Deutsche Maler und Zeichner im Neunzehnten Jahrhundert - Die Nazarener

Autor: Scheffler, Karl (1869-1951) Kunstkritiker, Erscheinungsjahr: 1923
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Kunst und Kultur, Maler, Bildhauer, Künstler, Böcklin, Joseph von Führich, Karl Philipp Fehr, Ferdinand von Oliver, Philipp Veit, Peter Cornelius, Rudolph Friedrich Wasmann, Julius Oldach, Philipp Otto Runge, Kaspar David Friedrich, Alfred Rethel, Arnold Böcklin, Max Klinger, Hans Thoma, Kunstgeschichte, Künstlerpersönlichkeiten, Hildebrand, Kunstwerk, Expressionismus, Kunstfreunde, Historienmaler, Anselm Feuerbach, Adolf Menzel, Karl Schuch, Franz Krüger, Max Slevogt, Wilhelm Leibl, Wilhelm Trübner, Hans von Marées,
Inhaltsverzeichnis
Winkelmann und Lessing sind die theoretischen Vorbereiter der deutschen Gedankenmalerei gewesen; und die Nazarener haben die große Jahrhundertbewegung praktisch dann begonnen.

Dass Lessing es in einer durch Sprachkunst unsterblichen Abhandlung, im ,,Laokoon" unternahm, der Malerei und Poesie die Grenzen zu bestimmen, ist ein deutliches Symptom der neuen Gesinnung. Dieser starke kritische Geist war einer der ersten Deutschen, die über die Malerei dachten — in einem Punkte dachten, wo im natürlichen Lauf der Dinge Tradition und Konvention dieses Denken übernehmen. In Lessings Abhandlung reflektiert eine ganze Zeit, ein ganzes Volk über Dinge, die der Reflexion in großen Kunstepochen von selbst entzogen sind. Dieses ist der Punkt, aus dem die ganze neuere Gedankenkunst zu erklären ist: es steht die neue Zeit überhaupt unter der Herrschaft der Reflexion, das Staatsleben sowohl wie der Kulturwille. An der Schwelle des neunzehnten Jahrhunderts steht das Bewusstsein und sucht sich alle geschichtsbildenden Kräfte zu unterjochen. Die nach den Revolutionen sich erneuernde Staatsidee ist in allen Teilen immer gedacht worden, weil die Aufklärung einmal in die Massen getragen worden war; das ungeheure Kräftespiel, das Staat genannt wird, ist vom Bewusstsein der modernen Menschheit erfasst worden und ist aus dem Bewusstsein nun nicht wieder zu entfernen. Was in früheren Jahrhunderten naiv-praktisch gelebt worden ist, das wird nun überwiegend kritisch-theoretisch gelebt. Da man aber um die Jahrhundertwende an das gesamte Leben mittels der Kulturkritik herantrat, so kam man wie von selbst auch zu dem Gedanken, es dürfe in der neuen, vom Bewusstsein regierten Gemeinschaft eine ausdrucksvolle Kunst nicht fehlen. Denn dieses ist ja ein Charakteristikum des Denkens: dass es nicht zu warten versteht, bis das Leben die Dinge organisch erschafft, sondern dass es die Entwickelungen intellektuell forcieren will. Da die neue Kunst also nicht gleich nach dem Willen der Absichtsvollen und Kulturehrgeizigen wachsen wollte, blieb nur der Eklektizismus übrig. Dieser Eklektizismus aber forderte, mehr als alles andere, kritisches Vermögen; und das eben repräsentieren Persönlichkeiten wie Winckelmann und Lessing. Insofern ist der Hellenismus dieser Männer und selbst der Goethes dem Raffaelitentum der Nazarener keineswegs entgegengesetzt. Der Gegensatz dieser sich dort hellenistisch und hier christlich organisierenden Gedankenkunst liegt vielmehr in den gleichzeitig versiegenden ursprünglichen Schöpfungskräften des Barock und Rokoko. Diese aristokratischen Schöpfungskräfte wollten zu dem beginnenden demokratischen Zeitalter nicht passen; darum wurden sie als dekadent von den über neue bürgerliche Kultur Reflektierenden abgelehnt und gingen der Traditionenbildung so verloren.

Leider! Denn in welcher Weise die Fortentwickelung der deutschen Kunst, um 1780 etwa, hätte vor sich gehen können und in welcher Weise sie vor sich gegangen ist, das illustrieren sehr anschaulich zwei deutsche Künstlergestalten: Gottfried Schadow und sein Sohn Wilhelm. Der alte Schadow kam, vor allem als Zeichner, unmittelbar aus der Barocktradition; er gehörte zur Zeit Chodowieckis. Was bei ihm klassizistisch geriet, das war im wesentlichen nur ein Hilfsmittel für moderne Empfindungen, die eine Bürgergesinnung von wahrhaft antiker Phrasenlosigkeit und Freiheit ankündigten. Der alte Schadow wäre der Mann gewesen, die deutsche Kunst von einem Jahrhundert ins andere, von einer Epoche zur anderen lebendig überzuleiten und den modernen Geist der alten Renaissancekraft organisch zu verbinden. Wie wenig Einfluss aber in der Zeit der Kunstdenker dieser bedeutende Anschauungsmensch gewinnen konnte, beweist dann die Art seines Sohnes Wilhelm. Nicht weil dieser weniger Talent hatte als sein Vater, sondern weil er plötzlich gar nicht mehr wusste, was Kunst ist, trotzdem er von früh bis spät als Akademiedirektor und Lehrer darüber reflektierte. Dieser trockene Nazarener, der als Sohn eines solchen Vaters und als Berliner nicht Scheu trug, zum Katholizismus überzutreten, hat mit seinem Lehrereinfluss auf die deutsche Gedankenkunst in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts aufs entschiedenste gewirkt, während sein genialer Vater in unseren Tagen erst von der gereiften Kunsteinsicht wiederentdeckt werden musste; der Vertreter der Kunstidee hat geherrscht, und der schöpferische Vertreter der Anschauung in der Kunst ist vergessen worden. In diesem Gegensatz, in dieser Verkehrtheit spiegelt sich die Zeit. Es kommt ja auch in der Schätzung Wielands und Klopstocks zum Ausdruck, wie gering in dieser Epoche alles aus den Barocktraditionen Erwachsene geschätzt wurde und welche Schwärmerei der Religionsidee und dem ethischen Wollen entgegengebracht wurde. Jede Zeit der Kulturreflexion, jede Periode, in der das Wollen stärker ist als das Können, steht unter einer solchen Tyrannei der Gesinnung auf Kosten der natürlichen Empfindung. Das edle, das sittlich und logisch argumentierende Wollen tritt vor die natürliche Schöpferkraft und erzeugt eklektizistisch begrifflich einen ,,neuen Stil".

Dieses ist das Schicksal des Nazarenertums und im weiteren Sinne der deutschen Gedankenmalerei des neunzehnten Jahrhunderts überhaupt. Der Begriff des Nazarenertums sollte nicht so beschränkt werden, dass er nur die relativ kleine Gruppe ultramontaner Deutsch-Römlinge umfasst; es sollte der Begriff vielmehr so erweitert werden, dass er die verwandten Erscheinungen des ganzen Jahrhunderts zu umfassen vermag. In Wahrheit reicht das Nazarenertum von Carstens und Overbeck über Cornelius zu Klinger, von Joseph Anton Koch bis Böcklin und von Runge bis Thoma; die modernen englischen Präraffaeliten werden davon berührt und ebenso ausländische Maler wie Moreau und Toorop, wie Segantini und Hodler. Die Programme und Ideen wechseln; immer aber ist es die Reflexion, die in der Malerei die erste Stelle einnimmt, und immer ist es der Eklektizismus, der ein Formgewand schaffen muss.

Die Entwicklungen der deutschen Gedankenmalerei innerhalb dieser Grenzen sind sehr lehrreich zu verfolgen. Sie schließen sich so eng den Metamorphosen des deutschen Geisteslebens im neunzehnten Jahrhundert an, dass mit der Geschichte der Malerei zugleich ein Stück Geistesgeschichte der Nation gegeben ist. Nur von den eigentlich schöpferischen Kunstkräften ist wenig innerhalb dieser Entwickelungen die Rede. Was wir erblicken, ist das Werden und Wachsen einer Kunst, die immer das Große wollte und die doch über den Schatten und Reflex wahrer Größe niemals hinauskam, eine Kunst, die ihre Mission heilig ernst genommen hat und der doch keine unsterblichen, der Menschheit zugehörigen Werke gelungen sind.

Betrachtet man im besonderen die nazarenischen Bruderschaften vom Anfange des neunzehnten Jahrhunderts, so wird es gleich klar, dass man es mehr mit einer Religions-, mit einer Weltanschauungsbewegung zu tun hat, als mit einer Kunstbewegung. Man vergegenwärtige sich die Zeit. Den Deutschen lebten Geister wie Herder und Wieland, Goethe und Schiller, Kant und Lessing. Rousseau, Voltaire und die französischen Enzyklopädisten hatten geistig die Revolution eingeleitet, und Napoleon hatte die neuen demokratischen Staatsgrundsätze siegreich dann durch Europa getragen. Das geistige Leben stand durchaus im Zeichen der Aufklärung, der Atheismus wagte sich hervor, pantheistische Ideen beherrschten die Zeitbürger, und eine Epoche der Kritik brach allerenden an. Inmitten dieser Zeit erhob sich der Geist des Nazarenertums mit reaktionärem Nachdruck, zurückflüchtend zu alten religiösen Konventionen und doch zugleich mit dem Anspruch auf revolutionäre Modernität auftretend. Es ist, als sei neben der Aufklärung ein tiefes Erschrecken damals durch die Lande gegangen. Ein Erschrecken vor den Konsequenzen der neuen geistigen Freiheit. In Nazarenergesinnungen flüchteten sich alle ernsthaften Menschen, die sich zu schwach und seelisch zu wenig robust fühlten, die abstrakte, symbollose neue Weltanschauung ohne ausdenkbaren Gott zu ertragen, die durch beruhigende Denkkonventionen gestützt sein wollten. Und da diese Guten und Schwachen — warum gab es so viel einander ähnliche, gütig Schwache gerade in diesen Jahrzehnten? — nun unter der Herrschaft der Reflexion standen und bei all ihrer sentimentalischen Anlage nicht einmal naiv sein konnten, mussten sie folgerichtig auch in ihren religiösen Weltanschauungsbedürfnissen Eklektizisten werden. Sie wurden, im Gegensatz zu den freien Geistern, Eklektizisten der christlichen Religion und in der Folge Wahlkatholiken.

Es handelte sich in dieser Zeit um eine große religiöse Auseinandersetzung der Nation mit sich selber. Wie damals die Gedankenmalerei entstand, so wurde auch die Gedankenreligion geboren. Es begann etwas wie ein Dreißigjähriger Krieg der Geister, eine neue Scheidung des protestantischen und katholischen Empfindens innerhalb der deutschen Nation. Streng genommen ist die ganze Aufklärungsbewegung, die von unseren stolzesten Dichter- und Philosophennamen repräsentiert wird, ein Willensakt protestantischer Gesinnung. Es hat in dieser Bewegung der Protestantismus vielleicht eine höchste Entfaltungsmöglichkeit erlebt. Er setzte sich darin mit sich selber auseinander und spaltete sich dabei. Auf der einen Seite stand die liberale antikirchliche Gesinnung mit ihrer Aufklärungslust, mit ihrer Naturfrömmigkeit, und auf die andere Seite traten die beharrenden Elemente mit verschärftem Puritanismus. Goethe, Kant und Geister ihrer Art, so verschieden sie untereinander auch waren, vertraten das, was im Protestantismus von vornherein antidogmatisch war, was in Luther schon das kirchliche Dogma verneinte. Von Anfang an war im Protestantismus immer mehr Ethisches als Religiöses, mehr Religionskritik als Religionsphantasie. Es ist der Protestantismus zur Hälfte eine Religion der Selbsthilfe, ist ganz auf Gottesfreiheit gegründet und durchaus individualistisch; und darum ist ihm nicht eigentlich kirchenbildende Kraft eigen. Der Protestantismus basiert, sofern er lebendig sein soll, fortdauernd auf dem Protest gegen alle starre Form; wo er kirchlich dogmatisch und zu Staatsreligion wurde, da schlug er gleich auch immer leicht zum Puritanismus oder zum Pietismus um. Um so lebendiger aber kann er — nicht als Dogma, sondern als Lebensgesinnung — zur Individualreligion werden, weil er sich jeder wahrhaft fortschrittlichen Denkungsart fügt und weil er innerlich immer noch er selbst bleibt, wenn an die Stelle der Christendogmen ehrfürchtig gemeinte Sittengesetze, kategorische Imperative oder andere Abstrakta treten. Darum darf man sagen, dass die ,,religionslosen" Goethe, Kant, Schiller und alle ihre Geistesverwandten recht eigentlich Weiterentwickler des deutschen Protestantismus sind, dass in ihren Werken die höchste Kunstkultur ist, deren der Protestantismus fähig ist. Diese freie religiöse Gesinnung ist aber nur für starke und gesunde Geister; wer irgendwie sentimental anlehnungsbedürftig oder beschaulich sehnsüchtig ist, findet nicht seine Rechnung. Es musste darum folgerichtig gegen diese freie religiöse Ehrfurcht der Puritanismus mit neuem Nachdruck sein Haupt erheben; es musste neben der Aufklärung, die so leicht zum Nihilismus führt, der Wille zum christlich Dogmatischen tendenzvoll einhergehen. Darum flüchteten so viele feine, zarte Naturen vor den drohenden Unbedingtheiten der neuen Geistesentwicklung zu einer presbyterianischen Strenge oder gar in den Schoß der katholischen Mutterkirche. Der Massenabfall deutscher Maler um die Jahrhundertwende und ihr Konvertieren ist nur so, aus einem Erschrecken vor der scheinbar formlos entartenden Zeit zu erklären. Ihre Haltung fällt zusammen mit der politischen Reaktion, die den Revolutionsergebnissen gegenüber das Bestehende um jeden Preis betonte. Sie glaubten ein entgöttertes Leben vor sich zu sehen, eine von allen Kulturidealen verlassene Kunst; bestenfalls ahnten sie ein Ideal, dessen Monumentalität eine Schöpferkraft forderte, die ihnen durchaus abging. Hätten die deutschen Maler dieser Zeit ebensoviel produktives Genie gehabt wie unsere Dichter und Philosophen, so hätten Dürer und Holbein eine würdigere Nachfolge gefunden, so wäre eine moderne Malerei groß und frei, im unmittelbaren Anschluss an die Barocktraditionen geboren worden. Aber es hat den Deutschen in der entscheidenden Stunde an lebendigem malerischen Talent gefehlt, es gab in dieser Zeit fast nur die nachempfindende Begabung, weil ursprüngliche Talentkraft von einer leidenschaftlichen Vitalität im allgemeinen nicht zu trennen ist; und so kam es, dass die deutsche Malerei, die neben einer in ihren besten Teilen frei und genial geborenen, antikisch gesunden Poesie dahinlebte, katholisch wurde. Da sich die Vertreter dieses malenden Katholizismus, die Nazarener, nun aber zu dem herrschenden Geiste der Akademien tendenzvoll in Gegensatz stellten, da sie sich selbst romantisch modern und als Erneuerer fühlten, so galten sie gar noch als fortschrittlich und revolutionär in aller ihrer Unlebendigkeit. Der Stoffgedanke tritt in der Malerei ja zumeist mit dem Anspruch auf, revolutionär zu sein. In Wahrheit waren die Nazarener nichts anderes als absolute Gedankenmaler. Wie Reformatoren der deutschen Malkultur konnten sie nur erscheinen, weil sie in produktionsarmen Jahrzehnten mit einem deutlichen Kunstwillen geschlossen auftraten und weil das leicht befriedigte Laienpublikum den Willen wieder einmal für die Tat nahm. In Wahrheit haben sie nur eine moderne Spielart alter Kunstformen geschaffen, nur einen Kulturreflex.

Diese nazarenischen Gedankenkünstler waren sonderbare Christen. Genau besehen waren sie, trotz des Massenübertritts zur katholischen Kirche, der Gesinnung nach gar nicht Katholiken. Der rechte Katholik ist unbefangen, fast heidnisch unbefangen und nichts weniger als ein Religionsgrübler. Die katholische Kirche nimmt ihren Mitgliedern die Lebenssorgen ab. Die Nazarener jedoch schufen sich absichtlich religiöse Lebenssorgen; sie waren ihrem Wesen nach recht eigentlich deutsche Puritaner und als Katholiken dann Reformierer der christlichen Religionsidee. Sie stehen typisch da für jene Seite des Protestantismus, auf der unduldsame und asketische moralische Strenge herrscht; sie entstammen im wesentlichen jenem mittel- und norddeutschen Religionsgefühl, in dessen Bereich von Zeit zu Zeit etwas wie religiöser Wahnsinn sich regt, wo die fromme Selbstgerechtigkeit und der gläubige Glückseligkeitsegoismus herrschen. Katholiken sind die malenden Puritaner wohl mehr aus dem Gefühl geworden, dass es dem Drang zur Heiligen- und Legendenmalerei in der bilderlosen protestantischen Religion an Stoffen und Anknüpfungspunkten fehlen würde. Es ist sehr bezeichnend, dass die römische Kirche mit tiefem Misstrauen auf die Klostergesinnung der neuen Konvertiten blickte und sie, wo immer es anging, von ihren Herrschaftsgebieten fernhielt. Der eifrige norddeutsche Protestant Philipp Otto Runge stand dem Katholiken Overbeck innerlich viel näher, als dieser irgendeinem unnazarenischen Künstler des katholischen Südens. Ebenso ist es charakteristisch, dass der nordische Protestant Thorwaldsen, der kühle Klassizist, vom Papst eine Fülle von Aufträgen erhielt, dass die in Rom lebenden katholischen Nazarener im wesentlichen aber für deutsche protestantische Kirchen malten und dass sie mehr Testamentsmaler waren als Heiligenmaler. Was die Nazarener trieben, das war gewissermaßen ein protestantischer, ein kalvinistischer Katholizismus. In dieser Beziehung steht das deutsche Nazarenertum in einem entschiedenen Gegensatz zu dem des einheitlich katholischen, und darum bei weitem nicht so leicht zu fanatisierenden Frankreich. Nazarenertum gab es auch dort; eine Reaktionsstimmung herrschte zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts in ganz Europa. Die Franzosen aber konnten als unbefangenere, von den religiösen Problemen nicht so ausschließlich okkupierte Gedankenmaler innerhalb ihrer Ideenromantik sogar, viel mehr als die Deutschen, Anschauungskünstler und Maler bleiben und konnten ihren Eklektizismus darum lebendiger ausgestalten. In Deutschland forderte allein das Nebeneinander des protestantischen und katholischen Prinzips zu Auseinandersetzungen auf. Zum Schaden unserer Malerei, die bei diesen Auseinandersetzungen auf einen weltgeschichtlichen Abweg geriet.

Es überrascht nicht, wenn uns von den Nazarenern, ja von unsern Gedankenmalern überhaupt berichtet wird, dass ein lebendiges nationales Empfinden ihnen nicht eigentümlich gewesen wäre. Menschen, die mehr in ihren Gedanken als mit den Wirklichkeiten leben, nehmen leicht Gesinnungen an, die vom nationalen Standpunkt aus wie Indifferenz erscheinen. Weltbürgerlich und übernational zu empfinden, war ja der Ehrgeiz jener Zeit überhaupt. In dem Verhalten der Gedankenkünstler ist aber noch etwas anderes als Weltbürgerlichkeit im Sinne Schillers und Goethes. Es tritt eine nicht eben liebenswürdige Gleichgültigkeit gegen die politischen Schicksale Deutschlands zutage. Nicht einer der Nazarener hat an den Freiheitskriegen teilzunehmen den Drang gehabt. Auf schlechter Gesinnung beruht solche Gleichgültigkeit natürlich nicht; sie ist aber ein Symptom mehr, wie weltfremd diese Künstler in ihrer römischen Gedankenwelt lebten und wie konsequent sie sich vor den Wirklichkeiten auch in der fortschreitenden Volksgeschichte verschlossen. Trotz ihrer Heimatskunst! Ihre Gesinnung klingt noch nach in Künstlern wie Feuerbach, Marées und Böcklin, die alle freiwillig das Exil in Italien wählten. Auch den Nazarenern galt Italien als das Land der Sehnsucht. Es zog die Puritanischen in die Nähe der Präraffaeliten und in die Nähe von Raffaels reinlichen Vollkommenheiten, vor denen die Atelierschwärmer den Lärm einer unvollkommenen Gegenwart vergessen konnten. Auch diese Liebe war ein Ideengewächs. Niemals war die Kunst weiter vom ursprünglichen Renaissancegeist, auch der Präraffaeliten, entfernt. Das lebendig Große darin wurde kleinstädtisch, grundsätzlich und literarisch begriffen. Durch Roms Grandiositäten ging mit bedächtigem Biedermeierschritt die nazarenische Tendenz und löste aus dem von Anschauung trächtigen Kolossalischen nur gefällige Wohlanständigkeiten und sentimentale Lieblichkeit heraus. Der Instinkt wanderte in die Irre, weil er das eigentlich Schöpferische der Malerei für ein Sekundäres hielt und sein Augenmerk in erster Linie auf die Stoffprobleme gerichtet hielt. Das Hauptinteresse wurde immer absorbiert von den Fragen, welche Stoffe der beiden Testamente zu bevorzugen seien, wie die deutschen Heldensagen neu belebt werden könnten und wie die Ossian-Romantik der Malerei nutzbar gemacht werden könnte. Die allegorischen Inhalte der Bekenntnisbilder standen zur Diskussion und später dann die symbolische Bedeutung klassizistisch-philosophischer Naturmythologien. Immer aber geriet der Stoff, trotz aller Vertiefung, ins Konventionelle und Literarische, weil die Vergangenheit niemals zu einer blutvollen Gegenwart gemacht werden konnte, weil die Gegenwart vielmehr immer im Lichte irgendeiner Vergangenheit gelebt wurde.

002 Die Wiedererkennung Josephs durch seine Brüder. Peter Cornelius (1783-1867)

002 Die Wiedererkennung Josephs durch seine Brüder. Peter Cornelius (1783-1867)

003 Bildnis der Freifrau von Bernus. Philipp Veit (1793-1877)

003 Bildnis der Freifrau von Bernus. Philipp Veit (1793-1877)

004 Ein Einsiedler führt Rosse zur Tränke. Moritz von Schwind (1804-1871)

004 Ein Einsiedler führt Rosse zur Tränke. Moritz von Schwind (1804-1871)

005 Morgenstunde. Moritz von Schwind (1804-1871)

005 Morgenstunde. Moritz von Schwind (1804-1871)

006 Landschaft mit Regenbogen. Joseph Anton Koch (1819-1872)

006 Landschaft mit Regenbogen. Joseph Anton Koch (1819-1872)

007 Gang Mariens über das Gebirge. Joseph von Führich (1800-1876)

007 Gang Mariens über das Gebirge. Joseph von Führich (1800-1876)

008 Romantische Landschaft. Karl Philipp Fohr (1795-1818)

008 Romantische Landschaft. Karl Philipp Fohr (1795-1818)

009 Kapuzinerkloster bei Salzburg. Ferdinand von Olivier (1785-1841)

009 Kapuzinerkloster bei Salzburg. Ferdinand von Olivier (1785-1841)

010 Bildnis einer Jungen Frau. Rudolph Friedrich Wasmann (1805-1886)

010 Bildnis einer Jungen Frau. Rudolph Friedrich Wasmann (1805-1886)

011 Damenbildnis. Julius Oldach (1804-1830)

011 Damenbildnis. Julius Oldach (1804-1830)

012 Spitalkirche in Meran. Rudolph Friedrich Wasmann (1805-1886)

012 Spitalkirche in Meran. Rudolph Friedrich Wasmann (1805-1886)

013 Selbstbildnis. Philipp Otto Runge (1777 Wolgast-1810 Hamburg)

013 Selbstbildnis. Philipp Otto Runge (1777 Wolgast-1810 Hamburg)

014 Detail aus der zweiten Fassung des -Morgen-. Philipp Otto Runge (1777 Wolgast - 1810 Hamburg)

014 Detail aus der zweiten Fassung des -Morgen-. Philipp Otto Runge (1777 Wolgast - 1810 Hamburg)

015 Seestück. Kaspar David Friedrich (1774 Greifswald - 1840 Dresden)

015 Seestück. Kaspar David Friedrich (1774 Greifswald - 1840 Dresden)

016 Sonnenaufgang bei Neubrandenburg. Kaspar David Friedrich (1774 Greifswald - 1840 Dresden)

016 Sonnenaufgang bei Neubrandenburg. Kaspar David Friedrich (1774 Greifswald - 1840 Dresden)

017 Karton zur Auferstehung Christi. Alfred Rethel (1816 Achen -1859 Düsseldorf)

017 Karton zur Auferstehung Christi. Alfred Rethel (1816 Achen -1859 Düsseldorf)

018 Moses erschlägt den Ägypter. Alfred Rethel (1816 Achen -1859 Düsseldorf)

018 Moses erschlägt den Ägypter. Alfred Rethel (1816 Achen -1859 Düsseldorf)

019 Die Schlacht bei Cordova, Ausschnitt. Alfred Rethel (1816 Achen -1859 Düsseldorf)

019 Die Schlacht bei Cordova, Ausschnitt. Alfred Rethel (1816 Achen -1859 Düsseldorf)

020 Selbstbildnis mit dem fiedelnden Tod. Arnold Böcklin (1827-1901)

020 Selbstbildnis mit dem fiedelnden Tod. Arnold Böcklin (1827-1901)

021 Venus Anadyomene. Arnold Böcklin (1827-1901)

021 Venus Anadyomene. Arnold Böcklin (1827-1901)

022 Triton und Nereide. Arnold Böcklin (1827-1901)

022 Triton und Nereide. Arnold Böcklin (1827-1901)

023 Ruggiero befreit Angelika. Arnold Böcklin (1827-1901)

023 Ruggiero befreit Angelika. Arnold Böcklin (1827-1901)

024 Bildnisbüste Nietzsches. Max Klinger (1857-1920)

024 Bildnisbüste Nietzsches. Max Klinger (1857-1920)

025 Evokation, Radierung aus der Brahmsphantasie. Max Klinger (1857-1920)

025 Evokation, Radierung aus der Brahmsphantasie. Max Klinger (1857-1920)

026 An die Schönheit, Radierung. Max Klinger (1857-1920)

026 An die Schönheit, Radierung. Max Klinger (1857-1920)

027 Taunuslandschaft. Hans Thoma (1839-1924)

027 Taunuslandschaft. Hans Thoma (1839-1924)

028 Rheinfall bei Schaffhausen. Hans Thoma (1839-1924)

028 Rheinfall bei Schaffhausen. Hans Thoma (1839-1924)