Teil 13: Deutsche und Russen im Freiheitskampf gegen Napoleon

Die Petersburger Kadettenanstalt zur Ausbildung der jungen Offiziere war mit von deutschen Lehrkräften aufgebaut worden. So konnte es nicht ausbleiben, dass auch in Russland nicht mehr der bullbeißige Haudegen, sondern wie in Preußen nach dem Vorbild von Clausewitz ein neuer Typ des Soldaten, der Offizier mit vielseitiger Bildung geformt wurde. Es sollte nicht lange dauern, bis diese Offiziere beweisen durften, was sie an militärischem Können aufzuweisen hatten. Napoleon hatte 1806 das auf den Lorbeeren Friedrichs des Großen ausruhende veraltete preußische Heer bei Jena und Auerstedt vernichtend geschlagen. Mit der Ausschaltung Österreichs lag ihm Europa zu Füßen, und so weit seine Macht reichte, "erstickte sie Handel und Wohlstand, die Freiheit der Rede und den Mut der Schriftsteller". (So wurde der Nürnberger Buchhändler Johann Philipp Palm auf Befehl Napoleons erschossen, weil er es gewagt hatte, die gegen die französische Unterdrückung gerichtete Schrift Deutschland in seiner tiefsten Erniedrigung herauszubringen.)

In den unterworfenen Landen, vor allem aus dem mit wohlwollendem Einverständnis deutscher Fürsten gegründeten Rheinbund, presste der Eroberer massenweise Truppenkontingente, die ihm bei seinem letzten großen Schlag, der Niederwerfung Russlands, zu dienen hatten. Aus dem besiegten und brutal unterdrückten Preußen waren etliche der edelsten Patrioten nach Petersburg ausgewichen, wo sie am Hofe des Zaren für die Befreiung ihres Landes und Resteuropas wirkten. Sie stellten u.a. aus deutschen Freiwilligen die deutsch-russische Legion auf. Der bedeutendste Kopf und von Napoleon wegen seiner glühenden Vaterlandsliebe und genialen Reformpläne gefürchtet, war der Freiherr von und zum Stein. Er wurde zum Berater des Zaren. Mit ihm als sein Sekretär war der feurige Freiheitsdichter Ernst Moritz Arndt. Auch der bedeutende Generalstäbler Gneisenau war nach Petersburg gegangen, um den Klauen Napoleons zu entweichen. Carl von Clausewitz, preußischer Generalstäbler und Verfasser des weltbekannten Standardwerkes Vom Kriege, arbeitete ein Neutralitätsabkommen aus, die spätere Konvention von Tauroggen.


Es war der preußische General von Yorck, der, die hirnlose Redensart vom "Kadavergehorsam" des preußischen Offiziers widerlegend, beim Gegenschlag des russischen Heeres entgegen dem Befehl seines Königs das Napoleon unterstellte preußische Korps aus dem aufgezwungenen Bündnis mit den Franzosen löste und damit Kopf und Kragen riskierte. Der russische General Hans von Diebitsch, mit dem er dieses Abkommen schloss, war gebürtiger Schlesier und in der Kadettenanstalt von Berlin-Großlichterfelde erzogen worden.

Bei den nachfolgenden Befreiungskämpfen zogen wieder fremde Heere plündernd und brandschatzend durch die deutschen Lande, und Deutsche kämpften wie so oft in der Geschichte gegen Deutsche. Die Truppen des Rheinbundes hatten in Russland entsetzliche Verluste erlitten. Was nicht fiel, kam beim Rückzug in den Eis- und Schneewüsten des russischen Winters vor Kälte und Hunger um. Von den rund 200.000 deutschen Zwangsverbündeten sahen nur wenige ihre Heimat wieder.

Im Zuge der Befreiungskämpfe lernten die jungen russischen Offiziere Deutschland aus erster Hand kennen. Geistig waren sie schon vorher von der Philosophie Hegels und Schellings beeinflusst. Im Kampf, im Biwak oder bei Einquartierungen in deutschen Häusern entwickelte sich vielfach eine echte Kameradschaft zwischen Deutschen und Russen. Sie einigte ein geistiges Band neben dem Kampf für Freiheit und Unabhängigkeit vom fremden Tyrannen. Die Russen hatten dabei den Deutschen voraus, dass sie nicht mehr für ihre Einigkeit zu kämpfen hatten. Sie kamen aus einem mächtigen Reich, während Deutschland noch immer ein Flickenteppich zumeist lächerlich kleiner und oft rivalisierender Fürstentümer war. Die Jugend Deutschlands, die, zu jedem Opfer bereit, mit ebensolcher Tapferkeit und Begeisterung für ein freies und geeintes Deutschland gekämpft hatte, fühlte sich nach dem Kriege von den Fürsten betrogen und um die Früchte ihres Sieges gebracht. Engherzigkeit und Unterdrückung in den zahllosen "Hoheitsgebieten" bestanden weiter, sichtbar gemacht schon durch eifersüchtig überwachte Grenzpfähle und Schlagbäume!

Anmerkung

Wolfgang Strauß berichtet in der DMZ vom 19/99, dass von den russische Offizieren und Generalen, deren Gemälde in der Petersburger Galerie hingen, nicht weniger als 332 deutsche Namen trugen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Deutsche helfen Russland bauen
Alexander I. Kaiser von Russland

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Die Mecklenburger 1812 im Russlandfeldzug.

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Die Mecklenburger 1812 ... Titelblatt.

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Carl Ludwig Friedrich Herzog von Mecklenburg-Strelitz 1741-1816.

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Herzog Friedrich Franz I. von Mecklenburg-Schwerin.

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Mecklenburger Truppen. Eine Originalseite aus dem Werk.

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Die Große Armee auf dem Rückzug.

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Schlacht an der Moskwa bei Borodino am 7. September 1812.

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