Bruder Conrat, der Weinmann

Wir hatten einen guten Bruder, der hieß Bruder Conrat, der Weinmann. Der ging einmal nach Tisch auf das Feld hinaus und ward von Gott redend und kam so ganz von sich, dass er bis zum andern Tag in demselben Jubel verblieb.

In den Zeiten, da sie den Gesang gelernt hatten, bat der Stifter die Meisterin der Frauen, daß die ihre Frauen hin nach Reichneck brächte. Als sie nun in einer Kapelle Messe sangen — es geschah am Pfingstsonntag —, da sang der Stifter die ganze Messe mit den Frauen und hatte doch nie Buchstaben gelernt. Wie dieses Wunder an ihm geschehen, ward er so ganz entzündet, dass er sprach: „Ach Ulrich! und sollte ich lange leben, ich wollte Wunders für diese heilige Vereinigung tun!“


Es war zum erstenmal im Advent, dass sie der Regel gemäß sangen; und ihre erste Sangmeisterin hieß Hailrat, die war unmenschlich schön und sang über die Maßen gut und lernte dazu gar wohl und hatte unsern Herrn sehr lieb. Das bezeigte sie wohl in allem ihrem Werk und Leben. Da sie nun den vierten Sonntag im Advent hatten, sangen sie die Mette, und als sie zur fünften Respons „Virgo Israel“ und zum Vers „In caritate perpetua“ kamen, da sang sie deutsch und so übermenschlich schön, dass man meinte, sie singe mit Engelsstimme. Der Vers heißt zu deutsch also: „Ich habe dich geminnt in ewiger Minne; darum hab ich dich zu mir gezogen mit meiner Barmherzigkeit.“ Diesen Vers hat unser Herre durch des Weissagers Mund zum menschlichen Geschlecht gesprochen. Und der heilige Konvent ward aus großer Andacht sinnelos, und sie fielen nieder wie die Toten und lagen also, bis sie alle wieder zu sich selbst kamen; dann sangen sie ihre Mette mit großer Andacht fertig.



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Deutsches Nonnenleben