Sprichwörter und Redewendungen

Deutsche Sprichwörter.

Herausgegeben und mit einem kritischen Nachwort begleitet von Friedrich Latendorf (1831-1898)
Autor: Neanders, Michael (1525-1595), Erscheinungsjahr: 1864
Themenbereiche
Enthaltene Themen: sprichwörter, herkunft, redewendungen, bedeutung, deutsch, geschichte
Sprichwörter - Einführung

Die Sprichwörtersammlung Neanders, die der vorstehende Abdruck erneuert und als Gemeingut unsrer vaterländischen Literatur zugänglich gemacht hat, kann für unsere Zeit geradezu als verschollen bezeichnet werden. Nicht nur dass die Verfasser unsrer größeren literargeschichtlichen Werke mit Ausnahme des einen Goedeke über Neanders Sammlung weder direkt noch indirekt Auskunft geben: auch Zacher und wer sonst unter unsern Zeitgenossen im Einzelnen von der Literatur der Sprichwörter gehandelt hat, ist mit Neanders einschlagender Tätigkeit völlig unbekannt geblieben. Es erscheint demnach angemessen, die wenigen Zeugnisse zusammenzustellen, die uns über Neanders Sprichwörter begegnet sind.

Zunächst erwähnt Goedeke,*) dem Neanders Arbeit selbst nicht zugänglich war, dass der jüngere Zeitgenosse und Schüler Neanders, der Braunschweiger Prediger Petri, in seiner reichhaltigen Sammlung „der Teutschen Weissheit, Hamburg 1604 ff.“ ausdrücklich auf die Veterum sapientum Germanorum sapientia Bezug nehme, die in Neanders Ethica vetus et sapiens enthalten sei.

*) Grundriss zur Geschichte der deutschen Dichtung 1899.§ 103. S. 113.

Nach Petri ist dann unsres Wissens von Neanders Tätigkeit für das deutsche Sprichwort volle zwei Jahrhunderte hindurch keine Rede weiter. Erst Nopitsch*) erwähnt wieder, dass Mich. Neander in seiner Ethica veterum Latin. Sapient. P. II. (edit. 1585. 8.) fol. 126 ff. auch eine Sammlung deutscher Sprichwörter in alphabetischer Ordnung herausgegeben; dieselbe Sammlung stehe in dem zweiten Teile der Ausgabe von 1586.

Diese Notiz hat Zacher die deutschen Sprichwörtersammlungen Leipzig 1852 unbeachtet gelassen; vermutlich aus einem kritischen Bedenken. Denn da Nopitsch sein Verzeichnis der deutschen Sprichwörter mit der lateinischen Übersetzung Heinrich Bebels von 1508 einleitet, so lag die Vermutung nahe genug, auch Neanders Werk werde, zumal bei einem lateinischen Titel, nur eine Übersetzung deutscher Sprichwörter, nicht diese selbst im Original bieten.

Wie Zacher, übersah auch der früh verschiedene, verdienstvolle Bibliograph P. Trömel die Angabe bei Nopitsch. In dem von ihm oder unter seiner Redaction verfassten Antiquar. Anzeiger von Brockhaus IV. nr. 920. wird eine Ausgabe der Ethice vetus gleichfalls in 2 Bänden vom Jahre 1585 und 1586 erwähnt mit folgendem Zusatz: „Fehlt in Nopitsch Lit. der Spr. — Enthält ausser einer sehr reichhaltigen Sammlung lateinischer noch einen Anhang deutscher Sprichwörter.

*) Literatur der Sprichwörter, 1822.

Aus beiden Angaben, der bei Nopitsch wie der bei Brockhaus, welcher letztere ohne zureichenden Grund die Vollständigkeit seines Vorgängers verdächtigt,*) ergibt sich soviel mit Sicherheit, dass eine Sammlung deutscher Sprichwörter von der Hand Mich. Neanders um daß Jahr 1585 vorhanden war. Auf dasselbe Resultat führt die Ausgabe, die wir bei der Veröffentlichung dieser Sprichwörter zu Grunde gelegt haben, Lipsiae, M. Lantzenberger. 1590. 8. (Exemplar der Gymnasial-Bibliothek zu Schwerin.)

In dieser Ausgabe sind drei Teile der Ethice vetus verbunden. Die beiden ersten sind und waren auch ursprünglich von einer Sammlung deutscher Sprichwörter nicht begleitet. Beide Teile finden sich ohne eine solche bereits in einem Eislebener Drucke (Isleb. Vrbanus Gubisius) vom Jahre 1581 (gleichfalls auf der eben erwähnten Bibliothek), der in Titel und Inhalt mit dem späteren Leipziger Drucke genau übereinstimmt. Hier genügt die kurze Angabe, dass der erste Theil ethische Aussprüche römischer Prosaiker, der zweite ähnliche Sentenzen von römischen und neulateinischen Dichtern enthält.

*) Zur Entschuldigung Trömels, der seinen Hund gegen mich nicht mehr öffnen kann, will ich nicht verschweigen, dass Nopitsch S. 210 eine Ethic. vetus vom Jahre 1591 unter den lateinischen Sprichwörtern aufführt und dort unkritisch die früher erwähnten Ausgaben fortlässt.

Die deutschen Sprichwörter kamen erst im Jahre 1585 hinzu, wie sich mit Sicherheit aus der Dedication ergibt, welche Neander diesem dritten Teile seiner Ethik — er umfasst außer den deutschen Sprichwörtern auch eine reiche Zusammenstellung sogen, leoninischer Verse — besonders vorausgeschickt hat. Ed. 1590, S. „248—264. Dieselbe ist an seinen Bruder Jobs gerichtet und aus Ilfeld den 30. Mai 1585 „in ipsa pentecoste“ datirt.

Neander berichtet hier in der eingehendsten Weise über seine Jugendzeit und den Anfang seiner literarischen Bildung, handelt dann ausführlich von den Quellen der leoninischen Verse, von denen er bereits vor Jahren eine Sammlung seinem Bruder zugedacht hätte; und nachdem er noch kurz der deutschen Sprichwörter und der persönlichen Beziehungen zu Verwandten und Freunden gedacht tat, schließt er mit der Nachricht, dass er seit 35 Jahren ununterbrochen trotz körperlicher Beschwerden und der mannigfachsten Hindernisse die Jugend in allen Disziplinen unterweise; sein Wunsch und seine Bitte zu Gott gehe dahin, auch fernerhin in lehrerischer und schriftstellerischer Wirksamkeit der Jugend nützen zu können.

Diese Dedication, die Aber Neanders Leben die erwünschtesten und überraschendsten Aufschlüsse bietet, ist selbst den Männern, die eingehend und liebevoll mit Neanders Persönlichkeit und Wirken sich beschäftigt haben (Havemann, Mittheilungen aus dem Leben von M. N., Göttingen 1841; K. v. Raumer Geschichte der Pädag. I. 3. Aufl. 1857) unbekannt geblieben. Kann es da noch befremden, wenn auch seine deutschen Sprichwörter der allgemeinen Kenntnis sich entzogen haben? Noch weniger wird man es mir verargen, wenn ich nicht im Stande bin, Aufschluss darüber zu geben, ob jene zwei Teile der Ausgabe von 1585 — 86 bereits alles das enthalten, was Lantzenberger von S. 247 ab mit dem Separattitel des dritten Teiles bezeichnet hat, d. h. die Dedication, die lateinischen und die deutschen Sprüche.

In jedem Fall aber ist dies eine Frage untergeordneter Art, die in einer gelegentlichen Notiz ihre Erledigung finden kann und wird; die Sprichwörter selbst finden sich ebenso gut und vollständig in der Ausgabe von 1590 wie in irgend einer früheren. Ich bemerke daher nur, dass der Titel zu denselben, der ihr Lob in so beredter Weise verkündigt, S. 321 steht; die Sprichwörter selbst folgen darauf von S. 323 — 351. Unmittelbar darunter steht das auch in anderen Schriften wiederkehrende Motto Leanders: Ecclesiast. 7. (leg. I). Vanitas vanitatum, et omnia vanitas mit der Schlussschrift des Druckers: Finis. Lipsiae. Imprimebat Michael Lantzenberger. Anno MDXC.

Unser Druck gibt, abgesehen von den Lettern, sein Original mit genauer Sorgfalt wieder. Wir „haben sogar Zeilen- und Seitenausgänge beibehalten, und nur die Paginirung und Signatur des Originals fortgelassen. Unterblieb dies auch zunächst nur deshalb, weil nicht die Editio princeps vorlag: so schien uns doch selbst für den Zweck des Citirens ein blosses: Neander unter A. B. etc. vollauf zu genügen.

So weit hiervon. Eher könnte es fraglich sein, ob die Sprichwörter selbst ehre vollständige Veröffentlichung verdienten, und ob nicht eine Probe, für deren Mitteilung mehr als ein literarisches Organ zu Gebote stand, zu ihrer Charakteristik genügt hätte. Uns wollte es nicht so bedünken.

Wir glaubten eine vollständige Wiederholung schon unserm Zeitalter schuldig zu sein, das Sprichwörter und Sprichwörtersammlungen mit besonderer Teilnahme zu verfolgen scheint; in noch höherem Grade aber war die Persönlichkeit Neanders und die innere Gediegenheit seiner Sammlung es wert, die öffentliche Aufmerksamkeit darauf hinzulenken.

Schwerin, im Januar 1864.


Weitere Werke

Plattdeutsche Sprichwörter

Illustration mit einem deutschen Sprichwort

Illustration mit einem deutschen Sprichwort