Befestigungen derselben

Wenn uns die kaiserlichen und fürstlichen Schlösser, die im XII. und XIII. Jahrhundert in Deutschland erbaut wurden, die Paläste von Eger, Gelnhausen, Wimpfen a. B., Münzenberg in der Wetterau, vor allem die Wartburg bei Eisenach, den Beweis liefern, dass der hohe Aufschwung, den die Architektur gerade in jenen Zeiten genommen, auch den Profanbauten zugute kam, so dürfen wir doch nicht außer acht lassen, immer uns zu erinnern, dass die Mehrzahl der Burgen, in denen der deutsche Adel jener Zeit hauste, keineswegs sehr prächtig eingerichtet und ausgeschmückt war, dass vielmehr dieselben meist dürftig und schlicht, mehr für die Sicherheit als für die Behaglichkeit der Bewohner bestimmt, nur aus fest aufgetürmten Mauermassen bestanden. Feldsteine, die unbehauen zu mächtigen starken Mauern gefügt waren, lieferten das Material für die meisten dieser Burgen, und selten hat der Steinmetz seine Kunst zur Verschönerung dieser trotzigen, aber keineswegs schönen Bauten verwendet. Und diesen Charakter tragen die meisten der noch im XIV. und XV. Jahrhundert erbauten Burgen an sich. Bei dem Mangel alles ornamentalen Schmuckes ist es deshalb überaus schwer genau die Zeit zu ermitteln, in welcher sie errichtet wurden. Diese cyklopischen Mauerreste, die uns in den meisten Burgruinen entgegentreten, können ebenso gut dem frühesten wie dem spätesten Mittelalter angehören. Dürftigkeit ist der gemeinsame Charakter, der allen diesen Burgbauten, gar wenige abgerechnet, aufgeprägt ist. Der deutsche Adel ist durchschnittlich nicht reich begütert; die Anforderungen an standesgemäßen Luxus waren seit der Staufenzeit bedeutend gewachsen; die Einkünfte, welche die Landwirtschaft gewährte, erschienen gering gegen die Summen, welche der Kaufmann für schöne Kleider, Waffen, Rüstungen etc. verlangte; man musste sich aufs äußerste einschränken, wollte man standesgemäß leben, oder seine Einkünfte zu vermehren trachten, und auf Verschönern ihrer Wohnsitze scheinen die Herren am allerwenigsten ihre Einkünfte verwendet zu haben, lieber auf prächtige Kleider, auf wüste Schmausereien und Trinkgelage.

Viele Ritter halfen ihrer bedrängten Lage, wie das schon früher geschehen war, durch Wegelagerei auf. Dass indessen dem gefangenen Raubritter und Heckenreiter der Tod gewiss war, wenn er in die Hände der Städter fiel, schreckte die Mehrzahl dieser vornehmen Strauchdiebe nicht ab; es kam eben nur darauf an, dass er sich nicht fangen ließ, und um dies zu erreichen, musste er sich in seiner Burg möglichst sicher verstecken können. Trotzte diese Burg dem Ansturm der erbitterten Städter, so war für einige Zeit die Gefahr abgewendet. Aber zahllose Raubnester wurden schon seit der Regierung Rudolfs von Habsburg gestürmt und gebrochen, selten von den Kaisern oder den Landesfürsten, am häufigsten von den schwer geschädigten Städten; alle Städtechroniken berichten von solchen Zügen; aber damit wurde das Übel nicht ausgerottet, es wurde höchstens der zu großen Konkurrenz gesteuert. Noch bis tief ins XVI. Jahrhundert hinein bleibt die alte Landplage der Raubritter bestehen. Dass diese rohen, ungeschlachten Gesellen, die mit den Rittern der höfischen Gesellschaft des XII. — XIII. Jahrhunderts gar nicht verglichen werden können, auf die Ausschmückung ihrer Raubnester kein Gewicht legten, ist ja natürlich; hätten sie wirklich einigen Schönheitssinn gehabt, dann würden ihnen die Mittel gefehlt haben, denselben zu betätigen. So ist nur das Notwendige geboten; dass man auf schöne Formen sieht, das ist eine sehr seltene Ausnahme.


Wie für die alten Burgen der früheren Zeit suchte man einen steilen Bergkegel, eine isolierte Bergklippe, einen von Wasser oder Morast umgebenen Platz, der, schon von Natur schwer zugänglich, sich leicht verteidigen ließ. Ein Graben erschwert die Annäherung an die eigentliche Burg; erst wenn die Zugbrücke niedergelassen ist, kann man durch das noch mit Fallgattern bewehrte Tor in den Burghof eintreten. Wenn es der Raum erlaubte, war das eigentliche Kernwerk der Burg von der Vorburg durch weitere Befestigungen geschieden. In der Vorburg sind nun innerhalb der Ringmauern die Pferde- und Viehstallungen untergebracht; es sieht da sehr ländlich aus: große Hühnermengen beleben den Raum; ein reicherer, vornehmerer Herr hält sich wohl auch Pfauen, nicht bloß des schönen Anblicks wegen, sondern weil dieselben einen als Leckerbissen hochgeschätzten Braten lieferten. Die Gebäude sind meist aus Holz oder aus Bindwerk errichtet, mit Stroh- oder Schindeldächern gedeckt, und das erklärt, warum wir in den Burgruinen keine Spuren mehr von ihnen vorfinden. Die aus Feldsteinen cyklopisch gefügten Mauermassen haben der Zeit mehr Widerstand geleistet.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Deutsches Leben im XIV. und XV. Jahrhundert. Band 1