Üben eines zunehmenden Menschen, und mit guter Klarheit in die rechte Art der allernächsten reinen Wahrheit. Darum sei Gott ewiglich gelobt!“

Also geschah es, dass sie ihr hohes, heiliges Leben zu einem allerbesten Ende brachte; und kurz danach nahm sie durch den Tod ein vielseliges Ende, wie auch ihr Leben selig gewesen war, und wurde würdiglich bestattet und begraben in demselben Kloster Töß. Und nach ihrem Tod bezeigte unser lieber Herr offenbarlich mit Wunderzeichen und Mirakeln, die da geschahen, dass er sie in der Ewigkeit seinen auserwählten Heiligen gleichgemacht hatte, wie er sie auch in der Zeit ihnen gleichen ließ in vollkommenem Leben. So fügte es sich durch göttliche Anordnung unter andern Wundem, dass sie alsbald nach ihrem Tode ihrem geistlichen Vater, dem seligen Bruder Heinrich erschien, in Gestalt einer Abgeschiedenen, leuchtend in schneeweißem Gewand, wohl gezieret mit lichtreicher Klarheit, voll himmlischer Freuden. Sie trat hin zu ihm und zeigte ihm, wie herrlich sie in die reine Gottheit eingegangen sei; das sah und hörte er mit Luft und mit Freuden, und es ward seine Seele ob dieses Gesichtes voll göttlichen Trostes. Und da er wieder zu sich selber kam, da seufzte er inniglich und gedachte: „Ach Gott, wie selig der Mensch ist, der um dich allein wirbt! Er mag gerne leiden, wenn du ihn seines Leidens also ergeben willst.“

Also hat man nun wohl aus diesen kurzen Worten das heilige und hochwürdige Leben dieser seligen Schwester verstanden und dass sie damit das ewige Leben erlangt hat. Und darum, sintemal du nun vor dem Anblick Gottes bist, so bitte ich dich, ich armer, sündiger Bruder, o vielselige Mutter Elsbeth, dass du mir von Gott, dem Herrn,, den du so herzlich lieb gehabt hast, erwerben wollest, dass mein mangelhaftes, säumiges Leben auf den allerliebsten Willen Gottes gerichtet werde. Und da ich mein vergängliches, armseliges, sterbliches Leben in derselben Stadt empfangen habe, wo deine würdige Person auch ihren zeitlichen Ursprung genommen hat, so bitte ich deine mütterliche Treue, du mögest mir erwerben, dass ich das ewige, unsterbliche Leben nach meiner letzten Hinfahrt in der heiligen Stadt des himmlischen Jerusalems empfange, so wie du es mit Freuden empfangen hast und ewiglich leben darfst vor dem minniglichen Anblick Gottes des Herrn. Und also bitten wir dich alle, Herr Jesu Christo, du ewige Weisheit, dass du uns helfest, Nutzen und Freude gewinnen an dieser heiligen Schwester Elsbeth und ihrem geistlichen, seligen Vater, deinem getreuen Diener, und allen deinen lieben Freunden, auf dass wir ewiglich dein göttliches Antlitz schauen: Quod nobis prestare dignetur idem Jesus Christus, eterna sapiencia, filius virginis, Qui cum patre et spiritu sancto vivit et regnat in secula seculorum, amen.

Explicit vita sororis Elisabet Staglin composita collecta per quendam fratrem Turicensem de conventu Bassiliensi ordinis predicatorum, anno domini M°ccccliiij.



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Deutsches Nonnenleben