Teil 04: Der Aufstieg zur Großmacht unter dem Doppeladler

Iwan III., selbsternannter Nachfolger der Cäsaren unter dem neuen Titel Zar war ein Machtmensch, dessen Machenschaften als Vorläufer der in unserer Zeit gängig gewordenen politischen Methodik gelten können ein Meister im Erfinden moralischer Motive, der Verschleierung, der Desinformation und Subversion. Er redete zwar noch nicht von „Menschenrechten“ und „Demokratie", dafür aber von der „Bewahrung des Friedens" oder der „Vereinigung seines Vatererbes" bei seinen räuberischen Feldzügen.

Nach dem rechtzeitigen Ableben seiner ersten Frau unter mysteriösen Umständen war Iwan frei gewesen, die Prinzessin Sophia zu heiraten, Nichte Konstantins XI., des 1453 bei der Verteidigung seines Palastes gefallenen letzten Kaisers von Byzanz. Die Ehe mit Sophia bescherte ihm neun Kinder und mit dem Symbol des byzantinischen Doppeladlers den Anspruch auf die Weltherrschaft.


Mit ihren weitreichenden politischen Kontakten bewog Sophia im Sommer 1486 den deutschen Ritter Poppel als Gesandten Kaiser Friedrichs III. zu einem Besuch nach Moskau. Damit sollte die 250 Jahre andauernde, durch die Mongolenherrschaft bedingte Isolierung Russlands von der restlichen Welt durchbrochen werden. Die von Poppel vorgeschlagene Ehe zwischen dem Kurfürsten von Sachsen oder von Brandenburg mit einer Tochter des Zaren fand zunächst nicht die Gegenliebe Iwans, der allen Fremden gegenüber von Misstrauen beherrscht war. Er kannte nur Unterwerfung oder Unterworfenwerden.

Ein Jahr später jedoch hatte Iwan seinen Sinn geändert und schickte den Griechen Trachaniotes, einen von Sophias Diplomaten, nach Deutschland, um deutsche Handwerker und Fachleute für seinen Bergbau und seine Rüstung anzuwerben. Und sie wanderten. Auch ein deutscher Arzt hatte das Wagnis unternommen, sich dieser Gruppe anzuschließen, obwohl er hätte wissen sollen, dass Ärzte am Hofe Iwans unter einer ungewöhnlichen Mortalitätsrate litten. Iwan hatte nämlich die Gepflogenheit, bei jeder fehlgeschlagenen Behandlung den unglücklichen Arzt entweder köpfen oder, in milderen Fällen, einkerkern zu lassen.

Deutsche Handwerker standen jedoch weiterhin in hohem Kurs und wurden scharenweise von Iwan angeworben. Sie bildeten schließlich mit anderen Deutschen in Moskau einen eigenen Stadtteil, die "Njemezkaja Sloboda", die deutsche Vorstadt. Viele von ihnen brachten es durch Leistungen zu Ansehen. Nur der deutsche Arzt, der einen unheilbaren Tatarenfürsten auf Geheiß Iwans hatte behandeln müssen, wurde nach Fehlschlag der Behandlung aus kalter Berechnung von Iwan den Tataren mit der Bemerkung ausgeliefert, dass sie ihn nach ihren Wünschen zu Tode foltern konnten. Von welchem Angebot sie dann auf ihre Weise Gebrauch machten.

Die Unterwerfung der verbliebenen russischen Teilfürstentümer und die Neutralisierung der Goldenen Horde genügten dem Herrscher unter dem Doppeladler nicht. Sein Augenmerk richtete sich nun auf die bei weitem reichste Stadt Russlands, wo Deutsche und Russen eine fruchtbare Symbiose eingegangen waren und wo bürgerliches Selbstwertgefühl in krassem Gegensatz zur sklavischen Unterwürfigkeit des neuen russischen Menschen stand: Nowgorod musste bezwungen oder vom Erdboden vertilgt werden!

Da Iwan wie die meisten Herrscher Geld brauchte, legte er zunächst der Stadt die dreifache Steuer auf, die sie jemals an die Goldene Horde hatte zahlen müssen. Als die Deutschen Einspruch gegen diesen Willkürakt erhoben, gab Iwan ihnen die Begründung, dass sie ja keine Christen seien. Er ließ ihre Petrikirche plündern und ihre Waren beschlagnahmen. Durch seine Agenten wußte Iwan, geschickt künstliche Unruhen in der Stadt entstehen zu lassen, die ihm dann den Vorwand gaben, sich als "Retter" mit seinen Soldaten der Stadt aufzuspielen.

Im Mai 1471 führte Iwan einen neuen Schlag gegen das verhasste Nowgorod. Sein Ziel war, die Stadt vom Hinterland wie von der Ostsee abzuschneiden. Bei seinem Anmarsch ließ er alles niederbrennen, das Vieh abtreiben, die Menschen erschlagen oder als Beute verschleppen. Die Nowgoroder, die mehr Kaufleute als Soldaten waren, vermochten ihm keinen ernsthaften Widerstand zu bieten. Und die vom König von Polen versprochene Hilfe blieb aus.

Iwan hatte von den Mongolen gelernt. Er ließ alle Führer seines Gegners köpfen. Gefangenen ließ er Nasen und Lippen abschneiden. Nach seinem "Friedensdiktat" ließ er die von seinen Agenten ausgemachten Widersacher in Ketten nach Moskau schaffen. Das Vermögen der Bürger wusste er einzuvernehmen, indem er alles auf Wagen packen und nach Moskau befördern ließ.

In einem erneuten Feldzug gegen die Stadt im Oktober 1477 wütete er wiederum mit gewohnter Grausamkeit. In den Ruinen der Stadt ließ er Pyramiden aus abgeschlagenen Köpfen errichten. Die nach Moskau Verschleppten ließ er in Kerkern verschmachten und die dort Verendeten zu Fischfutter verarbeiten.

Zwei Jahre später, im Januar 1480, enttarnten seine Späher immer noch Menschen, die ihm nicht unterwürfig genug waren. Etwa hundert Männer ließ er ergreifen und unter das Eis des Wolchow schieben. Frauen und Töchter ließ er als Sklavinnen verkaufen.

Nach all diesen Strafexpeditionen blieb von der einst blühenden Stadt nicht mehr viel übrig. Von den alten Nowgoroder Familien lebten nur noch die Deutschen. Auch sie wurden 1495 eingekerkert, ihr Besitz beschlagnahmt. Erst als ihm klar wurde, dass er die Verbindungen der Deutschen für den Ostseehandel benötigte, gab er einigen von ihnen ihr Vermögen zurück.

Unter Iwan wurde die absolute Despotie vollendet. Die Worte Freiheit oder Würde existierten nicht mehr. Alle Russen waren Teil der neuen Hackordnung, Sklaven in Zwischenstufen, wo Untergebene wiederum ihre eigenen Sklaven hatten. Für die solcherart moralisch Zertretenen blieben nur noch Wodka und Gebet. Ihr erbärmliches Dasein wurde ihnen in den vergoldeten Kirchen von den Popen als gottgewollt vermittelt. Schläge, Misshandlungen, Ausbeutung wurden ebenso allgemein wie Bestechung, Unfähigkeit, Faulheit und Schluderwirtschaft, ein himmelweiter Gegensatz zum Freiheits- und Ordnungssinn des germanischen Menschen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Deutsche helfen Russland bauen