Zustand der Straßen

Waren die Straßen bei Regen ein grundloser Morast, so verursachten sie bei trockener Witterung wieder unerträglichen Staub. Mit der Sauberkeit der Straßen war es überhaupt schlimm genug bestellt. Die Bürger hielten noch Schweine, und wenn die Zahl derselben, die ein Becker oder Pfragner halten durfte, in Nürnberg auch auf zehn beschränkt wurde, so mag diese Staffage nicht gerade zur Sauberkeit beigetragen haben. Nürnberg ist eine der best verwalteten Städte Deutschlands, und so rühmt denn ein Lobgedicht von 1490, V. 398:

„Auch ist ein knecht darzu bestelt.
Der alle tag mit der butten get,
Ob yemand hingeworffen het
Todte sew, hund oder katzen,
Schelmig (i. e. pestiferus, faulig) hüner oder ratzen;
Wa er die vindt, er nymbts enbor,
Tregtz in der putten für das thor.
Dadurch die gasz gesewbert würt.“


Man warf also alles auf die Straße, und ein einziger Knecht schaffte den Unrat vor das Tor, wo dieser sich selbst überlassen blieb. In manchen Städten, z. B. in Krakau hatte man allerdings schon früh strenge Gesetze gegen Unsauberkeit erlassen. 1373 (fer. 4a a. Martini — Nov. 9) wird beschlossen: „Ein iderman, an welchem teile und ende einer itczlichen gassen her gesessen sey, von zeinem hauße anczuheben und als vil ys ym noch der breite zeines erbes ader lenge geböret bis yn dy helffte des gerynnes vor zeinem hausze schewffeln und nach der stad gewohnheit reinhalden.“ Dann: „Wer ymandes begewst aws einem hawse, is sey bey tage ader nacht, der zal czw busse ein schock geben“ und ferner: „Nymandt zal allerley gestank noch bey tage noch bey nachte awsgissen off dy gassen noch aff den ringk und sunderlich dy beysse by einer margk bussen.“ Dann wird fol. 239 bestimmt: „Von dem kote der hewser dy an dem ringe gelegen sint. Gewilkort Sabbato in die s. Tiburcij 1492 (Aug. 11): Dy herrn jungk und alt, anzehende der stad gros ungerecht und korcze, dy do geschit von den, dy am ringe wonen, dy ir kot und unlost tragen, schewfeln und stossen ober ire grenitzen, und dy stad mus ys awsfuren czw großem beschwernisse, dorumb, ain sulches czw vormeiden, haben beschlossen furdan czw halden, das ein iderman. der am ringe wonet, zal alles koth awsfüren von zeinem hausze bisz an das gerynne, ys sey wy ferre zey, an alle awsrede, und zo erkeiner aws den hewsirn ettwas trüge ader schüttet auff der stad gemeinen koth, der zal ein schock busse geben.“ Der Verunreinigung des Stadtgrabens sollte das Gesetz wehren: „Wer do den koth röret yn der rynnen, zo ein großer regen kompt. Awff das der stadgraben mit kote, der aws den flut rynnen get, nicht vorschleimt und vorsullet werden, zo ist eintrechtiglich beschlossen: wer do yn der czeit des regens ader dorvor und dornach zein koth röret und treibet den, (das) her wegk flissen zoldt, ys sey bey tage ader nachte, zo vorbusset her eyn firdungk, zo offte her gezehen wird ader erfunden.“ Das Mühldorfer Stadtrecht bestimmt: ,,Der mist sol nicht lenger auf dem marckht ligen denn 14 tag, dar nach lenger mit Urlaub der purger und dez richter, pei 72 den.“

Auf Geradheit der Straßenfluchten hat man kaum ein großes Gewicht gelegt. Bei den zahlreichen Städten, die in der zweiten Hälfte des XIII. Jahrhunderts in Schlesien, Böhmen, in Ostpreußen erbaut wurden, hat man allerdings einen gewissen Plan festgehalten; z. B. ist bei der Anlage von Breslau sofort auf drei große Plätze bedacht genommen worden. Der große Hauptmarktplatz (Ring) wird in der Mitte durch eine Häusergruppe ausgefüllt: das Rathaus, wie verschiedene Kaufhäuser; er ist genau nach dem Kompass orientiert; in allen vier Ecken münden je zwei Straßen auf den Platz, die bis an die Stadtmauer schnurgerade fortgesetzt sind. Ein kleines schmales Gässchen trennt zwei gegenüberliegende Fronten des Ringes in zwei Hälften; in einer Ecke des Ringes stößt der Friedhof der Hauptkirche an, auf dem das Gotteshaus selbst steht. Während man, wie gesagt, im XIII. Jahrhundert planmäßig den Bebauungsplan entwarf, hat man schon im folgenden Jahrhundert darauf verzichtet. Die Erweiterung Breslaus unter Karl IV. ist meist derartig durchgeführt, dass die bis an die alten Tore geraden Straßen der Altstadt nun in der Neustadt schief und krumm sich fortsetzen. Bei der Erbauung der Neustadt in Prag sind gewaltig große Plätze abgesteckt worden, aber doch nur ein kleiner Teil der Straßen ist so geführt, dass er geradeaus läuft und die Quergassen rechtwinkelig schneidet.

In den alten Städten gehören längere, gerade Straßen zu den Seltenheiten. Es trägt dies jedenfalls sehr viel dazu bei, den malerischen Charakter der Straßenbilder zu steigern. Die Straßen sind meist eng und schmal: in einer von Mauern umgebenen Stadt durfte man mit dem Räume nicht zu verschwenderisch umgehen. Benannt waren sie immer. Meist führten sie ihren Namen von den Handwerkern, die in ihnen gerade ihre Werkstätten und Wohnungen hatten. So finden wir Malergassen, Schmiedegassen u. s. w. Eine Nummerierung der Häuser dagegen ist während des Mittelalters gänzlich unbekannt; es genügte damals, die Straße und die Besitzer der beiden Nachbarhäuser oder des gegenüber gelegenen Gebäudes zu nennen, dann fand man das gesuchte Haus sicher ohne Mühe.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Deutsches Leben im XIV. und XV. Jahrhundert. Band 1