Erste Fortsetzung
Sobald daher bekannt ward, dass der König von England sich außer Stand sah, seine im Kampfe mit Amerika gelichteten Regimenter durch Anwerbungen innerhalb seiner eigenen Staaten wieder m ergänzen und zu vermehren, und dass er deshalb Rekruten aus Deutschland zu beziehen wünschte, erboten sich, begierig von diesem Umstand Nutzen zu ziehen, eine Menge von Abenteurern die gewünschten Truppen zu verschaffen. Anfangs trug Georg Bedenken, von diesen Anerbietungen Gebrauch zu machen. „Wenn ich", sprach er, „deutschen Offizieren Auftrag gebe, mir Leute zuzuführen, so bin ich, gerade heraus gesagt, nicht viel besser als ein Seelenverkäufer, was nach meiner Ansicht kein sonderlich ehrenvolles Prädikat ist." Dennoch aber verstand er sich dazu, dass ein Kontrakt mit einem hannoverischen Oberstleutnant abgeschlossen würde, welcher sich verbindlich machte, ohne Zeitverlust viertausend Mann Rekruten in Deutschland anzuwerben. Ebenso gestattete er auch sein Kurfürstentum Hannover als Sammel- und Werbeplatz zu benutzen und willigte ein, dass sein Feldmarschall dem Unternehmen den notwendigen Beistand lieh. Damals hielten keine wechselseitigen Höflichkeitsrücksichten die Fürsten ab, einer des andern Soldaten zur Desertion zu verleiten, und ein höheres Handgeld, bessere Löhnung und die verlockende Aussicht, in Amerika, dem Goldlande, reiche Beute zu machen, bewog die vagabundierenden Veteranen früherer Kriege sehr bald, sich um das in Hannover aufgepflanzte Banner zu scharen. Freilich hatte der deutsche Reichstag Truppenanwerbungen für fremde Fürsten innerhalb seines Gebietes untersagt, und das Kabinett von Wien sah sich daher, um wenigstens den Schein zu wahren, genötigt, darauf aufmerksam zu machen, dass Großbritannien mit dem deutschen Reiche in keinem Zusammenhang stände, ihm mithin nicht das Recht zukäme, innerhalb Deutschlands Grenzen Truppen anzuwerben. Für England tag hierin bloß eine zarte Aufforderung, das Werbegeschäft in Deutschland ein wenig verstohlen betreiben zu lassen. Der Lieferant hatte auch sehr bald eine kleine Abschlagssendung von 150 Mann beisammen und versprach rascheren Erfolg, sobald das Unternehmen nur erst ein wenig besser im Zuge wäre. Hierzu kam, dass der Fürstbischof von Lüttich und der Kurfürst von Köln sich gern dazu verstanden, hinsichtlich der Anwesenheit englischer Agenten, welche auch Werbestationen in Neuwied und Frankfurt hatten, ein Ange zuzudrücken. So instruierten denn die englischen Minister ihre diplomatischen Vertreter an den kleinen Höfen, den Werbungen allen möglichen Vorschub zu leisten, allein dies nicht offiziell oder im Namen ihres Königs zu tun.
Inzwischen hatte der Aufstand in Amerika immer größere Verhältnisse angenommen, und Georg, der zuerst mit Widerstreben daran gegangen war, von den kleinen deutschen Fürsten Soldaten zu kaufen, sah sich genötigt, nunmehr alle diese Skrupel schwinden zu lassen. Seine Minister teilten ihm mit, dass der Herzog von Braunschweig, wenn er sonst wolle, recht wohl wenigstens dreitausend und der Landgraf von Hessen-Kassel fünftausend Mann stellen könnten, und im November 1775 wies Lord Suffolk seinen Agenten, Oberst Faucitt, dahin an: „Ihre Aufgabe ist, so viel Truppen zusammenzubringen, wie Sie nur können. Ich gestehe, dass meine eigenen Hoffnungen in Bezug auf das Ihnen übertragene Geschäft nicht sehr sanguinisch sind, und Sie werden daher, so lange Sie nicht gegründete Aussicht auf Erfolg haben, Ihre offizielle Eigenschaft so wenig als möglich hervortreten lassen. Verschaffen Sie uns, wie gesagt, so viel Truppen, als gehen will, und obschon es Ihnen nur zur Ehre gereichen wird, wenn Sie dies, unter möglichst billigen Bedingungen tun, so muss ich Ihnen doch bemerklich machen, dass im vorliegenden Falle ans Kostenersparnis nicht so viel Rücksicht genommen werden kann, wie unter andern gewöhnlichen Verhältnissen. Es ist die größte Tätigkeit notwendig, denn dem König liegt außerordentlich viel daran, das Unternehmen zu Stande gebracht zu sehen, und Sie werden daher sowohl von Braunschweig, als auch von Kassel aus, sobald Sie wissen, ob Truppen zu erlangen sind oder nicht, augenblicklich einen Courier an mich absenden, ohne erst auf Nennung der Bedingungen zu warten."
Die Befürchtung des englischen Ministers, dass der beabsichtigte Menschenhandel nicht zu Stande kommen werde, war leider eine höchst überflüssige. Eine Menge kleiner Fürsten drängte sich herzu, Truppen anzubieten. „Ich", schrieb unter andern der Fürst von Waldeck, „werde es als eine hohe Gunst betrachten, wenn der König von mir ein Regiment von sechshundert Mann annehmen, will, dessen Offiziere und Mannschaften eben so wie ihr Fürst sicherlich nichts inniger wünschen, als eine Gelegenheit zu finden, sich für Seine Majestät zu opfern." Natürlich ward dies freundliche Anerbieten unter den jetzt obwaltenden Umständen mit tausend Freuden akzeptiert.
Am 24. November machte Faucitt, nachdem er in Stade seine Instruktionen erhalten, sich auf den Weg nach Braunschweig. Herzog Karl von Braunschweig war damals ungefähr 63 Jahre alt. Während der vierzig Jahre seiner Regierung hatte er die Millionen seines Einkommens an seine italienische Oper, an sein Ballettkorps, auf Reisen, an Maitressen, am Spieltische und mit alchymistischen Experimenten verschwendet und außerdem zwölf Millionen Thaler Schulden gemacht. Das Meiste aber hatte ihm seine kleine Armee gekostet, die jetzt im Alter, wo er für andere Lebensgenüsse unfähig geworden, seinen Stolz und seine einzige Freude ausmachte. Seit drei Jahren hatte er den Erbprinzen Ferdinand, der mit Georgs III. Schwester Auguste vermählt war, zum Mitregenten erkoren. Dieser sowohl, als seine Umgebung, war von der Machtvollkommenheit eines legitimen Fürsten durchdrungen. Er liebte zu herrschen und verlangte blinden Gehorsam. Übrigens war er nicht ohne Anlagen. Sein Stolz war, sein Tagewerk gut und pünktlich zu verrichten, und wirklich führte er in mehreren Zweigen der öffentlichen Verwaltung zweckmäßige Ersparnisse ein. Wenn auch den sinnlichen Vergnügungen ergeben, war er doch daneben unermüdlich in der Arbeit. Aber er hatte kein Gemüt und war deshalb weder der Dankbarkeit, noch der Liebe fähig. Ein guter Unteroffizier und die personifizierte Gamaschenpedanterie, sah er mit peinlicher Strenge darauf, dass im Mechanismus des Regiments nicht das kleinste Rädchen ins Stocken kam, — eine Armee im Feld zu führen, dazu fehlten ihm alle Kenntnis und aller Umblick, wie er dies als Feldherr der preußischen Armee in der Schlacht bei Jena 1806 so unheilvoll beweisen sollte.
Noch am Abend seiner Ankunft hatte Faucitt eine Konferenz mit dem Erbprinzen, an welchen ihm der König von England einen besonderen Brief mitgegeben hatte. Ohne die geringste Weiterung erklärte sich Ferdinand mit dem englischen Antrag von Herzen einverstanden und versprach, sich zu Gunsten desselben bei seinem Vater zu verwenden. Dieser gab auch, obschon es ihm ans Leben ging, sich von einem Spielzeug trennen zu sollen, welches der einzige Zeitvertreib seiner alten Tage war, doch aus Rücksicht auf den immer noch misslichen Zustand seiner Finanzen seine bereitwilligste Zustimmung zu dem Schacher.
Die nächste Aufgabe des englischen Unterhändlers war nun, mit Ferrance, dem braunschweigischen Minister, über den Preis der Truppen zu unterhandeln, welche mit Beginn des Frühlings bereit und aus 4.000 Mann Infanterie und 300 Mann Dragonern zusammengesetzt sein sollten. Die Letzteren wurden zwar nicht gebraucht, Faucitt aber nahm sie an, um nicht „diffiziel" zu erscheinen.
Als Handgeld verlangte Braunschweig sechzig deutsche Thaler für den Mann; doch einigte man sich zuletzt auf fünfundvierzig Thaler. Für jeden Soldaten, welcher das Leben verlöre, sollte das Handgeld noch einmal bezahlt werden. Drei Verwundete waren dem Übereinkommen gemäß als ein Toter zu rechnen. — Ein weiterer Gegenstand der Erörterung war der Tag, von welchem an die englische Löhnung gezahlt werden sollte. Braunschweig forderte, dass damit drei Monate vor Ausmarsch der Truppen begonnen würde, begnügte sich indes zuletzt mit zwei Monaten. Wegen des jährlichen Mietpreises stritt man zwei Tage hin und her, bis man sich endlich dahin einigte, dass von dem Tage der Unterzeichnung des Vertrags an jährlich eine Summe von 64.500 deutschen Kronthalern und nach Rückkehr der Truppen in die Heimat zwei Jahre lang das Doppelte dieser Summe gezahlt werden solle.
Im Verlaufe des englisch-amerikanischen Krieges lieferte Braunschweig zusammengenommen 5.723 Mietlinge, eine Zahl, die den sechsten Teil der gesamten waffenfähigen Mannschaft des Herzogtums betrug. Die Folge hiervon war, dass nur zwei der für den englischen Kriegsdienst bestimmten Bataillone aus wirklich regulären Truppen bestanden. Die übrigen waren, ohne dass man sich an die gegebenen Versprechungen gekehrt hätte, zum großen Teil aus noch ungeübten Rekruten, alten Leuten, bartlosen Knaben und aus aller Herren Ländern herbeigeschleppten Vagabunden zusammengewürfelt. —
Von Braunschweig eilte Faucitt, nachdem er sich hier seiner Aufgabe mit so glücklichem Erfolge entledigt, nach Kassel, wo seine Ankunft bereits mit Sehnsucht erwartet wurde. Das hessische Volk besaß damals und besitzt heule noch den kühnen kriegerischen Charakter seiner Vorväter, welche von den Römern nicht unterjocht werden konnten. Die Tapferkeit seiner Söhne hat sich auf allen Schlachtfeldern Europas glänzend bewährt, wie u. A. die Republik Venedig zum großen Teile den Hessen ihre Siege über die Türken zu verdanken halte.
Landgraf Friedrich II. zählte damals ungefähr 56 Jahre und regierte seit beinahe sechzehn Jahren. Seine Erziehung war eine sehr sorgfältige gewesen, seine Gemütsart aber war und blieb gemein und störrig. Die Gattin seiner Jugend, eine Tochter Georgs II. von England, war die Liebenswürdigste und Sanfteste ihres Geschlechts, sah sich aber dennoch genötigt, vor seiner unmenschlichen Behandlung bei seinem eigenen Vater Schutz zu suchen. Dreiundfünfzig Jahre alt, heiratete er noch einmal, lebte aber mit seiner zweiten Gemahlin auf keinem bessern Fuße, als mit der ersten.
Aus Widerwillen gegen „die plebejische Einfachheit der protestantischen Religion", als deren Bollwerk sich das Haus Hessen von jeher betrachtet hatte, war er 1749 zur katholischen Kirche übergetreten. Allerdings zeigte er stets eine gewisse Toleranz, schaffte den Gebrauch der Folter ab und ließ ausgesprochene Todesurteile nur in außerordentlich seltenen Fällen vollstrecken; gleichzeitig aber war er auch der sittenlose Repräsentant der schlimmsten Ausschweifungen seines Zeitalters. Ein Freund von Glanz und üppigem Leben, trug er seine Laster auf die schamloseste Weise öffentlich zu Schau.
Nationalsinn besaß er so wenig, wie fast alle deutschen Regenten der damaligen Zeit; französische Sitten und Gewohnheiten waren sein Ideal. Er hielt seine Oper, sein Ballett, während des Karnevals seine Maskeraden und sein französisches Theater. Eine abgelebte Französin war seine erste Favoritin und ein französischer Theaterintendant sein Bibliothekar. Dennoch aber konnte nichts eine größere Unähnlichkeit mit Frankreich darbieten, als eben der landgräfliche Hof. Das Leben in Kassel war durch und durch geistlos, Anspruch auf Beachtung hatte nur der Adel, um Talent und Begabung kümmerte man sich nicht. So war der Hof beschaffen, dessen Fürsten Faucitt einen zweiten Brief vom englischen König überreichte. General Schlieffen, der Minister, mit welchem er die Unterhandlung zu führen hatte, deutete ihm an, dass er sich von vornherein unbedingt in jede Forderung zu fügen habe; der Landgraf sei außerordentlich launenhaft, und er möge sich gefasst halten, denselben in übelster Stimmung zu finden. Gleichzeitig aber machte sich Schlieffen anheischig, seinen „gnädigsten Herrn" zur Überlassung. von wenigstens 12.000 Mann Infanterie für den englischen Kriegsdienst in Amerika zu bestimmen.
Der Landgraf, welcher sich nicht einmal selbst gestehen wollte, dass er seine Untertanen aus bloßer Habsucht verschacherte, heuchelte den eifrigen Wunsch, die rebellischen Amerikaner zur Botmäßigkeit zurückgeführt zu sehen, und ward dabei so warm und so sanguinisch, dass er fast Lust zu fühlen schien, für die Sache der Monarchie an der Spitze seiner Truppen selbst ins Feld zu ziehen. Dieser Eifer ließ vermuten, dass für die erbetene Hilfe die übertriebensten Gegenforderungen gestellt werden würden. In der Tat wusste man Georg vor allen Dingen eine Summe von mehr als 40.000 Pfd. Sterl. für Hospitalauslagen abzupressen, die man während des letzten Krieges gehabt haben wollte. Das war eine geradezu unverschämte Forderung, denn die betreffende Rechnung war längst geprüft, bezahlt und abgeschlossen. Allein die große Verlegenheit der englischen Regierung zwang diese, den erhobenen Anspruch als begründet anzuerkennen und die Rechnung wirklich zum zweiten Male zu bezahlen.
Das Handgeld scheint in Hessen eben so viel betragen zu haben, wie das, worüber man sich mit Braunschweig geeinigt; da es aber in Kassel nicht bloß für die Mannschaften, sondern auch für die Offiziere bezahlt werden sollte, so ergab der hessische Kontrakt einen Mehrgewinn von zwanzig Prozent. Sein Meisterstück aber lieferte Schlieffen durch die Feststellung der jährlichen Mietsumme. In ähnlichen früheren Verträgen hatte man auf wenigstens vier Jahre stipuliert. Jetzt sprach Schlieffen von einem sechsjährigen Zeitraum. Zwar ging der englische Unterhändler darauf nicht ein, denn er glaubte, dass es zur Beendung des Krieges nur eines einzigen Feldzuges bedürfen würde, aber der Hesse wusste mit seinem Vorschlage doch eine doppelte Mietsumme zu erlangen, welche vom Tage der Unterzeichnung des Vertrags an bis zum Erlöschen desselben bezahlt werden sollte. Außerdem ward auch noch ausbedungen, dass das Geld nicht, wie an Braunschweig, in deutschen Kronthalern, sondern in Banco-Kronthalern bezahlt werden sollte, was dem Landgrafen einen fernerweilen bedeutenden Gewinn abwarf, um so mehr, als der Vertrag zehn Jahre lang in Kraft blieb. Kurz, diese einzige Bedingung spielte dem Landgrafen das kleine Sümmchen von sechs Millionen Thalern in die Tasche! Um aber seinen treuen Untertanen einen Beweis von seiner väterlichen Gesinnung zu geben, setzte er die zur Bestreitung des Aufwandes für die nun vermieteten Truppen neu erhobenen Steuern bis zur Rückkehr der Truppen huldvoll auf die Hälfte herab; die andere Hälfte ward dagegen um so unerbittlicher eingetrieben!
Wohlweislich hatte man sich ausbedungen, dass die von England zu erhaltende Löhnung, welche bedeutend höher war, als die hessische, nicht unmittelbar an die Mannschaften selbst, sondern direkt an die hessische Staatskasse gezahlt werden sollte, wodurch abermals Gelegenheit zu allerhand Übervorteilungen gegeben ward. Auch wusste man es einzurichten, dass die Löhnungsregister schon vom zweiten Monat an stets die Namen von mehr Mannschaften enthielten, als wirklich im Dienst waren. Mit Braunschweig hatte sich der englische Agent, wie wir wissen, über einen für Tote und Verwundete zu zahlenden Preis geeinigt; der Landgraf, von Hessen ließ sich dagegen auf kein derartiges Abkommen ein, sondern behielt sich das Recht vor, für jeden Mann, den er einmal für den englischen Kriegsdienst gestellt, mochte derselbe lebendig, oder dienstunfähig, oder tot sein, bis zum Ablauf des Vertrags volle Löhnung zu verlangen. Faucitt stellte dem Minister vor, dass es unumgänglich notwendig sein werde, den hessischen Soldaten den vollen und uneingeschränkten Genuss ihrer Löhnung ebenso zu gestatten, wie den englischen. „Auf diese Bedingung wage ich nicht einzugehen, denn der Landgraf könnte sich dadurch verletzt fühlen", antwortete der hessische Minister, und als die Sache dennoch vor dem Landgrafen zur Sprache kam, rief dieser: „Sind meine Soldaten nicht meine Kameraden? Und habe ich wohl eine andere Absicht, als sie gut zu behandeln?"
Die kranken und verwundeten braunschweigischen Truppen sollten in englischen Hospitälern verpflegt werden, für die Hessen dagegen beanspruchte der Landgraf das Recht, eigene Hospitäler zu errichten und sich wegen des dabei gehabten Kostenaufwandes später mit der englischen Regierung zu berechnen. Zwar hatte man die für die gemieteten Truppen erforderliche Bekleidung von in England fabrizierten Stoffen anfertigen lassen, der Landgraf aber gestattete nicht, dass ihm auf diese Weise die Gelegenheit abgeschnitten würde, auch hierbei ein „Prositchen" zu machen. Georg hatte geglaubt, der Landgraf könne höchstens 5.000 Mann Infanterie liefern; der dafür bewilligte Preis war aber ein so verlockender, dass der Landgraf, nachdem er die Lieferung von 12.000 Mann abgeschlossen, der englischen Regierung erst noch 400 Mann Scharfschützen, dann noch 300 Mann Dragoner und endlich noch drei Artilleriekorps aufdrang, natürlich gegen Erlegung von Handgeld und verhältnismäßige Erhöhung der jährlichen Mietsumme.
Um nicht von den das Land durchstreifenden Werbern mit Gewalt unter die Soldaten gesteckt zu werden, floh eine Menge junger Leute über die Grenze nach Hannover, und König Georg von England, welcher zugleich Kurfürst von Hannover war, ward daher aufgefordert, den Aufenthalt hessischer Untertanen auf hannöverschem Boden nicht zu dulden, weil der Landgraf sich außerdem am Ende in die Unmöglichkeit versetzt sehen könnte, seine in Bezug auf Truppenlieferungen eingegangene Verpflichtung pünktlich zu erfüllen. Ebenso hielt man es für sehr wesentlich, die vermieteten Truppen durch das Kurfürstentum Hannover nach ihrem Einschiffungsplatze zu dirigieren; denn wenn die Hessen das linke Weserufer entlang durch preußisches Gebiet und vielleicht ein halbes Dutzend kleiner Fürstentümer marschierten, so würden, daran zweifelte man keinen Augenblick, sicher mindestens die Hälfte der Soldaten unterwegs davonlaufen. Ein großer Teil ging freilich gern und willig; hatte man den Soldaten doch vorgespiegelt, Amerika sei das Land goldener Beute und es würde ihnen dort frei stehen, nach Herzenslust zu plündern und in allen Genüssen zu schwelgen.
Nachdem so jeder streitige Punkt den kategorischen Anforderungen des Landgrafen gemäß entschieden war, kam der Vertrag endlich am 31. Januar 1776 zur Unterzeichnung; wenn man aber meint, dass damit Alles schönstens geordnet und der Habgier des Landgrafen kein weiterer Spielraum vergönnt gewesen wäre, so irrt man. Die Zahlung der doppelten Mietsumme sollte vom Tage der Unterzeichnung des Vertrags anheben; der pfiffige Landgraf ließ deshalb, um auch die letzte Gelegenheit zur Plusmacherei nicht unbenutzt zu lassen, die Urkunde auf den 15. Januar zurückdatieren!
Seume, der wackere deutsche Dichter, der zu jener Zeit aus Gewissensskrupeln das Studium der Theologie aufgegeben und die Universität Leipzig verlassen hatte, fiel in Vacha bekanntlich den landgräflichen Werbern in die Hände. Zunächst ward er als Halbarrestant nach der Festung Ziegenhain geschleppt, wo schon viele seiner Unglücksgenoffen lagen, unter welchen er in seiner Selbstbiographie namentlich „einen verlaufenen Musensohn aus Jena, einen bankrotten Kaufmann aus Wien, einen Posamentierer aus Hannover, einen abgesetzten Postschreiber aus Gotha, einen Mönch aus Würzburg, einen Oberamtmann aus Meiningen, einen preußischen Husarenwachtmeister, einen kassierten hessischen Major und andere von ähnlichem Stempel" erwähnt.
Von Ziegenhain wurden die Gepressten über Kassel, wo sie der Landgraf in höchst eigener Person inspizierte, nach Hannöverisch-Münden spediert. „Unser Zug glich so ziemlich einem Transport von Gefangenen," — schreibt Seume, — „denn wir waren unbewaffnet und die bewehrten Dragoner, Gardisten und Jäger hielten mit fertiger Ladung Reihe und Glied fein hübsch in Ordnung."
In Münden auf der Wiese wurden die armen verkauften Seelen von dem englischen Agenten Faucitt besichtigt, und der und jener erhielt dabei einige freundliche Rippenstöße, weil er in das von dem kommandierenden Offizier auf den König von England ausgebrachte Hoch nicht laut genug einstimmte. Auf den Transportschiffen waren die Unglücklichen wie Heringe zusammengeschichtet, so dass auf dem Deck kein Mann geradestehen, Niemand sich frei bewegen konnte. Das Grässlichste waren die immer für je sechs Mann bestimmten Bettkasten. Eben so schlecht stand es mit der Kost an Bord. Die Mannschaften bekamen fast nichts als Speck und Erbsen oder Pudding, den sie sich selbst aus muffigem Mehl halb mit Seewasser, halb mit süßem Wasser und uraltem Schöpsenfett machen mussten. Der vielleicht vier oder fünf Jahr alte Speck war ungenießbar, schwarz und stinkend. Im Schiffszwieback wimmelte es von Würmern und dabei war er so hart, dass man ihn mit Kanonenkugeln aus dem Gröbsten zerschlagen musste. Man behauptete, die Engländer hätten ihn im siebenjährigen Kriege den Franzosen abgenommen; seit der Zeit habe er in Portsmouth im Magazin gelegen, und nun füttere man die Deutschen damit, um von ihnen in Amerika wiederum die Franzosen totschlagen zu lassen. Wenn ein Fass Trinkwasser aus dem Schiffsraum auf das Deck gebracht und aufgemacht ward, so verbreitete es einen kaum zu ertragenden Gestank — und dennoch schlug man sich, um dieser widerlichen Jauche nur teilhaftig zu werden.
Im englischen Parlament ward das Ministerium wegen seiner unbedingten Bewilligung der von dem Landgrafen von Hessen gestellten so übertriebenen Bedingungen scharf zur Rede gesetzt. Es entschuldigte sich damit, dass es nicht anders gekonnt habe, weil der Ausmarsch der Truppen schon in den ersten Tagen des Februar habe stattfinden sollen. Der Landgraf hatte auch in der Tat bis zum 15. Februar dreizehn Bataillone marschfertig, die englischen Anordnungen waren aber so schlecht getroffen, dass, obschon bei längerem Zögern der Verlust eines Feldzugs auf dem Spiele stand, die Admiralität doch zur bestimmten Zeit bei weitem nicht Transportschiffe genug in Bereitschaft hatte und selbst im März noch nicht sagen konnte, wann die noch erforderliche Anzahl verfügbar fein würde. Die erste Abteilung Braunschweiger ging daher erst am 4. April von England unter Segel, und ihr Kommandant war bereits in Quebek, ehe die letzten Mannschaften seines Corps eingeschifft wurden. Die erste Division Hessen passierte den britischen Kanal erst am 10. Mai.
Die Braunschweiger hatten sich nicht minder über die unverantwortlich elende Einrichtung und Ausstattung der Schiffe zu beklagen. Die Bekleidung der Soldaten selbst war alt und nur notdürftig ausgeflickt worden. Der Lieferant, den man mit der Besorgung des Schuhwerks betraut hatte, schickte von London aus einige tausend Paar dünne Tanzschuhe, die obendrein zum großen Teil so klein waren, dass die Soldaten sie gar nicht anziehen konnten. — Auch der Vertrag mit dem zuerst gedachten Erbprinzen von Hessen-Kassel, welcher zugleich souveräner Fürst von Hanau war und auf eigenen Antrieb an den König von England geschrieben hatte, stieß ans kein Hindernis. Der Eifer und die Dienstfertigkeit dieses Fürsten überstiegen alle Beschreibung. In eigener Person machte er die Runde durch die Ortschaften seines Ländchens, um die gewünschten Rekruten auszusuchen, und gab später seinem Regiment auf dem Ausmarsche nach Helvoetstuys, von wo es eingeschifft werden sollte, Höchstselbst das Geleite bis Frankfurt. Seiner Verdienste um England sich bewusst, bettelte er wiederholt um ein „Extradouceur", und Lord Suffolk, der englische Minister, gewährte ihm auch ein solches, aber nur gegen das schriftliche Versprechen der strengsten Verschwiegenheit, damit nicht etwa auch die anderen fürstlichen Menschenhändler mit gleichen Zumutungen angerückt kommen möchten. Bereitwilligst leistete der souveräne Supplikant dies Versprechen in einem in lächerlichem Englisch geschriebenen Brief, worin er zugleich seine frommen Wünsche für das Gelingen des Unternehmens aussprach, zu dessen Durchführung er einen Teil seiner Landeskinder an den König von England verkauft hatte.
Wie wir gehört, hatte sich der Fürst von Waldeck ebenfalls zu Truppenlieferungen erboten; man zweifelte indes, dass er im Stande sein würde, sein Versprechen zu halten. Sein Land war in dieser Beziehung schon über die Gebühr in Anspruch genommen, und es standen bereits nicht weniger als drei Waldeck'sche Regimenter im Dienste der Republik Holland. Wiederholt hatten sich die Stände des Ländchens über den großen Verlust an Untertanen beklagt, der Fürst aber wusste fortwährend einen so uneigennützigen Eifer und eine so warme Anhänglichkeit an den „unvergleichlichen Monarchen" von Großbritannien zu heucheln, dass dies schließlich wirklich einen Kontrakt mit ihm abschloss. Wohl konnte er die versprochenen Truppen nur durch Missbrauch seiner Autorität, oder durch Gewalt, oder durch List zusammenbringen, aber die Dorfgeistlichen unterstützten ihn bereitwillig, indem sie die jungen Leute von der Kanzel herab ermunterten, sich anwerben zu lassen, und so zweifelte man nicht länger, dass er das stipulierte Regiment bald zusammen haben würde, dafern er nur „seine eigenen Untertanen nicht allzusehr schonte". Das Murren der Rekruten suchte man dadurch zu beschwichtigen, dass man ihnen, wie den Hessen, Aussichten auf den Erwerb von großen Schätzen vorspiegelte; trotzdem aber fand man zur Verhütung von Desertionen es geraten, sie durch ein Korps berittener, mit scharfgeladenen Büchsen bewaffneter Forstbeamten bis Beverungen eskortieren zu lassen.
Der regierende Fürst von Anhalt-Zerbst huldigte, in Bezug auf den Truppenschacher, nicht den Ansichten, welche seine Schwester, die Kaiserin Katharina von Russland, betätigte. Halb verrückt und nur sehr selten in seinem Lande lebend, unterhielt er außerhalb desselben nicht weniger als sechzehn Werbestationen und machte in einem höchst verworrenen Schreiben der englischen Regierung das Anerbieten, ihr seinerseits auch ein Regiment von 627 Mann zu liefern. Er richtete auch einen direkten Brief an Georg III., allein diese Epistel war so konfus und seltsam, dass man Bedenken trug, den König damit zu behelligen, und die Unterhandlungen sich demzufolge vor der Hand zerschlugen.
Der Kurfürst von Bayern sprach gegen Elliot, den englischen Gesandten in Regensburg, ebenfalls den eifrigen Wunsch aus, mit der englischen Regierung ein Truppenlieferungsgeschäftchen zu machen. Sein Anerbieten blieb jedoch so gut wie unbeachtet, denn die bairischen Truppen gehörten damals zu den schlechtesten in Deutschland, und überdies war der bayrische Hof so an Österreich und Frankeich verkauft, dass der Kurfürst selbst es für ratsam erachtete, den englischen Diplomaten dringend zu bitten, gegen seine eigenen Minister von dem gemachten Anerbieten ja nichts verlauten zu lassen!
Am letzten Tage des Februarmonats 1776 kamen die mit Braunschweig und Hessen abgeschlossenen Verträge in dem englischen Parlament zur Sprache. Lord North, der Minister, sagte: „Die Truppen werden gebraucht. Die Bedingungen, unter welchen wir sie uns verschafft haben, sind billiger, als wir erwartet hatten, und die auf diese Weise erworbene Streitmacht wird uns in den Stand setzen, Amerika vielleicht ohne weiteres Blutvergießen zum Gehorsam zu zwingen."
„Das von der Regierung ergriffene Auskunftsmittel", antwortete Lord John Cavendish, „gereicht England zur Schande und dem König zur Demütigung, während es zugleich durch seine Kostspieligkeit das Land in noch tiefere Armut stürzt."
„Unsere Aufgabe", entgegnete der Minister Cornwall, „wird noch vor Ablauf des Jahrs gelöst sein, und wenn dies, wie sich nicht bezweifeln lässt, wirklich geschieht, so werden wir dann die Truppen zu weit billigeren Bedingungen gehabt haben, als es jetzt auf den ersten Blick scheint:"
Lord Irnham fasste die Sache von einem höheren Standpunkte auf, indem er sagte: „Der Landgraf von Hessen und der Herzog von Braunschweig schänden Deutschland in den Augen von ganz Europa, indem sie ihre Länder zu einem Menschenmarkt für den machen, der das meiste Geld hat. Fürsten, welche in solcher Weise ihre Untertanen verkaufen, um sie in blutigen Kriegen opfern zu lassen, erschweren ihr Verbrechen noch dadurch, dass sie viel bessere und edlere Wesen, als sie selbst sind, in den Tod jagen. Der Landgraf von Hessen hat sein edles Vorbild in weiland Sancho Pansa, welcher da aussprach, wenn er ein Fürst wäre, so würde er wünschen, dass alle seine Untertanen Neger wären, damit er sie verhandeln und zu Gelde machen könne."
Doch alle Klagen und Warnungen, alle die bitteren Wahrheiten, welche die Opposition dem Ministerium ins Gesicht schleuderte, blieben vergeblich; von seiner gewohnten Majorität unterstützt, trug dieses den Sieg davon, trotzdem, dass auch im Oberhause gewichtige Stimmen gegen die schmachvollen Verträge laut wurden, ja der Herzog von Cumberland, ein Bruder des Königs, die in dem Munde eines Fürsten der damaligen Zeit befremdenden Worte sprach: „Ich habe mich diesen Bedrückungsmaßregeln von jeher widersetzt und stimme den die Handlungsweise der Minister tadelnden Bemerkungen von Herzen bei. Ich beklage es, sehen zu müssen, dass Braunschweiger, welche früher einmal zu ihrer großen Ehre die Untertanenfreiheit erkämpfen halfen, jetzt ausgesendet werden, um in einem anderen Teile unseres großen Staats die konstitutionelle Freiheit zu unterdrücken."
Die Zahl der von Braunschweig in dem englisch-amerikanischen Kriege gelieferten Truppen betrug den siebenundzwanzigsten Teil der Gesamtbevölkerung des Herzogtums, und der Landgraf von Hessen lieferte gar ein Zwanzigstel seiner Untertanen oder das Viertel der waffenfähigen Männer. Man nahm die jungen Leute, wo man sie fand, hinter dem Pfluge, aus der Werkstatt, oder von der Landstraße hinweg, und Keiner war sicher vor den untergeordneten Werkzeugen der Fürsten, welche dieses schandbare Gewerbe trieben. Fast jede Familie in Hessen betrauerte eins ihrer Mitglieder. Heiterkeit und Lebenslust waren aus den Kreisen des Landvolkes entschwunden. Der größte Teil der Feldarbeit musste von Frauen verrichtet werden, deren verkümmertes Äußere ein beredtes Zeugnis ablegte von der Wuchergier ihres verächtlichen Fürsten.
In einem Briefe an Voltaire sprach der Landgraf, indem er seine Truppenlieferungen erwähnte, den Wunsch aus, die schwierigen Prinzipien der Regierungskunst kennen zu lernen und zu erfahren, wie man die Untertanen zu der Einsicht bringen könne, dass Alles, was ihr Herrscher tue, zu ihrem Besten sei. Eben so schrieb er einen Katechismus für Fürsten, worin Voltaire die Hand eines Schülers des Königs von Preußen zu erkennen glaubte.
„Legen Sie seine Erziehung nicht mir zur Last", antwortete der große Friedrich. „Wäre er ein Zögling aus meiner Schule, so wäre er nimmermehr katholisch geworden und hätte eben so wenig seine Untertanen an die Engländer verkauft, wie man Mastvieh zur Schlachtbank treibt. Er will Fürsten belehren! Die schmutzige Leidenschaft der Habgier ist der einzige Beweggrund seiner niedrigen Handlungsweise."
Ja, aus Habsucht verkaufte er das Fleisch seines eigenen Volkes, beraubte viele seiner Untertanen des Lebens und sich selbst der Ehre. Während die Herzen der Einsichtsvollsten und Besten in Deutschland für die Sache der Amerikaner, schlugen, zwangen der Landgraf von Hessen und seine edlen Vettern die rüstige Jugendkraft seines Landes, die Freiheit zu bekämpfen, welche das Kind der deutschen Wälder und das moralische Leben der deutschen Nation war.
Die an schwarzen Blättern so überreiche Geschichte unserer deutschen Fürstenhäuser hat kaum ein schwärzeres aufzuweisen, als das, worauf dieser schmachvolle Menschenhandel verzeichnet steht, aber die ewige Gerechtigkeit hat es benützt, nicht das schwächste Glied in jener Reihe von Bestrebungen zu bilden, durch welche die Nationen auch den letzten Rest der „guten alten Zeit" austilgen und die bürgerliche Freiheit ihrem endlichen Siegeslaufe um die Erde entgegenführen werden. Gott sei Dank, dass wir Jetztlebenden diesem Ziele um ein gut Stück näher gerückt sind!
Inzwischen hatte der Aufstand in Amerika immer größere Verhältnisse angenommen, und Georg, der zuerst mit Widerstreben daran gegangen war, von den kleinen deutschen Fürsten Soldaten zu kaufen, sah sich genötigt, nunmehr alle diese Skrupel schwinden zu lassen. Seine Minister teilten ihm mit, dass der Herzog von Braunschweig, wenn er sonst wolle, recht wohl wenigstens dreitausend und der Landgraf von Hessen-Kassel fünftausend Mann stellen könnten, und im November 1775 wies Lord Suffolk seinen Agenten, Oberst Faucitt, dahin an: „Ihre Aufgabe ist, so viel Truppen zusammenzubringen, wie Sie nur können. Ich gestehe, dass meine eigenen Hoffnungen in Bezug auf das Ihnen übertragene Geschäft nicht sehr sanguinisch sind, und Sie werden daher, so lange Sie nicht gegründete Aussicht auf Erfolg haben, Ihre offizielle Eigenschaft so wenig als möglich hervortreten lassen. Verschaffen Sie uns, wie gesagt, so viel Truppen, als gehen will, und obschon es Ihnen nur zur Ehre gereichen wird, wenn Sie dies, unter möglichst billigen Bedingungen tun, so muss ich Ihnen doch bemerklich machen, dass im vorliegenden Falle ans Kostenersparnis nicht so viel Rücksicht genommen werden kann, wie unter andern gewöhnlichen Verhältnissen. Es ist die größte Tätigkeit notwendig, denn dem König liegt außerordentlich viel daran, das Unternehmen zu Stande gebracht zu sehen, und Sie werden daher sowohl von Braunschweig, als auch von Kassel aus, sobald Sie wissen, ob Truppen zu erlangen sind oder nicht, augenblicklich einen Courier an mich absenden, ohne erst auf Nennung der Bedingungen zu warten."
Die Befürchtung des englischen Ministers, dass der beabsichtigte Menschenhandel nicht zu Stande kommen werde, war leider eine höchst überflüssige. Eine Menge kleiner Fürsten drängte sich herzu, Truppen anzubieten. „Ich", schrieb unter andern der Fürst von Waldeck, „werde es als eine hohe Gunst betrachten, wenn der König von mir ein Regiment von sechshundert Mann annehmen, will, dessen Offiziere und Mannschaften eben so wie ihr Fürst sicherlich nichts inniger wünschen, als eine Gelegenheit zu finden, sich für Seine Majestät zu opfern." Natürlich ward dies freundliche Anerbieten unter den jetzt obwaltenden Umständen mit tausend Freuden akzeptiert.
Am 24. November machte Faucitt, nachdem er in Stade seine Instruktionen erhalten, sich auf den Weg nach Braunschweig. Herzog Karl von Braunschweig war damals ungefähr 63 Jahre alt. Während der vierzig Jahre seiner Regierung hatte er die Millionen seines Einkommens an seine italienische Oper, an sein Ballettkorps, auf Reisen, an Maitressen, am Spieltische und mit alchymistischen Experimenten verschwendet und außerdem zwölf Millionen Thaler Schulden gemacht. Das Meiste aber hatte ihm seine kleine Armee gekostet, die jetzt im Alter, wo er für andere Lebensgenüsse unfähig geworden, seinen Stolz und seine einzige Freude ausmachte. Seit drei Jahren hatte er den Erbprinzen Ferdinand, der mit Georgs III. Schwester Auguste vermählt war, zum Mitregenten erkoren. Dieser sowohl, als seine Umgebung, war von der Machtvollkommenheit eines legitimen Fürsten durchdrungen. Er liebte zu herrschen und verlangte blinden Gehorsam. Übrigens war er nicht ohne Anlagen. Sein Stolz war, sein Tagewerk gut und pünktlich zu verrichten, und wirklich führte er in mehreren Zweigen der öffentlichen Verwaltung zweckmäßige Ersparnisse ein. Wenn auch den sinnlichen Vergnügungen ergeben, war er doch daneben unermüdlich in der Arbeit. Aber er hatte kein Gemüt und war deshalb weder der Dankbarkeit, noch der Liebe fähig. Ein guter Unteroffizier und die personifizierte Gamaschenpedanterie, sah er mit peinlicher Strenge darauf, dass im Mechanismus des Regiments nicht das kleinste Rädchen ins Stocken kam, — eine Armee im Feld zu führen, dazu fehlten ihm alle Kenntnis und aller Umblick, wie er dies als Feldherr der preußischen Armee in der Schlacht bei Jena 1806 so unheilvoll beweisen sollte.
Noch am Abend seiner Ankunft hatte Faucitt eine Konferenz mit dem Erbprinzen, an welchen ihm der König von England einen besonderen Brief mitgegeben hatte. Ohne die geringste Weiterung erklärte sich Ferdinand mit dem englischen Antrag von Herzen einverstanden und versprach, sich zu Gunsten desselben bei seinem Vater zu verwenden. Dieser gab auch, obschon es ihm ans Leben ging, sich von einem Spielzeug trennen zu sollen, welches der einzige Zeitvertreib seiner alten Tage war, doch aus Rücksicht auf den immer noch misslichen Zustand seiner Finanzen seine bereitwilligste Zustimmung zu dem Schacher.
Die nächste Aufgabe des englischen Unterhändlers war nun, mit Ferrance, dem braunschweigischen Minister, über den Preis der Truppen zu unterhandeln, welche mit Beginn des Frühlings bereit und aus 4.000 Mann Infanterie und 300 Mann Dragonern zusammengesetzt sein sollten. Die Letzteren wurden zwar nicht gebraucht, Faucitt aber nahm sie an, um nicht „diffiziel" zu erscheinen.
Als Handgeld verlangte Braunschweig sechzig deutsche Thaler für den Mann; doch einigte man sich zuletzt auf fünfundvierzig Thaler. Für jeden Soldaten, welcher das Leben verlöre, sollte das Handgeld noch einmal bezahlt werden. Drei Verwundete waren dem Übereinkommen gemäß als ein Toter zu rechnen. — Ein weiterer Gegenstand der Erörterung war der Tag, von welchem an die englische Löhnung gezahlt werden sollte. Braunschweig forderte, dass damit drei Monate vor Ausmarsch der Truppen begonnen würde, begnügte sich indes zuletzt mit zwei Monaten. Wegen des jährlichen Mietpreises stritt man zwei Tage hin und her, bis man sich endlich dahin einigte, dass von dem Tage der Unterzeichnung des Vertrags an jährlich eine Summe von 64.500 deutschen Kronthalern und nach Rückkehr der Truppen in die Heimat zwei Jahre lang das Doppelte dieser Summe gezahlt werden solle.
Im Verlaufe des englisch-amerikanischen Krieges lieferte Braunschweig zusammengenommen 5.723 Mietlinge, eine Zahl, die den sechsten Teil der gesamten waffenfähigen Mannschaft des Herzogtums betrug. Die Folge hiervon war, dass nur zwei der für den englischen Kriegsdienst bestimmten Bataillone aus wirklich regulären Truppen bestanden. Die übrigen waren, ohne dass man sich an die gegebenen Versprechungen gekehrt hätte, zum großen Teil aus noch ungeübten Rekruten, alten Leuten, bartlosen Knaben und aus aller Herren Ländern herbeigeschleppten Vagabunden zusammengewürfelt. —
Von Braunschweig eilte Faucitt, nachdem er sich hier seiner Aufgabe mit so glücklichem Erfolge entledigt, nach Kassel, wo seine Ankunft bereits mit Sehnsucht erwartet wurde. Das hessische Volk besaß damals und besitzt heule noch den kühnen kriegerischen Charakter seiner Vorväter, welche von den Römern nicht unterjocht werden konnten. Die Tapferkeit seiner Söhne hat sich auf allen Schlachtfeldern Europas glänzend bewährt, wie u. A. die Republik Venedig zum großen Teile den Hessen ihre Siege über die Türken zu verdanken halte.
Landgraf Friedrich II. zählte damals ungefähr 56 Jahre und regierte seit beinahe sechzehn Jahren. Seine Erziehung war eine sehr sorgfältige gewesen, seine Gemütsart aber war und blieb gemein und störrig. Die Gattin seiner Jugend, eine Tochter Georgs II. von England, war die Liebenswürdigste und Sanfteste ihres Geschlechts, sah sich aber dennoch genötigt, vor seiner unmenschlichen Behandlung bei seinem eigenen Vater Schutz zu suchen. Dreiundfünfzig Jahre alt, heiratete er noch einmal, lebte aber mit seiner zweiten Gemahlin auf keinem bessern Fuße, als mit der ersten.
Aus Widerwillen gegen „die plebejische Einfachheit der protestantischen Religion", als deren Bollwerk sich das Haus Hessen von jeher betrachtet hatte, war er 1749 zur katholischen Kirche übergetreten. Allerdings zeigte er stets eine gewisse Toleranz, schaffte den Gebrauch der Folter ab und ließ ausgesprochene Todesurteile nur in außerordentlich seltenen Fällen vollstrecken; gleichzeitig aber war er auch der sittenlose Repräsentant der schlimmsten Ausschweifungen seines Zeitalters. Ein Freund von Glanz und üppigem Leben, trug er seine Laster auf die schamloseste Weise öffentlich zu Schau.
Nationalsinn besaß er so wenig, wie fast alle deutschen Regenten der damaligen Zeit; französische Sitten und Gewohnheiten waren sein Ideal. Er hielt seine Oper, sein Ballett, während des Karnevals seine Maskeraden und sein französisches Theater. Eine abgelebte Französin war seine erste Favoritin und ein französischer Theaterintendant sein Bibliothekar. Dennoch aber konnte nichts eine größere Unähnlichkeit mit Frankreich darbieten, als eben der landgräfliche Hof. Das Leben in Kassel war durch und durch geistlos, Anspruch auf Beachtung hatte nur der Adel, um Talent und Begabung kümmerte man sich nicht. So war der Hof beschaffen, dessen Fürsten Faucitt einen zweiten Brief vom englischen König überreichte. General Schlieffen, der Minister, mit welchem er die Unterhandlung zu führen hatte, deutete ihm an, dass er sich von vornherein unbedingt in jede Forderung zu fügen habe; der Landgraf sei außerordentlich launenhaft, und er möge sich gefasst halten, denselben in übelster Stimmung zu finden. Gleichzeitig aber machte sich Schlieffen anheischig, seinen „gnädigsten Herrn" zur Überlassung. von wenigstens 12.000 Mann Infanterie für den englischen Kriegsdienst in Amerika zu bestimmen.
Der Landgraf, welcher sich nicht einmal selbst gestehen wollte, dass er seine Untertanen aus bloßer Habsucht verschacherte, heuchelte den eifrigen Wunsch, die rebellischen Amerikaner zur Botmäßigkeit zurückgeführt zu sehen, und ward dabei so warm und so sanguinisch, dass er fast Lust zu fühlen schien, für die Sache der Monarchie an der Spitze seiner Truppen selbst ins Feld zu ziehen. Dieser Eifer ließ vermuten, dass für die erbetene Hilfe die übertriebensten Gegenforderungen gestellt werden würden. In der Tat wusste man Georg vor allen Dingen eine Summe von mehr als 40.000 Pfd. Sterl. für Hospitalauslagen abzupressen, die man während des letzten Krieges gehabt haben wollte. Das war eine geradezu unverschämte Forderung, denn die betreffende Rechnung war längst geprüft, bezahlt und abgeschlossen. Allein die große Verlegenheit der englischen Regierung zwang diese, den erhobenen Anspruch als begründet anzuerkennen und die Rechnung wirklich zum zweiten Male zu bezahlen.
Das Handgeld scheint in Hessen eben so viel betragen zu haben, wie das, worüber man sich mit Braunschweig geeinigt; da es aber in Kassel nicht bloß für die Mannschaften, sondern auch für die Offiziere bezahlt werden sollte, so ergab der hessische Kontrakt einen Mehrgewinn von zwanzig Prozent. Sein Meisterstück aber lieferte Schlieffen durch die Feststellung der jährlichen Mietsumme. In ähnlichen früheren Verträgen hatte man auf wenigstens vier Jahre stipuliert. Jetzt sprach Schlieffen von einem sechsjährigen Zeitraum. Zwar ging der englische Unterhändler darauf nicht ein, denn er glaubte, dass es zur Beendung des Krieges nur eines einzigen Feldzuges bedürfen würde, aber der Hesse wusste mit seinem Vorschlage doch eine doppelte Mietsumme zu erlangen, welche vom Tage der Unterzeichnung des Vertrags an bis zum Erlöschen desselben bezahlt werden sollte. Außerdem ward auch noch ausbedungen, dass das Geld nicht, wie an Braunschweig, in deutschen Kronthalern, sondern in Banco-Kronthalern bezahlt werden sollte, was dem Landgrafen einen fernerweilen bedeutenden Gewinn abwarf, um so mehr, als der Vertrag zehn Jahre lang in Kraft blieb. Kurz, diese einzige Bedingung spielte dem Landgrafen das kleine Sümmchen von sechs Millionen Thalern in die Tasche! Um aber seinen treuen Untertanen einen Beweis von seiner väterlichen Gesinnung zu geben, setzte er die zur Bestreitung des Aufwandes für die nun vermieteten Truppen neu erhobenen Steuern bis zur Rückkehr der Truppen huldvoll auf die Hälfte herab; die andere Hälfte ward dagegen um so unerbittlicher eingetrieben!
Wohlweislich hatte man sich ausbedungen, dass die von England zu erhaltende Löhnung, welche bedeutend höher war, als die hessische, nicht unmittelbar an die Mannschaften selbst, sondern direkt an die hessische Staatskasse gezahlt werden sollte, wodurch abermals Gelegenheit zu allerhand Übervorteilungen gegeben ward. Auch wusste man es einzurichten, dass die Löhnungsregister schon vom zweiten Monat an stets die Namen von mehr Mannschaften enthielten, als wirklich im Dienst waren. Mit Braunschweig hatte sich der englische Agent, wie wir wissen, über einen für Tote und Verwundete zu zahlenden Preis geeinigt; der Landgraf, von Hessen ließ sich dagegen auf kein derartiges Abkommen ein, sondern behielt sich das Recht vor, für jeden Mann, den er einmal für den englischen Kriegsdienst gestellt, mochte derselbe lebendig, oder dienstunfähig, oder tot sein, bis zum Ablauf des Vertrags volle Löhnung zu verlangen. Faucitt stellte dem Minister vor, dass es unumgänglich notwendig sein werde, den hessischen Soldaten den vollen und uneingeschränkten Genuss ihrer Löhnung ebenso zu gestatten, wie den englischen. „Auf diese Bedingung wage ich nicht einzugehen, denn der Landgraf könnte sich dadurch verletzt fühlen", antwortete der hessische Minister, und als die Sache dennoch vor dem Landgrafen zur Sprache kam, rief dieser: „Sind meine Soldaten nicht meine Kameraden? Und habe ich wohl eine andere Absicht, als sie gut zu behandeln?"
Die kranken und verwundeten braunschweigischen Truppen sollten in englischen Hospitälern verpflegt werden, für die Hessen dagegen beanspruchte der Landgraf das Recht, eigene Hospitäler zu errichten und sich wegen des dabei gehabten Kostenaufwandes später mit der englischen Regierung zu berechnen. Zwar hatte man die für die gemieteten Truppen erforderliche Bekleidung von in England fabrizierten Stoffen anfertigen lassen, der Landgraf aber gestattete nicht, dass ihm auf diese Weise die Gelegenheit abgeschnitten würde, auch hierbei ein „Prositchen" zu machen. Georg hatte geglaubt, der Landgraf könne höchstens 5.000 Mann Infanterie liefern; der dafür bewilligte Preis war aber ein so verlockender, dass der Landgraf, nachdem er die Lieferung von 12.000 Mann abgeschlossen, der englischen Regierung erst noch 400 Mann Scharfschützen, dann noch 300 Mann Dragoner und endlich noch drei Artilleriekorps aufdrang, natürlich gegen Erlegung von Handgeld und verhältnismäßige Erhöhung der jährlichen Mietsumme.
Um nicht von den das Land durchstreifenden Werbern mit Gewalt unter die Soldaten gesteckt zu werden, floh eine Menge junger Leute über die Grenze nach Hannover, und König Georg von England, welcher zugleich Kurfürst von Hannover war, ward daher aufgefordert, den Aufenthalt hessischer Untertanen auf hannöverschem Boden nicht zu dulden, weil der Landgraf sich außerdem am Ende in die Unmöglichkeit versetzt sehen könnte, seine in Bezug auf Truppenlieferungen eingegangene Verpflichtung pünktlich zu erfüllen. Ebenso hielt man es für sehr wesentlich, die vermieteten Truppen durch das Kurfürstentum Hannover nach ihrem Einschiffungsplatze zu dirigieren; denn wenn die Hessen das linke Weserufer entlang durch preußisches Gebiet und vielleicht ein halbes Dutzend kleiner Fürstentümer marschierten, so würden, daran zweifelte man keinen Augenblick, sicher mindestens die Hälfte der Soldaten unterwegs davonlaufen. Ein großer Teil ging freilich gern und willig; hatte man den Soldaten doch vorgespiegelt, Amerika sei das Land goldener Beute und es würde ihnen dort frei stehen, nach Herzenslust zu plündern und in allen Genüssen zu schwelgen.
Nachdem so jeder streitige Punkt den kategorischen Anforderungen des Landgrafen gemäß entschieden war, kam der Vertrag endlich am 31. Januar 1776 zur Unterzeichnung; wenn man aber meint, dass damit Alles schönstens geordnet und der Habgier des Landgrafen kein weiterer Spielraum vergönnt gewesen wäre, so irrt man. Die Zahlung der doppelten Mietsumme sollte vom Tage der Unterzeichnung des Vertrags anheben; der pfiffige Landgraf ließ deshalb, um auch die letzte Gelegenheit zur Plusmacherei nicht unbenutzt zu lassen, die Urkunde auf den 15. Januar zurückdatieren!
Seume, der wackere deutsche Dichter, der zu jener Zeit aus Gewissensskrupeln das Studium der Theologie aufgegeben und die Universität Leipzig verlassen hatte, fiel in Vacha bekanntlich den landgräflichen Werbern in die Hände. Zunächst ward er als Halbarrestant nach der Festung Ziegenhain geschleppt, wo schon viele seiner Unglücksgenoffen lagen, unter welchen er in seiner Selbstbiographie namentlich „einen verlaufenen Musensohn aus Jena, einen bankrotten Kaufmann aus Wien, einen Posamentierer aus Hannover, einen abgesetzten Postschreiber aus Gotha, einen Mönch aus Würzburg, einen Oberamtmann aus Meiningen, einen preußischen Husarenwachtmeister, einen kassierten hessischen Major und andere von ähnlichem Stempel" erwähnt.
Von Ziegenhain wurden die Gepressten über Kassel, wo sie der Landgraf in höchst eigener Person inspizierte, nach Hannöverisch-Münden spediert. „Unser Zug glich so ziemlich einem Transport von Gefangenen," — schreibt Seume, — „denn wir waren unbewaffnet und die bewehrten Dragoner, Gardisten und Jäger hielten mit fertiger Ladung Reihe und Glied fein hübsch in Ordnung."
In Münden auf der Wiese wurden die armen verkauften Seelen von dem englischen Agenten Faucitt besichtigt, und der und jener erhielt dabei einige freundliche Rippenstöße, weil er in das von dem kommandierenden Offizier auf den König von England ausgebrachte Hoch nicht laut genug einstimmte. Auf den Transportschiffen waren die Unglücklichen wie Heringe zusammengeschichtet, so dass auf dem Deck kein Mann geradestehen, Niemand sich frei bewegen konnte. Das Grässlichste waren die immer für je sechs Mann bestimmten Bettkasten. Eben so schlecht stand es mit der Kost an Bord. Die Mannschaften bekamen fast nichts als Speck und Erbsen oder Pudding, den sie sich selbst aus muffigem Mehl halb mit Seewasser, halb mit süßem Wasser und uraltem Schöpsenfett machen mussten. Der vielleicht vier oder fünf Jahr alte Speck war ungenießbar, schwarz und stinkend. Im Schiffszwieback wimmelte es von Würmern und dabei war er so hart, dass man ihn mit Kanonenkugeln aus dem Gröbsten zerschlagen musste. Man behauptete, die Engländer hätten ihn im siebenjährigen Kriege den Franzosen abgenommen; seit der Zeit habe er in Portsmouth im Magazin gelegen, und nun füttere man die Deutschen damit, um von ihnen in Amerika wiederum die Franzosen totschlagen zu lassen. Wenn ein Fass Trinkwasser aus dem Schiffsraum auf das Deck gebracht und aufgemacht ward, so verbreitete es einen kaum zu ertragenden Gestank — und dennoch schlug man sich, um dieser widerlichen Jauche nur teilhaftig zu werden.
Im englischen Parlament ward das Ministerium wegen seiner unbedingten Bewilligung der von dem Landgrafen von Hessen gestellten so übertriebenen Bedingungen scharf zur Rede gesetzt. Es entschuldigte sich damit, dass es nicht anders gekonnt habe, weil der Ausmarsch der Truppen schon in den ersten Tagen des Februar habe stattfinden sollen. Der Landgraf hatte auch in der Tat bis zum 15. Februar dreizehn Bataillone marschfertig, die englischen Anordnungen waren aber so schlecht getroffen, dass, obschon bei längerem Zögern der Verlust eines Feldzugs auf dem Spiele stand, die Admiralität doch zur bestimmten Zeit bei weitem nicht Transportschiffe genug in Bereitschaft hatte und selbst im März noch nicht sagen konnte, wann die noch erforderliche Anzahl verfügbar fein würde. Die erste Abteilung Braunschweiger ging daher erst am 4. April von England unter Segel, und ihr Kommandant war bereits in Quebek, ehe die letzten Mannschaften seines Corps eingeschifft wurden. Die erste Division Hessen passierte den britischen Kanal erst am 10. Mai.
Die Braunschweiger hatten sich nicht minder über die unverantwortlich elende Einrichtung und Ausstattung der Schiffe zu beklagen. Die Bekleidung der Soldaten selbst war alt und nur notdürftig ausgeflickt worden. Der Lieferant, den man mit der Besorgung des Schuhwerks betraut hatte, schickte von London aus einige tausend Paar dünne Tanzschuhe, die obendrein zum großen Teil so klein waren, dass die Soldaten sie gar nicht anziehen konnten. — Auch der Vertrag mit dem zuerst gedachten Erbprinzen von Hessen-Kassel, welcher zugleich souveräner Fürst von Hanau war und auf eigenen Antrieb an den König von England geschrieben hatte, stieß ans kein Hindernis. Der Eifer und die Dienstfertigkeit dieses Fürsten überstiegen alle Beschreibung. In eigener Person machte er die Runde durch die Ortschaften seines Ländchens, um die gewünschten Rekruten auszusuchen, und gab später seinem Regiment auf dem Ausmarsche nach Helvoetstuys, von wo es eingeschifft werden sollte, Höchstselbst das Geleite bis Frankfurt. Seiner Verdienste um England sich bewusst, bettelte er wiederholt um ein „Extradouceur", und Lord Suffolk, der englische Minister, gewährte ihm auch ein solches, aber nur gegen das schriftliche Versprechen der strengsten Verschwiegenheit, damit nicht etwa auch die anderen fürstlichen Menschenhändler mit gleichen Zumutungen angerückt kommen möchten. Bereitwilligst leistete der souveräne Supplikant dies Versprechen in einem in lächerlichem Englisch geschriebenen Brief, worin er zugleich seine frommen Wünsche für das Gelingen des Unternehmens aussprach, zu dessen Durchführung er einen Teil seiner Landeskinder an den König von England verkauft hatte.
Wie wir gehört, hatte sich der Fürst von Waldeck ebenfalls zu Truppenlieferungen erboten; man zweifelte indes, dass er im Stande sein würde, sein Versprechen zu halten. Sein Land war in dieser Beziehung schon über die Gebühr in Anspruch genommen, und es standen bereits nicht weniger als drei Waldeck'sche Regimenter im Dienste der Republik Holland. Wiederholt hatten sich die Stände des Ländchens über den großen Verlust an Untertanen beklagt, der Fürst aber wusste fortwährend einen so uneigennützigen Eifer und eine so warme Anhänglichkeit an den „unvergleichlichen Monarchen" von Großbritannien zu heucheln, dass dies schließlich wirklich einen Kontrakt mit ihm abschloss. Wohl konnte er die versprochenen Truppen nur durch Missbrauch seiner Autorität, oder durch Gewalt, oder durch List zusammenbringen, aber die Dorfgeistlichen unterstützten ihn bereitwillig, indem sie die jungen Leute von der Kanzel herab ermunterten, sich anwerben zu lassen, und so zweifelte man nicht länger, dass er das stipulierte Regiment bald zusammen haben würde, dafern er nur „seine eigenen Untertanen nicht allzusehr schonte". Das Murren der Rekruten suchte man dadurch zu beschwichtigen, dass man ihnen, wie den Hessen, Aussichten auf den Erwerb von großen Schätzen vorspiegelte; trotzdem aber fand man zur Verhütung von Desertionen es geraten, sie durch ein Korps berittener, mit scharfgeladenen Büchsen bewaffneter Forstbeamten bis Beverungen eskortieren zu lassen.
Der regierende Fürst von Anhalt-Zerbst huldigte, in Bezug auf den Truppenschacher, nicht den Ansichten, welche seine Schwester, die Kaiserin Katharina von Russland, betätigte. Halb verrückt und nur sehr selten in seinem Lande lebend, unterhielt er außerhalb desselben nicht weniger als sechzehn Werbestationen und machte in einem höchst verworrenen Schreiben der englischen Regierung das Anerbieten, ihr seinerseits auch ein Regiment von 627 Mann zu liefern. Er richtete auch einen direkten Brief an Georg III., allein diese Epistel war so konfus und seltsam, dass man Bedenken trug, den König damit zu behelligen, und die Unterhandlungen sich demzufolge vor der Hand zerschlugen.
Der Kurfürst von Bayern sprach gegen Elliot, den englischen Gesandten in Regensburg, ebenfalls den eifrigen Wunsch aus, mit der englischen Regierung ein Truppenlieferungsgeschäftchen zu machen. Sein Anerbieten blieb jedoch so gut wie unbeachtet, denn die bairischen Truppen gehörten damals zu den schlechtesten in Deutschland, und überdies war der bayrische Hof so an Österreich und Frankeich verkauft, dass der Kurfürst selbst es für ratsam erachtete, den englischen Diplomaten dringend zu bitten, gegen seine eigenen Minister von dem gemachten Anerbieten ja nichts verlauten zu lassen!
Am letzten Tage des Februarmonats 1776 kamen die mit Braunschweig und Hessen abgeschlossenen Verträge in dem englischen Parlament zur Sprache. Lord North, der Minister, sagte: „Die Truppen werden gebraucht. Die Bedingungen, unter welchen wir sie uns verschafft haben, sind billiger, als wir erwartet hatten, und die auf diese Weise erworbene Streitmacht wird uns in den Stand setzen, Amerika vielleicht ohne weiteres Blutvergießen zum Gehorsam zu zwingen."
„Das von der Regierung ergriffene Auskunftsmittel", antwortete Lord John Cavendish, „gereicht England zur Schande und dem König zur Demütigung, während es zugleich durch seine Kostspieligkeit das Land in noch tiefere Armut stürzt."
„Unsere Aufgabe", entgegnete der Minister Cornwall, „wird noch vor Ablauf des Jahrs gelöst sein, und wenn dies, wie sich nicht bezweifeln lässt, wirklich geschieht, so werden wir dann die Truppen zu weit billigeren Bedingungen gehabt haben, als es jetzt auf den ersten Blick scheint:"
Lord Irnham fasste die Sache von einem höheren Standpunkte auf, indem er sagte: „Der Landgraf von Hessen und der Herzog von Braunschweig schänden Deutschland in den Augen von ganz Europa, indem sie ihre Länder zu einem Menschenmarkt für den machen, der das meiste Geld hat. Fürsten, welche in solcher Weise ihre Untertanen verkaufen, um sie in blutigen Kriegen opfern zu lassen, erschweren ihr Verbrechen noch dadurch, dass sie viel bessere und edlere Wesen, als sie selbst sind, in den Tod jagen. Der Landgraf von Hessen hat sein edles Vorbild in weiland Sancho Pansa, welcher da aussprach, wenn er ein Fürst wäre, so würde er wünschen, dass alle seine Untertanen Neger wären, damit er sie verhandeln und zu Gelde machen könne."
Doch alle Klagen und Warnungen, alle die bitteren Wahrheiten, welche die Opposition dem Ministerium ins Gesicht schleuderte, blieben vergeblich; von seiner gewohnten Majorität unterstützt, trug dieses den Sieg davon, trotzdem, dass auch im Oberhause gewichtige Stimmen gegen die schmachvollen Verträge laut wurden, ja der Herzog von Cumberland, ein Bruder des Königs, die in dem Munde eines Fürsten der damaligen Zeit befremdenden Worte sprach: „Ich habe mich diesen Bedrückungsmaßregeln von jeher widersetzt und stimme den die Handlungsweise der Minister tadelnden Bemerkungen von Herzen bei. Ich beklage es, sehen zu müssen, dass Braunschweiger, welche früher einmal zu ihrer großen Ehre die Untertanenfreiheit erkämpfen halfen, jetzt ausgesendet werden, um in einem anderen Teile unseres großen Staats die konstitutionelle Freiheit zu unterdrücken."
Die Zahl der von Braunschweig in dem englisch-amerikanischen Kriege gelieferten Truppen betrug den siebenundzwanzigsten Teil der Gesamtbevölkerung des Herzogtums, und der Landgraf von Hessen lieferte gar ein Zwanzigstel seiner Untertanen oder das Viertel der waffenfähigen Männer. Man nahm die jungen Leute, wo man sie fand, hinter dem Pfluge, aus der Werkstatt, oder von der Landstraße hinweg, und Keiner war sicher vor den untergeordneten Werkzeugen der Fürsten, welche dieses schandbare Gewerbe trieben. Fast jede Familie in Hessen betrauerte eins ihrer Mitglieder. Heiterkeit und Lebenslust waren aus den Kreisen des Landvolkes entschwunden. Der größte Teil der Feldarbeit musste von Frauen verrichtet werden, deren verkümmertes Äußere ein beredtes Zeugnis ablegte von der Wuchergier ihres verächtlichen Fürsten.
In einem Briefe an Voltaire sprach der Landgraf, indem er seine Truppenlieferungen erwähnte, den Wunsch aus, die schwierigen Prinzipien der Regierungskunst kennen zu lernen und zu erfahren, wie man die Untertanen zu der Einsicht bringen könne, dass Alles, was ihr Herrscher tue, zu ihrem Besten sei. Eben so schrieb er einen Katechismus für Fürsten, worin Voltaire die Hand eines Schülers des Königs von Preußen zu erkennen glaubte.
„Legen Sie seine Erziehung nicht mir zur Last", antwortete der große Friedrich. „Wäre er ein Zögling aus meiner Schule, so wäre er nimmermehr katholisch geworden und hätte eben so wenig seine Untertanen an die Engländer verkauft, wie man Mastvieh zur Schlachtbank treibt. Er will Fürsten belehren! Die schmutzige Leidenschaft der Habgier ist der einzige Beweggrund seiner niedrigen Handlungsweise."
Ja, aus Habsucht verkaufte er das Fleisch seines eigenen Volkes, beraubte viele seiner Untertanen des Lebens und sich selbst der Ehre. Während die Herzen der Einsichtsvollsten und Besten in Deutschland für die Sache der Amerikaner, schlugen, zwangen der Landgraf von Hessen und seine edlen Vettern die rüstige Jugendkraft seines Landes, die Freiheit zu bekämpfen, welche das Kind der deutschen Wälder und das moralische Leben der deutschen Nation war.
Die an schwarzen Blättern so überreiche Geschichte unserer deutschen Fürstenhäuser hat kaum ein schwärzeres aufzuweisen, als das, worauf dieser schmachvolle Menschenhandel verzeichnet steht, aber die ewige Gerechtigkeit hat es benützt, nicht das schwächste Glied in jener Reihe von Bestrebungen zu bilden, durch welche die Nationen auch den letzten Rest der „guten alten Zeit" austilgen und die bürgerliche Freiheit ihrem endlichen Siegeslaufe um die Erde entgegenführen werden. Gott sei Dank, dass wir Jetztlebenden diesem Ziele um ein gut Stück näher gerückt sind!
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Deutscher Menschenhandel im 18. Jahrhundert