Befestigung, Zäune und Mauern

Wer auf einer Reise durch Deutschland im XV. Jahrhundert begriffen die zahllosen Schranken und Zollstätten, die die einzelnen so zersplitterten Territorien schieden, glücklich passiert hatte, an den Grenzsäulen des Landes vorbeigeritten war,*) bemerkte mit Freuden, sobald er sich einer größeren Stadt näherte, die Anzeichen, die ihm deren Vorhandensein verkündeten, mochten diese auch noch so grausiger Natur sein; sie gaben ihm wenigstens die Gewissheit, dass er unter dem mächtigen Schutze des Gesetzes sich befinde. Was nämlich dem Reisenden zuerst ins Auge fiel, war der vor der Stadt nahe der Straße recht sichtbar aufgebaute Rabenstein.

Da erhob sich ein kreisförmiges Gemäuer, und auf dem Unterbau standen drei gemauerte Steinpfosten, die durch hölzerne Querbalken verbunden waren; das war der Galgen, das vielberufene Dreibein, an dem gewöhnlich ein paar halb vertrocknete Leichen hingen, dem Gerechten zur Beruhigung, dem Räuber und Dieb zur Warnung. Die aufgepflanzten Häupter der Geköpften grinsten von den Pfählen; auf den an hohen Stangen befestigten Rädern waren die Überbleibsel der Gerichteten zu sehen. Der Anblick und der Geruch, der sich um diese Stätte des Grauens verbreitete, alles das war nach unseren, nicht nach jener Zeit Begriffen im höchsten Grade widerwärtig. Wenn der Besuch hoher Personen bevorstand, dann räumte man wohl auch, um ihnen einen hässlichen Anblick zu ersparen, die Leichen fort**), beseitigte die zum abschreckenden Beispiel aufgehängten Gliedmaßen der Gevierteilten; aber die Köpfe, die oft auf den Spitzen der Stadttore aufgesteckt waren, die blieben meist, bis die Schädel vermorschten und von selbst herabfielen.


*) Eine solche Grenzsäule steht noch bei Rain in der Nähe von Donauwörth. Die Inchrift lautet: hie dass pairland 1439— Lotz, Kunsttopogr. II. 397.

**) Als 1424 die Reichskleinodien nach Nürnberg gebracht wurden, „man tet die tieb von dem galgen“. Endres Tuchers Memorial.


Die Städte waren wohl ohne Ausnahme befestigt, gegen einen Angriff mehr oder weniger geschützt. Selbst die Dörfer umgab man mit einem festen Zaune, der aus eingerammten Pfählen und dazwischen verflochtenen Zweigen bestand und nur bestimmte Tore zum Ein- und Ausgang hatte. Konnte ein solcher Zaun auch nicht auf die Dauer den Feind abhalten, so gewährte er den Bewohnern doch Zeit sich vorzubereiten, sich zum Widerstand zu rüsten oder zu sammeln, oder ihre beste Habe an eine feste Stelle, etwa in die Kirche zu retten, die bei einer Feuersbrunst ihres steinernen Gemäuers wegen die sicherste Zuflucht bot. In Gegenden, die feindlichen Überfällen am meisten ausgesetzt waren, wie in Siebenbürgen, wandelte man die Kirchen oft geradezu in Festungen um, versah sie mit Zinnen und Schießscharten und konnte in ihnen einem vorübergehenden Angriff wohl Trotz bieten. Ja selbst die Kirchhöfe wurden hier und da befestigt, mit Gräben und Steinmauern umgeben und mit vorspringenden Türmen versehen: einen solchen Friedhof habe ich noch in der Nähe Breslaus in dem Dorfe Rothsürben selbst angetroffen. Einer regelrechten Belagerung durch Wurfmaschinen oder später durch Geschütze konnte freilich eine solche Befestigung nicht widerstehen; die war aber auch bei einem unbedeutenden Dorfe kaum zu befürchten.

Auch die Städte waren in der Regel mit einem Zaun als erster Verteidigungslinie umgeben (Fig. 24); hinter demselben kam dann erst der tiefe Festungsgraben, und jenseits desselben erhoben sich die Mauern, bald in einem Ringe die ganze Stadt umschließend, bald doppelt, hinter der ersten Mauer noch eine zweite, ebenfalls und wenn möglich noch festere Ringmauer aufweisend.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Deutsches Leben im XIV. und XV. Jahrhundert. Band 1
Fig. 24. Nürnberg. (Nach Schedels Chronik – 1493.)

Fig. 24. Nürnberg. (Nach Schedels Chronik – 1493.)

alle Kapitel sehen