Ich stand auf hohem Berge

Ich stand auf hohem Berge,
Sah nieder ins tiefe Tal;
Ein Schifflein sah ich fahren,
Darin drei Grafen war’n.

Der jüngste von den Grafen
Der in dem Schifflein saß,
Gab mir einmal zu trinken
Kühlen Wein aus einem Glas.


Was zog er ab vom Finger?
Ein güldnes Ringelein;
Sieh da, Du Hübsche und Du Feine,
Das soll Dein eigen sein!

Was soll ich mit dem Ringe?
Bin gar ein junges Blut;
Dazu ein armes Mädchen,
Hab weder Geld noch Gut.

„Bist Du ein armes Mädchen,
Hast weder Geld noch Gut,
So denk an unsere Liebe,
Die zwischen uns Beiden ruht!

Ich weiß von keiner Liebe,
Weiß auch von keinem Mann:
Ins Kloster will ich ziehen,
Will werden eine Nonn.

„Willst Du ins Kloster ziehen,
Willst werden eine Nonn;
So will ich nicht mehr ruhen,
Bis dass ich zu Dir komm.“

Der Herr rief seinem Knechte:
„Sattl’ mir und dir zwei Pferd!
Vor’s Kloster wollen wir reiten,
Der Weg ist Reitens wert.“

Und wie er kam vor’s Kloster,
Ganz freundlich klopft er an:
„Gebet mir die jüngste Nonne,
Die erst ist kommen an.“

Es ist keine angekommen,
Es kommt auch keine heraus! —
„So will ich das Kloster anzünden,
Das schöne Gotteshaus.“

Da kam sie hergeschritten,
Schneeweiß war sie bekleid’t;
Ihr Haar war abgeschnitten,
Zur Nonn war sie bereit.

Sie hieß den Herrn willkommen:
„Willkommen aus fremdem Land!
Wer hat Euch heißen kommen,
Wer hat Euch hergesandt?“
Sie gab dem Herrn zu trinken —
Aus einem Becherlein.
In zweimal dreizehn Stunden,
Schlugs ihm sein Herz entzwei.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Deutsche Volkslieder