Wohnlichkeit

Was die Wohnlichkeit einer Burg anbelangt, so haben wir hier das Zeugnis des Ulrich von Hutten, der sich in einem Briefe vom 25. Oktober 1518 gegen Pirkhaimer folgendermaßen über das Leben auf dem Steckelberg bei Fulda, seiner Stammburg, äußert:

„Man lebt auf dem Felde, in Wäldern und in jenen Bergwarten. Die Leute, die uns erhalten, sind äußerst dürftige Bauern, denen wir unsere Äcker, Weingärten, Wiesen und Wälder verpachten. Der Ertrag daraus ist im Verhältnis zur aufgewendeten Mühe gering, aber man gibt sich viel Mühe, dass er groß und reichlich werde, denn wir müssen sehr fleißige Haushälter sein. Dann stehen wir notwendigerweise in einem Dienstverhältnis zu einem Fürsten, von dem wir Schutz hoffen dürfen; wäre ich dies nicht, so würden sich alle alles gegen mich erlauben; und wenn ich es auch wäre, so ist doch diese Hoffnung mit Gefahr und täglicher Besorgnis verbunden, denn wenn ich aus dem Hause hinausgehe, ist zu befürchten, dass ich denen in die Hände falle, mit denen der Fürst in Händel und Fehde ist: an seiner Stelle fallen sie mich an und schleppen mich fort. Wenn das Unglück es will, kann ich mein halbes Vermögen auf das Lösegeld verwenden; so treffe ich, wo ich auf Schutz gehofft, vielmehr auf Angriff. Doch dazu halten wir Pferde und schaffen Waffen an, sind von zahlreichem Gefolge umgeben mit großen und in allem schweren Kosten, dass wir nicht fünfhundert Schritt weit ohne Waffen und Rüstung spazieren gehen dürfen.


Kein Dorf kann man unbewaffnet besuchen, nicht auf die Jagd, zum Fischen anders als gerüstet gehen. Dann gibt es häufig Streit zwischen unsern und fremden Bauern; es vergeht nicht ein Tag, wo uns nicht von irgend einem Hader berichtet wird, den wir sehr vorsichtig schlichten. Denn wenn ich zu keck mich der Meinigen annehme und ihnen angetanes Unrecht verfolge, so entsteht ein Krieg; wenn ich zu geduldig nachgebe und von meinem Rechte nachlasse, stelle ich mich den Unbilden von allen Seiten bloß; denn was einem zugestanden worden ist, das würden die andern auch für sich bewilligt sehen wollen, eine Belohnung für ihr eigenes Unrecht.

Doch zwischen welchen Leuten kommt so etwas vor? Nicht unter Fremden, mein Freund, sondern zwischen Verwandten, Angehörigen. Verschwägerten, ja auch unter Brüdern ereignet sich das. Das sind die Annehmlichkeiten unseres Landlebens, das die Ruhe und Ungestörtheit. Ob die Burg auf einem Berge oder in einer Ebene liegt, immer ist sie nicht zur Behaglichkeit, sondern zur Befestigung erbaut, von Gräben und Wall umgeben, innen eng, mit Vieh- und Pferdeställen zusammengedrängt, da sind nahebei dunkle Kammern mit Kanonen, mit Pech und Schwefel, und was sonst zur Kriegsrüstung gehört, vollgefüllt. Überall riecht man den Gestank des Schießpulvers, dann die Hunde und ihren Unrat — auch ein schöner Duft, wie ich meine.

Es kommen und gehen Reiter, unter ihnen Räuber, Diebe und Wegelagerer, denn gewöhnlich stehen unsere Häuser offen, und wir wissen nicht, wer ein jeder ist oder kümmern uns nicht zu sehr darum. Man hört das Blöken der Schafe, das Brüllen der Ochsen, das Bellen der Hunde, das Geschrei der Leute, die auf dem Felde arbeiten, der Karren und Wagen Knarren und Gerassel, ja in unserer Heimat auch der Wölfe Geheul, da die Wälder nahe sind. Alle Tage sorgt man und kümmert man sich um den morgigen Tag, es gibt beständige Bewegung, beständige Stürme: die Felder müssen geackert und umgegraben werden, in den Weinbergen ist Arbeit, es sind Bäume zu pflanzen. Wiesen zu bewässern; da ist zu behacken, zu säen, zu düngen, zu ernten, zu dreschen; es kommt die Ernte, es kommt die Weinlese. Wenn dann in einem Jahre schlechtes Ergebnis, wie dies bei jener Unfruchtbarkeit meist geschieht, eintritt, dann entsteht eine wunderbare Not, eine wunderbare Armut, etc.“
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Deutsches Leben im XIV. und XV. Jahrhundert. Band 1