Bis zum 14. Jahrhundert
Plinius berichtet schon von einer gewaltigen Sturmflut, welche den größten Teil der Cimbern und Teutonen gezwungen haben soll, sich nach gesicherteren Wohnstätten in Südeuropa umzuschauen. Wie wir aus Mitteilungen des eben genannten Schriftstellers und aus solchen des Ptolemäus wissen, lag die Heimat den cimbrischen Volkes im äußersten Norden des germanischen Landes, im cimbrischen Chersonesus, also in dem heutigen Jütland und wohl auch im nördlichen Teil des Herzogtums Schleswig. Das erste Erscheinen der Cimbern im Lande der Taurisker, in der Umgegend von Klagenfurt, fällt in das Jahr 113 v. Chr., woraus zu schließen wäre, dass die obenerwähnte Wasserflut wohl einige Jahre früher stattgehabt hätte. Nach Eugen Traeger ist jedoch die erste historisch festgestellte Flut diejenige gewesen, welche 445 Jahre später, also 333 nach des Heilands Geburt, die germanische Nordseeküste verheert hat. In den darauf folgenden Jahrhunderten haben sich derartige Ereignisse mehrfach wiederholt, so um 516 wo in den friesischen Landen über 6.000 Menschenleben von den Wasserfluten vernichtet wurden, und im Jahre 819, das den Untergang von 2.000 Wohnstätten an der Nordsee gesehen hat. In jene fernen Zeiten fallen auch die ersten bedeutenderen Versuche, die Küsten durch besondere Schutzbauten, durch Deiche, vor der Zerstörung durch die See zu bewahren, zumal die von den Fluten immer mehr zerrissenen und zu Grunde gerichteten Dünensäume nicht länger mehr dem Anprall der Wogen stand zu halten vermochten. Aber erst vom Jahre 100 ab wurden die Deichbauten mit größerem Eifer betrieben, insbesondere in den Dreilanden, dem jetzigen Eiderstedt und auf Nordstrand.
Von den zahlreichen Fluten, über welche uns von den verschiedenen Chronisten Frieslands, insbesondere von Anton Heinrich in seiner nordfriesischen Chronik berichtet wird, ist, wie in neuerer Zeit von Reimer Hansen an der Hand kritischer historischer Forschung dargetan wurde, bei weitem der größere Prozentsatz zu streichen. Im zwölften Jahrhundert kommen für Dithmarschen und Nordfriesland in Betracht die Flut vom 16. Februar 1164 und vielleicht auch diejenige von 1158. Für das dreizehnte Säkulum ist wohl die Kathastrophe vom 17. November 1218 verbürgt, bei welcher nach Peter Say „im Oldenburgischen Jadeleh, Wardeleh, Aldessen in Rustringen vergangen; in den Nordländern volle 36.000 Menschen ertrunken“. Vielleicht ist damals auch die Lauenburger Harde durchgerissen worden, wie Heimreich erzählt. Ebenso wird die Flut vom 28. Dezember 1248 von nordalbingischen Chronisten so ziemlich sicher bezeugt. 1277 und 1287 entstand durch die Zerstörung von 385 Quadratkilometern des fruchtbarsten Landes mit 50 Ortschaften der Mündungsbusen der Ems mit dem Dollart, und mit dem Jahre 1300 begann dann eine Periode, die im Bereich der friesischen Lande mit Recht die Elendszeit genannt worden ist. Eine wenig günstige Schilderung der Charaktereigentümlichkeiten des Friesenvolkes jener Zeit haben uns, allerdings erst einige Jahrhunderte später, einige Chronisten gegeben. Es heißt da, sie seien durch ihren Reichtum hochmütig gewordene und das Wort Gottes und die heiligen Sakramente verachtende Menschen gewesen, die sich durch ihre Sündhaftigkeit diese schrecklichen Strafen Gottes zugezogen hätten. Es mag hier dahingestellt bleiben, ob dieses harte Urteil nicht sehr durch Parteilichkeit getrübt ist, und inwiefern die Ursache der Unfolgsamkeit des sonst so schlichten, wenn auch derben friesischen Volkes nicht in einem gegründeten Verdachte oder in Misstrauen gegen seine katholischen Priester zu suchen war, denn, wie Petrejus in seiner Beschreibung des Landes Nordstrand sagt: „Die Papisterey und Mönnicherey ist ihnen vielleicht verdächtig gewesen.“
Unsicher ist die Flut vom 1. Mai 1313, sicherer eine solche aus dem Jahre 1341, wahrscheinlich eine weitere am 1. Mai 1380, am sichersten aber diejenige vom 16. Januar 1362, die schlimmste von allen vor der zweiten großen Manndränke am 11. Oktober 1634. Damals stieg das Wasser über die höchsten Deiche Nordfrieslands, richtete in den Außenlanden furchtbare Verwüstungen an und riss an der Südseite der Insel Nordstrand einen beträchtlichen Teil des Landes hinweg, so dass ein bedeutender Meerbusen an dessen Stelle entstand. Die überaus reiche Stadt Rungholt und noch sieben andere Kirchspiele auf dem bebengedachten Eiland wurden zerstört, an der Hever und ihren Enden sollen 28 Gemeinden untergegangen , und 7.600 Menschen haben dabei ihren Tod in den mörderischen Wellen gefunden. Der Rungholter Sand zwischen Pellworm und dem heutigen Nordstrand erinnert jetzt noch an die versunkene Stadt, deren Missetaten der Sage nach den Zorn des Herrn besonders heraufbeschworen haben sollen. Als die Rungholter gar ein Schwein betrunken gemacht und dasselbe in ein Bett gelegt hatten und hierauf ihren Priester rufen ließen, damit er diesem Kranken das heilige Abendmahl gebe, war das Maß der göttlichen Langmut voll. Der Bitte des gesalbten Mannes, der ob jener Zumutung aufs höchste empört in die Kirche gelaufen war, um dort Gottes Strafe auf die gottlosen Leute herabzuflehen, wurde von oben stattgegeben, und es erfolgte, wie uns Jonas Hoyer überliefert hat, „in der Nacht ein so erschrecklich Erdbeben und gräulich Wetter“, dass Rungholt gänzlich umkam und in den Tiefen des Wassers versank.
Als endlich sich der Tag gelichtet
Und sich besänftigt die Natur,
Da sah man, Rungholt war gerichtet –
Der ganzen Landschaft keine Spur!
Nur Wasser deckte ihre Matten
Und floss im Wechsel zu und ab;
Noch heute sind die Rungholtwatten
Ein weites, nasses Totengrab.
(Eugen Traeger.)
Am gleichen Tage sollen auf Sylt das alte Wendingstadt und der Friesenhafen der Zerstörung anheim gefallen sein. Den letzteren haben die Überlieferung nach die Angelsachsen auf ihren Zügen ins britannische Land als Abfahrtshafen benutzt.
Zeitgenossen haben die Zahl der an jenem Unglückstage zwischen Elde und Ripenersfjord umgekommenen Menschen auf etwa 200.000 geschätzt, weshalb diese gewaltige Flut auch den Namen „Manndränke“ oder „Manndrankelse“ bekommen hat, eine Bezeichnung, die übrigens noch für andere ähnliche Ereignisse in Anspruch genommen worden ist. „Wenn man nun“, so äußert sich Traeger, „fortwährend von solchen Zahlen hört, so drängt sich die Vermutung auf, dass die Schätzungen damaliger Zeit wiederholt nur pessimistischer Abrundung eine so erschreckende Höhe verdanken. Wo hätten denn immer wieder in den sicherlich nicht dichtbevölkerten Küstengebieten die Menschen herkommen sollen, um allein von den Meeresfluten so massenweise verschlungen zu werden!“ Man darf ja nicht vergessen, dass, wie solches von Reimer Hansen ausdrücklich hervorgehoben wird, die Chronisten des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts über die Fluten des zwölften, dreizehnten, vierzehnten und zum Teil auch des fünfzehnten Jahrhunderts außerordentlich wenig sichere Mitteilungen machen und, dass Heimreichs zahlreichen Angaben fast ganz wertlos sind.
Größere Fluten des fünfzehnten Jahrhunderts waren am 22. November 1412, am 29. September 1426, am 1. November 1436, am 6. Januar 1471, am 16. Oktober 1476, am 4. Dezember 1479, und am 16. Oktober und 22. November 1483. Die bedeutendsten davon scheinen die vom 1. November 1436 und vom 16. Oktober 1483 gewesen zu sein.
Von den zahlreichen Fluten, über welche uns von den verschiedenen Chronisten Frieslands, insbesondere von Anton Heinrich in seiner nordfriesischen Chronik berichtet wird, ist, wie in neuerer Zeit von Reimer Hansen an der Hand kritischer historischer Forschung dargetan wurde, bei weitem der größere Prozentsatz zu streichen. Im zwölften Jahrhundert kommen für Dithmarschen und Nordfriesland in Betracht die Flut vom 16. Februar 1164 und vielleicht auch diejenige von 1158. Für das dreizehnte Säkulum ist wohl die Kathastrophe vom 17. November 1218 verbürgt, bei welcher nach Peter Say „im Oldenburgischen Jadeleh, Wardeleh, Aldessen in Rustringen vergangen; in den Nordländern volle 36.000 Menschen ertrunken“. Vielleicht ist damals auch die Lauenburger Harde durchgerissen worden, wie Heimreich erzählt. Ebenso wird die Flut vom 28. Dezember 1248 von nordalbingischen Chronisten so ziemlich sicher bezeugt. 1277 und 1287 entstand durch die Zerstörung von 385 Quadratkilometern des fruchtbarsten Landes mit 50 Ortschaften der Mündungsbusen der Ems mit dem Dollart, und mit dem Jahre 1300 begann dann eine Periode, die im Bereich der friesischen Lande mit Recht die Elendszeit genannt worden ist. Eine wenig günstige Schilderung der Charaktereigentümlichkeiten des Friesenvolkes jener Zeit haben uns, allerdings erst einige Jahrhunderte später, einige Chronisten gegeben. Es heißt da, sie seien durch ihren Reichtum hochmütig gewordene und das Wort Gottes und die heiligen Sakramente verachtende Menschen gewesen, die sich durch ihre Sündhaftigkeit diese schrecklichen Strafen Gottes zugezogen hätten. Es mag hier dahingestellt bleiben, ob dieses harte Urteil nicht sehr durch Parteilichkeit getrübt ist, und inwiefern die Ursache der Unfolgsamkeit des sonst so schlichten, wenn auch derben friesischen Volkes nicht in einem gegründeten Verdachte oder in Misstrauen gegen seine katholischen Priester zu suchen war, denn, wie Petrejus in seiner Beschreibung des Landes Nordstrand sagt: „Die Papisterey und Mönnicherey ist ihnen vielleicht verdächtig gewesen.“
Unsicher ist die Flut vom 1. Mai 1313, sicherer eine solche aus dem Jahre 1341, wahrscheinlich eine weitere am 1. Mai 1380, am sichersten aber diejenige vom 16. Januar 1362, die schlimmste von allen vor der zweiten großen Manndränke am 11. Oktober 1634. Damals stieg das Wasser über die höchsten Deiche Nordfrieslands, richtete in den Außenlanden furchtbare Verwüstungen an und riss an der Südseite der Insel Nordstrand einen beträchtlichen Teil des Landes hinweg, so dass ein bedeutender Meerbusen an dessen Stelle entstand. Die überaus reiche Stadt Rungholt und noch sieben andere Kirchspiele auf dem bebengedachten Eiland wurden zerstört, an der Hever und ihren Enden sollen 28 Gemeinden untergegangen , und 7.600 Menschen haben dabei ihren Tod in den mörderischen Wellen gefunden. Der Rungholter Sand zwischen Pellworm und dem heutigen Nordstrand erinnert jetzt noch an die versunkene Stadt, deren Missetaten der Sage nach den Zorn des Herrn besonders heraufbeschworen haben sollen. Als die Rungholter gar ein Schwein betrunken gemacht und dasselbe in ein Bett gelegt hatten und hierauf ihren Priester rufen ließen, damit er diesem Kranken das heilige Abendmahl gebe, war das Maß der göttlichen Langmut voll. Der Bitte des gesalbten Mannes, der ob jener Zumutung aufs höchste empört in die Kirche gelaufen war, um dort Gottes Strafe auf die gottlosen Leute herabzuflehen, wurde von oben stattgegeben, und es erfolgte, wie uns Jonas Hoyer überliefert hat, „in der Nacht ein so erschrecklich Erdbeben und gräulich Wetter“, dass Rungholt gänzlich umkam und in den Tiefen des Wassers versank.
Als endlich sich der Tag gelichtet
Und sich besänftigt die Natur,
Da sah man, Rungholt war gerichtet –
Der ganzen Landschaft keine Spur!
Nur Wasser deckte ihre Matten
Und floss im Wechsel zu und ab;
Noch heute sind die Rungholtwatten
Ein weites, nasses Totengrab.
(Eugen Traeger.)
Am gleichen Tage sollen auf Sylt das alte Wendingstadt und der Friesenhafen der Zerstörung anheim gefallen sein. Den letzteren haben die Überlieferung nach die Angelsachsen auf ihren Zügen ins britannische Land als Abfahrtshafen benutzt.
Zeitgenossen haben die Zahl der an jenem Unglückstage zwischen Elde und Ripenersfjord umgekommenen Menschen auf etwa 200.000 geschätzt, weshalb diese gewaltige Flut auch den Namen „Manndränke“ oder „Manndrankelse“ bekommen hat, eine Bezeichnung, die übrigens noch für andere ähnliche Ereignisse in Anspruch genommen worden ist. „Wenn man nun“, so äußert sich Traeger, „fortwährend von solchen Zahlen hört, so drängt sich die Vermutung auf, dass die Schätzungen damaliger Zeit wiederholt nur pessimistischer Abrundung eine so erschreckende Höhe verdanken. Wo hätten denn immer wieder in den sicherlich nicht dichtbevölkerten Küstengebieten die Menschen herkommen sollen, um allein von den Meeresfluten so massenweise verschlungen zu werden!“ Man darf ja nicht vergessen, dass, wie solches von Reimer Hansen ausdrücklich hervorgehoben wird, die Chronisten des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts über die Fluten des zwölften, dreizehnten, vierzehnten und zum Teil auch des fünfzehnten Jahrhunderts außerordentlich wenig sichere Mitteilungen machen und, dass Heimreichs zahlreichen Angaben fast ganz wertlos sind.
Größere Fluten des fünfzehnten Jahrhunderts waren am 22. November 1412, am 29. September 1426, am 1. November 1436, am 6. Januar 1471, am 16. Oktober 1476, am 4. Dezember 1479, und am 16. Oktober und 22. November 1483. Die bedeutendsten davon scheinen die vom 1. November 1436 und vom 16. Oktober 1483 gewesen zu sein.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Deutsche Nordseeküste. Friesische Inseln und Helgoland
Nordseeküste, 011 Grab Theodor Storms in Husum_
Nordseeküste, 012 Hafen von Tönning_
Nordseeküste, 013 Kirkeby auf Röm_
Nordseeküste, 014 Die Blockhäuser des Seebades Lakolk auf Röm_
Nordseeküste, 015 Mädchen in Römertracht_
Nordseeküste, 016 Strand von Sylt zur Zeit der Flut_
Nordseeküste, 017 Westerland auf Sylt
Nordseeküste, 018 Kurhaus in Westerland
Nordseeküste, 019 Friedhof für Heimatlose
Nordseeküste, 020 Leuchtturm bei Kampen_
Nordseeküste, 021 Weg nach Nantum_
Nordseeküste, 022 Keitum nebst Kliff, von Osten gesehen
Nordseeküste, 025 Strand von Wyk auf Föhr__
Nordseeküste, 025 Strand von Wyk auf Föhr_
Nordseeküste, 025 Strand von Wyk auf Föhr
Nordseeküste, 026 Frauentracht auf Föhr_
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