Tagesgang und Jahreskreis
Das Siebengestirn der horae canonicae: Mette, Prim, Terz, Sext, Non, Vesper, Komplet steht unverrückbar über dem äußeren und inneren Leben der Nonne. Noch tief in der Nacht sammelt die Mette (Matutin) die Frauen im Chorraum zu Gebet und Gesang. Die Zwischenzeit bis zur Prim gehört wieder dem Schlaf; aber so manche gönnt sich diese Ruhe nicht, bleibt kniend im Betgestühl und erfüllt diese geheimnisgraue Stunde der ersten Frühe mit tiefster Versenkung. Das ist die visionenschwangere Zeit, die in Dunkelheit und Todesstille ihre inneren Stimmen und Lichterscheinungen gebiert. Andere nehmen um diese noch nächtliche Stunde wohl auch gemeinsam ihre Disziplin (Geißelung), „so dass es einem vor dem Kapitelhaus grausig zumute wurde“. Die Prim mit der stillen Messe im Anschluß eröffnet dann das eigentliche Tagewerk. Es bestand meist in gemeinsamer Handarbeit (gewöhnlich Spinnen) im Werkhaus. Schwestern, die sich auf „höhere Künste“ verstanden, saßen in der großen Schreibstube und fertigten Bücher, noch öfter Notenabschriften für den Chorgesang an. Die Novizenmeisterin unterwies die Anfänger im Lesen und Latein und hörte sie Psalter und Sequenzen ab. Die Arbeit wurde jeweils durch die weiteren „Tagzeiten“ unterbrochen, zu denen die Glocke wieder in den Chor rief. Diesem Glockenzeichen unverweilt Folge zu leisten, galt als besonders verdienstlich, und die Chroniken versäumen nicht, solch rasche Bereitwilligkeit rühmend hervorzuheben (Töß, S. 155 u. a.). Das gemeinschaftliche Mittagsmahl wurde um die Nonzeit im Refektorium eingenommen und war von Vorlesung begleitet. Die Kost scheint einfach gewesen zu sein. Die Erholungszeit konnte im Winter auf der heizbaren Kemenate, dem „Warmhaus“, zugebracht werden, im Sommer im Kreuzgang oder Obstgarten. Doch gab es Schwestern, die sich auch dies versagten, einige aus asketischen Gründen, andere um der Behütung ihrer Seele willen (Töß, S. 250). Als Neuerung tritt uns (nach Wilms) im Dominikanerorden entgegen „die Feierlichkeit, womit die Komplet, das kirchliche Nachtgebet, gesprochen wurde, und das unter Abhaltung einer Prozession gesungene Salve. Hierzu mußten alle Schwestern, auch die vom Anwohnen der übrigen Horen dispensierten Laienschwestern, erscheinen. Das Offizium dieser Schwerem bestand in einer Anzahl Vaterunser, die sie still für sich in den freien Augenblicken, die die Arbeit ihnen ließ, hersagten“ (Wilms, S. 26). Nach Komplet war Schweigen geboten bis zur Schlafenszeit. Diese n Tagesabschluss verbrachten einige noch betend und betrachtend im Dormitorium an ihrem Bette, andere im einsamen Kirchenchor, Gnaden ersehnend und im halben Traum empfangend.
Wie der Tag von den 7 Stationen des Offiziums seine Gestaltung und Weihe empfing, so gab das Kirchenjahr mit den drei großen Mysterienkreisen Weihnachten, Ostern und Pfingsten dem Jahresgang eine gewaltige dramatische Steigerung, Größe und Abgeschlossenheit. Und die Inhaltsfülle dieser drei Festkreise bot nicht nur immer wechselnden Andachtsstoff und Stimmungszauber, als was die heute viele nur noch ästhetisch verstehen, sondern wurde von den Nonnen mit einer Einfühlungsglut nachgelebt, von der wir uns kaum einen Begriff machen könnten, wenn wir nicht aus jenen Aufzeichnungen ersähen, dass dieses Nachleben im wörtlichen Sinne leibhaftig war, d. h. wie Visionen und Ekstasen mit Krankheiten und plötzlichen Genesungen aufs engste mit der Ereignisabfolge des Kirchenjahres zusammen hingen, wie namentlich Todes- und Auferstehungstag Christi sich in den wunderlichsten körperlichen und seelischen Wandlungen widerspiegelten.
Veranlasst und gepflegt wurde diese Empfänglichkeit durch Kirche und Orden, indem Liturgie, Offizium und Lektionen sich aufs innigste dem Kirchenjahresgang anpassten. Die Fastenzeiten bedeuteten in ihrer Strenge und Dauer einen Einfluß auf den körperlichen Organismus und mithin auch auf die Seele, den die wenigsten von uns auch nur einmal erprobt haben. Ähnlich unbekannt aus eigener Erfahrung und Übung sind dem modernen Abendländer die Konzentration und ihre Folgeerscheinungen, die in der stundenlangen Beschauung der biblischen Ereignisse wirksam waren. Dazu traten bestimmte Klostergepflogenheiten, z. B, die Vorbereitung auf die Ankunft des Christkindes im Advent, wie die uns das Tößer Buch (S. 168) schildert und die uns fast wie Spielerei anmutete, wenn die uns nicht in ihrer psychologischen Berechnung auf den weiblichen Mutterinstinkt und somit als wirksamstes Einfühlungsmittel in die zu erregende Weihnachtsfreude und -rührung eher Bewunderung einflößen müsste.
So reiht sich jede Einzelheit ins Ganze; Arbeit und Chordienst, Übung und Beschauung, Tagesgang und Jahreskreis ordnen sich dem Einen unter, das uns zu Beginn des nächsten Abschnitts begegnen wird.
Wie der Tag von den 7 Stationen des Offiziums seine Gestaltung und Weihe empfing, so gab das Kirchenjahr mit den drei großen Mysterienkreisen Weihnachten, Ostern und Pfingsten dem Jahresgang eine gewaltige dramatische Steigerung, Größe und Abgeschlossenheit. Und die Inhaltsfülle dieser drei Festkreise bot nicht nur immer wechselnden Andachtsstoff und Stimmungszauber, als was die heute viele nur noch ästhetisch verstehen, sondern wurde von den Nonnen mit einer Einfühlungsglut nachgelebt, von der wir uns kaum einen Begriff machen könnten, wenn wir nicht aus jenen Aufzeichnungen ersähen, dass dieses Nachleben im wörtlichen Sinne leibhaftig war, d. h. wie Visionen und Ekstasen mit Krankheiten und plötzlichen Genesungen aufs engste mit der Ereignisabfolge des Kirchenjahres zusammen hingen, wie namentlich Todes- und Auferstehungstag Christi sich in den wunderlichsten körperlichen und seelischen Wandlungen widerspiegelten.
Veranlasst und gepflegt wurde diese Empfänglichkeit durch Kirche und Orden, indem Liturgie, Offizium und Lektionen sich aufs innigste dem Kirchenjahresgang anpassten. Die Fastenzeiten bedeuteten in ihrer Strenge und Dauer einen Einfluß auf den körperlichen Organismus und mithin auch auf die Seele, den die wenigsten von uns auch nur einmal erprobt haben. Ähnlich unbekannt aus eigener Erfahrung und Übung sind dem modernen Abendländer die Konzentration und ihre Folgeerscheinungen, die in der stundenlangen Beschauung der biblischen Ereignisse wirksam waren. Dazu traten bestimmte Klostergepflogenheiten, z. B, die Vorbereitung auf die Ankunft des Christkindes im Advent, wie die uns das Tößer Buch (S. 168) schildert und die uns fast wie Spielerei anmutete, wenn die uns nicht in ihrer psychologischen Berechnung auf den weiblichen Mutterinstinkt und somit als wirksamstes Einfühlungsmittel in die zu erregende Weihnachtsfreude und -rührung eher Bewunderung einflößen müsste.
So reiht sich jede Einzelheit ins Ganze; Arbeit und Chordienst, Übung und Beschauung, Tagesgang und Jahreskreis ordnen sich dem Einen unter, das uns zu Beginn des nächsten Abschnitts begegnen wird.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Deutsches Nonnenleben