Teil 05: Auch Iwan der Schreckliche braucht die Deutschen

Iwan des III. Enkel war Iwan IV (1530-1584). Das Volk gab ihm den Namen Grosny, der Strenge, auch der Schreckliche. Schon im zarten Kindesalter von dreieinhalb Jahren wurde er Herr des Landes. Seine Untaten sollten die seines Großvaters noch übertreffen. Schon als Kind zeigte er seinen Hang zum Sadismus, indem er kleine Haustiere verstümmelte. Im Alter von 11 Jahren vergewaltigte er eine Dienstmagd, und zwei Jahre später warf er seinen Erzieher in den Zwinger seiner Bluthunde, die Gehorsam zeigten und den Mann zerfleischten.

Später machte er sich ein Vergnügen daraus, zusammen mit einer johlenden Gefolgschaft in den Straßen Moskaus Mädchen aufzugreifen und zu vergewaltigen. Um das wüste Treiben des inzwischen 16jährigen Iwan zu zügeln, wagte der Metropolit den Rat, er solle auf Brautschau gehen. Mehr als 1000 jungfräuliche Töchter erschienen, um vor Iwans Augen Gnade zu finden wer sich solcher Musterung verweigerte, musste mit schweren Strafen rechnen. Die von ihm auserwählte Anastasia Romanowa entstammte einer Bojarenfamilie, die siebzig Jahre später die Zaren des Hauses Romanow hervorbrachte.


Bald nach der mit großem Pomp durchgeführten Krönung Iwans zum Zaren im Jahre 1547 vernichtete eine Feuersbrunst die Hauptstadt. Iwans Großmutter wurde in den Augen des abergläubischen Volkes als die Ursache für den heißen trockenen Sommer und die Zerstörung der Stadt angesehen. Die Menge rottete sich unter ihren Führern zusammen, um den Kreml zu stürmen und die alte Frau zu ergreifen. Iwan ließ kurzentschlossen die Rädelsführer einfangen und sie auf dem Richtplatz vor dem Erlösertor köpfen. Obrigkeitsergeben, beruhigte sich das Volk durch diese Geste und zog sich zurück, um gleichem Schicksal zu entgehen.

Es gehört zum rätselhaften Wesen dieses bizarren und zwiespältigen Monarchen, dass er nicht nur ein Untier in Menschengestalt, sondern ebenfalls ein Staatsmann von Format war. Er führte eine Rechts- und, um seinen Truppen größere Schlagkraft zu verleihen, auch eine Heeresreform durch. Genau wie sein Großvater holte er sich die dazu nötigen Spezialisten aus Deutschland. Mit seinem reorganisierten und modern bewaffneten Heer gelang es ihm im Jahr 1552, die Kasaner Mongolen und zwei Jahre später die um Astrachan zu schlagen. Nach diesen Siegen ließ er zum Dank am Rande des Roten Platzes gegenüber dem Erlösertor die neun-kuppelige Basilius-Kathedrale bauen, bis heute das berühmteste Wahrzeichen Moskaus.

Nach dem Tode seiner ersten Kinder und dem Ertrinken seines jungen Thronerben Dimitrij brach Iwans dämonische Natur wieder durch. Er ging daran, eine ihm blind ergebene Garde, die Opritschina, zu schaffen, deren Aufgabe es sein sollte, Verräter und alle möglichen Feinde aufzuspüren und zu vernichten. Die Machenschaften dieser sich zu einer bedeutenden Macht im Staate vermehrenden Organisation, die auf schwarzen Pferden die Symbole Hundekopf und Besen führten, weisen ähnliche Züge auf wie später GPU und NKWD der Bolschewiken. Es waren Schnüffler und Provokateure, die alles und jeden belauschten, um Menschen aufzuspüren, die auch nur im entferntesten der Tyrannis Iwans abhold waren. Es waren zuletzt an die 10.000 Mann, zum großen Teil reine Verbrecher, die Iwans Machtinstrument von unbarmherziger Grausamkeit ausmachten.

Gleich nach dem Tod seiner Frau Anastasia, bevor sie noch beigesetzt war, bewarb Iwan sich um die polnische Prinzessin Katharina, König Zygmunt-Augusts Schwester.

Die Polen hatten sich aus einer anfangs dünnen Herrenschicht entwickelt, die über unterworfene slawische Volksstämme gebot. Während sie auf laufenden Kriegszügen nach immer neuem Ruhm trachteten, musste die breite Masse der Unfreien in harter Fronarbeit die Äcker ihrer Feudalherren bestellen. Durch geschickte Heiratspolitik war aus dem einst unter der Lehnshoheit deutscher

Kaiser und Könige gestandenen kleinen Herzogtum in wenigen hundert Jahren eine expansive Großmacht geworden. König Zygmunt kontrollierte einen Teil der russischen Wasserwege und hielt einige bedeutende russische Städte besetzt, u.a. Witebsk und Gomel. Durch ein Zusammengehen mit den Mongolen war er zudem bemüht, das Reich Iwans in die Zange zu nehmen.

Iwans Ehewünsche mit der Königs-Schwester hatten also sehr handfeste Gründe. Jedoch waren die Bedingungen des Polenkönigs keineswegs nach Iwans Geschmack: Als Gegenleistung sollte er die Städte Nowgorod, Pleskau und Smolensk samt Hinterland an Polen abtreten. Seine Wut über diese Anmaßung ließ er an Unschuldigen aus, die das Pech hatten, ihm bei dieser Laune zu begegnen. Köpfen war da noch eine vergleichsweise milde Strafe. Erwürgen, zersägen oder lebendig am Spieß braten waren seine "verfeinerten" Methoden.

Tröstungen der Kirche, Glockengeläut oder eigenes Musizieren und Singen mit seiner mächtigen Stimme hielten Iwan eine Weile beschäftigt, ehe er sich entschloss, im August 1561 die Tscherkessin Maria, Schwester eines der schlimmsten Verbrecher seiner Opritschina, zu ehelichen. Sie bescherte ihm einen Sohn und durfte darauf für immer im Terem, dem Frauenhaus, verschwinden.

Bezeichnend für Iwans gespaltene Persönlichkeit wurde fast gleichlaufend mit seinen Exzessen auf seine Veranlassung das mächtige Uralgebirge erschlossen. Abgesehen von seiner kräftig betriebenen persönlichen Bereicherung bewies er einen bemerkenswerten Scharfsinn für die wirtschaftlichen Möglichkeiten mit den in dem 3.170 km langen Gebirgszug verborgenen Schätzen. Zur Findung und Ausbeutung der Schürfstellen holte man die bereits bestens bekannten hochqualifizierten deutschen Arbeiter, Steiger, Hauer und alle möglichen Handwerker. Mit Hilfe dieser Deutschen entstanden im Ural bald über 100 Städte und Marktflecken.

So weitblickend Iwan in wirtschaftlicher Hinsicht war, so weitgespannt waren seine geopolitischen Pläne. Was dem Binnenstaat fehlte, war der Zugang zum Meer. Die Wolga mit ihren Nebenflüssen verband den Norden Russlands mit dem Orient. Da der Zar nach dem Willen Gottes zum Herrscher der Welt bestimmt war, brauchte man nicht mehr nach Rechtfertigungen für die ständigen Eroberungen und Ausweitung des russischen Reiches nach Osten zu suchen. Das gleiche galt folgerichtig für den zähen und hartnäckigen Kampf der russischen Herrscher um den Besitz oder die Kontrolle der Ostseehäfen in der Rigaer Bucht und im Finnischen Meerbusen.

Kurland, Livland und Estland waren zu dieser Zeit von fremden Mächten eingekeilt. Die Deutschen stellten die kulturtragende Schicht. In diesem Raum hatte sich die Reformation schneller als anderswo durchgesetzt. Schon 1522, kurz nach Luthers Anschlag seiner 95 Thesen, war Riga eine evangelische Stadt. Bald war ganz Livland protestantisch, und die Lieder in den Kirchen wurden niederdeutsch gesungen. Eine lettische oder estnische Schriftsprache gab es noch nicht; sie wurde erst von deutschen Geistlichen entwickelt!

Wegen der Schwäche und Zerrissenheit des Reiches hatten diese Menschen, wenn in Not, vom deutschen Kaiser keine Hilfe zu erwarten. Sie mussten daher bemüht sein, aus eigener Kraft ihre Einverleibung durch Russland mit vielen Konzessionen an Polen, Schweden oder Dänemark zu verhindern. Doch es sollte nicht lange dauern, bis Iwans Appetit ihn nach all seinen früheren Eroberungen auch zur Offensive gegen die Ostseehäfen ansetzen ließ. Im Jahr 1563 rächte er sich zunächst an König Zygmunt und vertrieb die Polen aus Polozk. Doch bevor er seinen Marsch zur Ostseeküste fortsetzte, kehrte er plötzlich nach Moskau zurück, wo er eine blutige Säuberungswelle unter Geistlichen und Beamten durchführte.

Nach dem Tod von Iwans zweiter Frau und nach Depressionen, die ihn sogar bei der englischen Königin um Asyl anhalten ließen, ersann er zur Abwechslung wieder eine Strafexpedition gegen das einst so stolze Nowgorod. Ihn ärgerte die noch immer frische Luft dieser Stadt mit ihrem offenen Fenster gen Westen und die Aufgeschlossenheit und Weltoffenheit ihrer Bürger. Sein Reich musste hinter verschlossenen Mauern, abgeschnitten von der restlichen Welt bestehen.

Auf seiner Strafexpedition ging er mit gewohnter Brutalität vor. Alle ihm als verdächtig gemeldeten Personen, vor allem die Deutschen, die dort als Kaufleute, Ärzte oder Handwerker lebten und wirkten, ließ er durch ein in der Eisdecke der Wolga geschlagenes Loch mit Stangen unters Eis schieben. In Nowgorod selbst ließ er die Bewohner abstechen, verbrennen oder zusammentreiben, aneinanderfesseln und mit einer von ihm selbst erfundenen brennbaren Klebmasse überstreichen und brennend, an Pferde gebunden, über das Eis des Ilmensees schleifen.

Nachdem seine dritte Frau kurz nach der Hochzeit gestorben war, ließ er den Bruder seiner zweiten Frau, den er des Giftmordes beschuldigte, und weitere Opfer vom Unterleib bis zum Schlund auf einen spitzen Pfahl ziehen. Insgesamt brachte Iwan es auf neun Frauen, Henry VIII. von England also um eine noch übertreffend! Die fünfte hatte er von wilden Pferden in einen Fischteich schleifen und ertränken lassen, wonach der englische Diplomat seiner Königin berichtete: "Viele Opfer sterben in diesen Teichen. Die Fische aus ihnen gelten als Leckerbissen an der Tafel des Zaren."

Der Zerfall des Deutschen Ordens und Kämpfe zwischen rivalisierenden deutschen Interessengruppen erleichterten es dem gierigen Machthaber, die vom Deutschen Reich im Stich gelassenen Musterstädte zu berennen. Seine ersten Opfer waren Dorpat, Narwa und Fellin. Deren überlebende Bürger ließ er ins Innere Russlands verschleppen. Die gefangenen Ordensritter wurden auf dem Roten Platz enthauptet. Ordensmeister Wilhelm von Fürstenberg starb mannhaft und aufrecht im Kerker, letzter Zeuge einer ritterlichen Tradition.

Reval und Riga hielten der Belagerung stand. In den kleinen Städten, die von den russischen Truppen belagert und eingenommen wurden, ließ Iwan die deutschen Frauen und Mädchen von seinem Kriegsvolk vergewaltigen. Die Männer wurden nach Osten deportiert, und Iwan bereicherte sich mit allem erreichbaren Schmuck und Silber aus den deutschen Häusern.

Einen ernstzunehmenden Gegner fand Iwan endlich in dem Polenkönig Stephan Bathorny, der Iwan in einem Schreiben die wenig schmeichelhaften Worte zukommen ließ: "Wer bist Du denn... Du bist der Henker Deines Volkes! Du byzantinischer Doppeladler verkriechst Dich, sobald Feinde auftauchen! Zeige einmal Mut und stelle Dich zum Zweikampf!"

Statt dieser ihm wenig zusagenden Forderung nachzukommen, erbat Iwan sich mit frecher Stirn von Königin Elisabeth die Unterstützung der englischen Flotte, um die Polen aus Livland zu vertreiben. Nach ihrer Weigerung ließ er aus Wut einige tausend seiner erfolglos kämpfenden Soldaten hinrichten. Als klugen Schachzug wollte er als neunte Frau (von der achten war er noch nicht getrennt) die Nichte Elisabeths, Mary Hastings, heiraten. Doch die schon 30jährige blatternarbige Mary, obwohl nicht gerade heiß umworben, zeigte keinen Ehrgeiz, das Los von Iwans vorhergegangenen Frauen zu teilen.

Groß war Iwans Sorge um eine würdige Nachfolge für sein Reich. Doch den Zarewitsch, der seinem Vater einmal Vorhaltungen wegen dessen Wüten gemacht hatte, hatte Iwan mit einer Eisenstange erschlagen. Übrig blieb nur der schwachsinnige Fjodor. Noch ein Sohn, Dimitrij (Demetrius), den ihm seine achte Frau Maria schenkte und von dem später noch die Rede sein wird, wurde nur acht Jahre alt. Als Iwan am 18. März 1584 an innerer Verfaulung starb, läuteten tagelang die Glocken, und das Volk strömte in Scharen von weit her, um den ihm von Gott gegebenen Zaren zu beweinen!

Der erratische, unberechenbare, unmenschliche Despot hinterließ ein Reich, dessen Ausdehnung sich verdoppelt hatte und dessen Handel und Industrie und politisches Konzept die künftige Weltmacht ankündigten.


Dieses berühmte Gemälde von I. Repin zeigt Iwan den Schrecklichen mit seinem Sohn, den er in einem Wutanfall erschlagen hatte. (Tretyakov Kunstgalerie, Moskau)
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Deutsche helfen Russland bauen
Iwan der Schreckliche

Iwan der Schreckliche

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Iwan der Schreckliche zeigt seine Schätze

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