Straßenpflasterung

Nach unseren modernen Begriffen würde nun das Innere der Stadt wenig den Erwartungen entsprochen haben, die der herrliche Anblick in jedem erweckte, der sich der Stadt näherte. Die Reisenden damaliger Zeit waren aber weniger anspruchsvoll, und zufrieden Ruhe und Sicherheit für Leben und Habe in der Stadt zu finden. Die Straßen waren nämlich zum geringsten Teile gepflastert. Diesen Luxus, den die besseren italienischen Städte schon im XII. und XIII. Jahrhundert sich erlaubt hatten, fand man in Deutschland noch im XIV. sehr selten.

In Prag fing man schon 1331 an zu pflastern. 1379 pflasterte man den Marktplatz in Windberg (bei Straßburg). 1399 begann man mit der Pflasterung in Bern, in Regensburg um 1400, aber in der großen Reichsstadt Augsburg machte man erst 1416 damit einen Anfang und ließ sich noch dazu vom Kaiser Sigismund 1413, Oktober 9, einen Pflasterzoll, für einen Wagen 2 Den., für einen Karren 1 Den. bewilligen. Wie uns Burkhard Zink erzählt, sah es in Augsburg vor der Pflasterung schlimm genug aus: wenn man auch hölzerne Übergänge an einigen Stellen der Straßen angelegt und durch einen Damm längs den Häusern (die Fürschlächt) einen etwas trockneren Weg sich geschafft hatte, so floss doch alles Wasser mitten auf der Straße zusammen und macht diese nur um so grundloser. In Nürnberg hatte man schon 1368 die Straßen zu pflastern begonnen, aber früher muss es auch da übel bestellt gewesen sein, wie ein Brief zeigt, den der Bischof von Leitomischl, Johann von Neumarkt, Kauzler Karls IV., an seinen Metropoliten, den Erzbischof von Prag, schreibt: es heißt in diesem Briefe:


„Die Stadt Nürnberg wird durch häufigen Regenfall ermüdet, denn durch tägliche überschwemmende Güsse wird sie begossen und mit einer solchen Nässe der himmlischen Wasser durchtränkt, dass man hier an eine ewige Sintflut glaubt und von dem nassen Boden eine solche Schmutzmasse anwächst, dass auf den Straßen die Reiter nicht mehr sicher fortkommen können, da der Reiter immer befürchten muss, dass entweder sein Pferd, aus Unvorsichtigkeit oder über einen Stein stolpernd, in die Schmutztiefe so unbedacht stürzt, dass es seinen Reiter, wer er auch sei und wie hochgestellt, wie ein Schwein mit dem Gestank des schmierigen Straßenkotes beschmutzt, oder wenn er durch die Gunst des Schicksals diesem Unfall entgeht, doch vorn und hinten und an den Seiten hie und da die Menge der ankommenden Pferde die Kleider, zumal eines reisenden Priesters, da sie der Ehrbarkeit wegen lang sind, so sehr durch die Berührung des widrigen Schmutzes befleckt werden, dass man von den entfernten Herbergen der Stadt zum kaiserlichen Schlosse nicht ohne merklichen Schaden gelangen kann, wie meines Herrn Bischofs Gnade selbst erproben wird, wenn diese Gefahren vor seinen leiblichen Augen stehen werden etc.“

1406 wurde schon die Sandinsel in Breslau gepflastert. Wiens Pflaster rühmt Aeneas Sylvius. Im XV. Jahrhundert waren wohl die Hauptstraßen Nürnbergs gepflastert, aber es machte doch noch 1495 Aufsehen und wurde in eine Chronik eingetragen, dass man den ganzen Marktplatz neu pflasterte, nicht bloß die schadhaften Stellen reparierte. Aber in kleineren Städten wie in Landshut, da fing man erst 1494 an, bei den Predigern ein Pflaster anzulegen. Die Tuttlinger warnten den Kaiser Friedrich III., in ihre Stadt zu kommen, und als er es doch tat, versank sein Pferd bis an die Schenkel im Schmutze. Derselbe wäre noch 1485 am 28. August beinahe in der freien Reichsstadt Reutlingen samt seinem Pferde in dem grundlosen Schmutze der Straßen versunken. Nach Joan. Boëmus waren Anfang des XVI. Jahrhunderts die Straßen der deutschen Städte meist mit Kieselsteinen gepflastert. Wer sich nicht in den Schmutz hineinwagen wollte, musste sich, da in der Stadt Wagen nicht verkehrten, in der Sänfte tragen lassen (Fig. 34). — Telomonius schildert das Straßenpflaster von Braunschweig:

„Die Straßen sind mit harten Kieseln gepflastert, widerstandsfähig gegen die Räder der Fuhrwerke, aber für die Fussgänger hart und lästig.“ „In stetten“, so lesen wir in J. Agricolas Sprüchwörtern (Nr. 591), „seind gemeyniglich alle gassen mit steynen gepflastert, auff daz man dester sauberer gassen hab ... Also ist der steinweg heiss, da thewr zerung ist und geht vil auff: man verzert vil. Nürmberg ist ein heisser Steinweg, zu Braunschwig ist er nit also heiß, daz ist: zu Braunschweig ist leichter zeren denn zu Nürmberg.“
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Deutsches Leben im XIV. und XV. Jahrhundert. Band 1
Fig. 34. Sänfte (Holzschnitt nach Hans Burgkmair in Petrarcas, Trost im Unglück.)

Fig. 34. Sänfte (Holzschnitt nach Hans Burgkmair in Petrarcas, Trost im Unglück.)

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