Die Umwelt der Nonne

Die Umwelt, die dingliche und seelische Sphäre, in der kleine Menschen untertauchen und dumpfwohlig zergehen, große aber sich schwimmend zur Höhe der Eigenentfaltung emporarbeiten, die Umwelt, die für den mittelalterlichen Menschen so viel und meist so Segensvolles bedeutete, sie hat im Ordenswesen vielleicht ihren bewusstesten Ausdruck gefunden. Denn das Kloster, in seiner reinsten Idee verstanden, will ja nicht nur Weltluft ausschließen, sondern vielmehr jene Himmelsluft in seine Mauern niederbannen, die den Menschen geistlich und d. i. „heilig“ zu werden zwingt, mit jedem Atemzug, den er tut, jedem Schritt, den er geht, jedem Werk, das er schafft; zwingt durch Wort, Bild, Ton, Gewandung, Gebärde, zwingt durch Stundengang und Jahreskreis. Und gerade diese schier erdrückende Wucht der äußeren Beengung auf Schritt und Tritt, soll die innere Freiheit des ichlos gewordenen Menschen entbinden. So wie sich oft am Ende eines düsteren Ganggewölbes in einem schmalen Fensterbogen blaueste Unendlichkeit spannt.

Ob und in welchem Maße das mittelalterliche Kloster durch die Macht planvoll gestalteter Umwelt sein Ziel: Menschenwandlung und -heiligung erreichte, ist hier nicht zu erörtern. Dieser Abschnitt bezweckt nur, vor unserm Auge Stück für Stück jene Umwelt greifbar deutlich aufzubauen, in der sich, dennoch ewig unbegreiflich wie alles Wesensgründige, das Mysterium des gotteinigen Nonnenlebens vollzieht.



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Deutsches Nonnenleben