Ich steh auf einem hohen Berg

Ich steh auf einem hohen Berg,
Seh’ ’nunter ins tiefe Tal,
Da sah ich ein Schifflein schweben,
Darin drei Grafen saß’n.

Der jüngste von den Grafen,
Der in dem Schifflein saß.
Der gebot seiner Lieben zu trinken
Aus einem Venedischen Glas. *)


„Was gibst mir lang zu trinken,
Was schenkst Du mir lang ein?
Ich will jetzt in ein Kloster gehn,
Will Gottes Dienerin sein.“

„Willst Du jetzt in ein Kloster gehn,
Willst Gottes Dienerin sein,
So geh in Gottes Namen:
Dein’sgleichen gibts noch mehr.“

Und als es war um Mitternacht,
Dem jungen Grafen träumt’s so schwer,
Als ob sein allerliebster Schatz
Ins Kloster gegangen wär’.

„Auf Knecht, steh’ auf und tummle dich,
Sattl’ unser beide Pferd!
Wir wollen reiten, sei Tag oder Nacht;
Die Lieb ist Reitens wert.

Und da sie vor jen’s Kloster kamen,
Wohl vor das hohe Tor,
Fragt’ er nach jüngst der Nonnen,
Die in dem Kloster war.

Das Nönnlein kam gegangen,
In einem schneeweißen Kleid:
Ihr Haar war abgeschnitten,
Ihr roter Mund war bleich.

Der Knab er setzt sich nieder,
Er saß auf einem Stein:
Er weint die hellen Tränen,
Brach ihm sein Herz entzwei.

*) Nach der Sage ein Glas, das den Trank vergiftete.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Deutsche Volkslieder