Abschnitt. 5 - Das breite Ehebett des Grafen von Gleichen...

Besser als die Kunst ist im Schwarzburger Schlosse das alte Kunstgewerbe vertreten, namentlich im Zeughause, der Bau ist dürftig, der Inhalt wertvoll, in mancher Hinsicht einzig. Schönere Jagdgeräte aus dem 15. und 16. Jahrhundert habe ich nirgendwo gesehen; schönere Gewehre und Schwerter aus derselben Zeit selten. Sehr merkwürdig sind die Männerhüte, Filz mit Silberstickerei; nicht bloß dies, sondern auch wunderschön die Rokokoschlitten, einer, der Drachenschlitten, offenbar das Werk eines wirklichen Künstlers voll überschäumender Phantasie. Auch die Kummetgeschirre mit reichster Holzschnitzerei mag man sich genau ansehen, um zu erkennen, wie reich selbst eine vergleichsweise öde Zeit – das 17. Jahrhundert – noch an guten Traditionen und künstlerischen Talenten war. Zu loben ist auch, daß die bedenklichen Kuriosa nun ausgemerzt sind; so gab es hier auch das breite Ehebett des Grafen von Gleichen; nun ist es verschwunden.
Auch im Schloß selbst findet sich manches hübsche Schnitz- und Gießwerk. Da ist – auf einem der Kamine des Kaisersaals aufgestellt – ein aus Holz geschnitzter Löwe, mit Pergament überzogen, mit Reliefs geschmückt; sicherlich uralte, etwa aus dem 13. Jahrhundert stammende oder nicht viel später einem Meister jener Zeit nachgebildete Arbeit. Der Löwe ist ein Kasten; ein anderes Schaustück, die „güldene Henne“ (eine Auerhenne aus vergoldetem Silber), ein Trinkgefäß. Aus der Henne tranken im 16. Jahrhundert die Gäste, die zum ersten Mal an der fürstlichen Tafel erschienen, den Willkomm und bekamen dabei das „Geschmeide“, einen schweren Holzklotz, an einer Kette um den Hals gelegt. Das war ein Spaß im Stil jener Zeit, aber daß er noch heute geübt wird, hörte ich mit Staunen. Der Bremer aber mit Entzücken: „Das muß 'n Hochgenuß sein!“ – „Der Klotz um den Hals?“ – „Aber als Gast eines Fürsten! Und der Klotz muß wohl ein Symbol sein!“ Wieder hob sich der Zeigefinger. „Denken Sie mal darüber nach: Symbole haben oft ihre Bedeutung.“
Weit früher als das Schloß habe ich das Juwel Schwarzburgs, den Trippstein, besucht und bin seither noch zwei Male dagewesen; der Eindruck wurde nur immer stärker; das ist ja der Prüfstein alles wirklich Schönen, daß es um so mehr entzückt, je vertrauter es uns wird. Vielleicht auch lag es daran, daß ich die beiden letzten Male allein hinging und wenige Leute oben fand, während der Gipfel des Hügels das erste Mal von Menschen wimmelte und ich auch schon in Gesellschaft emporstieg.
Mein Wille war's nicht. Als ich an das Rondell gekommen war, wo der Fußsteig von der Blankenburger Chaussee abzweigt, standen dort drei Damen unschlüssig da. Sie repräsentierten gleichsam das Altertum, das Mittelalter und die Neuzeit; am nettesten war noch das Altertum, weil es zwar unablässig schwatzte, aber doch ein gutes, ehrwürdiges Gesicht hatte, wogegen das Mittelalter überstark war und unfreundlich dreinsah; die Neuzeit war noch in jeder Hinsicht grasgrün und lachte aus Verlegenheit immerzu. Das Altertum sprach mich an; man hätte ihm gesagt, am Rondell zweige der Fußsteig ab und auf einem Steine stehe auch „Zum Trippstein“; nun sei hier das Rondell, aber auf dem Stein stehe „Fürst Günther“; ob das etwa gleichbedeutend sei? Ich mußte dies verneinen; auf diesem Fels am Rondell da stehe „Fürst Günther“, weil das ein Denkmal des Herrschers sei, der das Ländchen durch sechzig Jahre (1807–1867) regiert habe, und auf diesem weit kleineren Stein gegenüber stehe als Wegweiser „Zum Trippstein“. Nachdem ich mich durch diese Mitteilung, deren historischen Teil ich von der Ehrentafel ablas, als ein geschichts- und ortskundiger Mann erwiesen hatte, fragte mich das Altertum, ob ich ihnen gestatten wollte, mit mir zu gehen, denn im Walde sei es mit einem Herrn für Damen immer heimlicher. So wandelten wir zu viert unter herrlichen Buchen und Tannen empor, und ich erfuhr, daß ich die Ehre hatte, die Mutter, Gattin und Tochter eines Zeitungsverlegers in einer sächsischen Mittelstadt geleiten zu dürfen. „Wir sind bardheilos!“ sagte das Großmütterchen, und als ich meinte, dafür hätte ich immer Bewunderung gehabt, denn es gehöre eine fast göttliche Unbefangenheit und Gerechtigkeit dazu, nickte das Mütterchen. „Mein Sohn is werklich ein sehr dichtiger Mensch, er hat auf Buchdrucker gelernt, aber nu ghann er ooch die Zeitung machen und werklich bardheilos!“ Das unfreundliche Mittelalter aber sagte: „Das is nich so schwer; man schneid't merschtendhels aus'm ›Dräs'ner Journal‹ und aus der ›Leib'zer Zeitung‹, bringt nichts gegen den Herrn Ghreisdiregder und den Herrn Bergermeester und is natierlich gegen die Freisinnigen, die Juden und die Sozialdemagraden!“ Daß ich mich notgedrungen – die Damen fragten darnach – als Schriftsteller aus Berlin vorstellen mußte, verschlechterte meine anfangs so günstige Position, und als ich auf die weitere Frage, bei welcher Zeitung ich angestellt sei, antworten mußte: „Bei keiner!“, war ich gar unten durch. „Ach Herr Jeses!“ sagte das Mütterchen mitleidsvoll, und das dicke Mittelalter meinte höhnisch lächelnd: „Weeßte, Mamma, wie bei uns der Herr Köhler!“ Dieser mein Kollege und Schicksalsgenosse war, wie ich dann erfuhr, Schreiber beim Herrn Justizrat und berichtete sowohl für die „Bardheilose“ wie für die „Ghongurrenz“ über Unglücksfälle und Vereine, wofür er monatlich „ä Bauschal“ bekam. Wie hoch dies Pauschale war, erfuhr ich nicht; als Optimist schätzte ich es auf einen Taler. Da das Mittelalter wissen wollte, wie derlei in Berlin bezahlt werde, so mußte ich gestehen, daß ich das nicht wüßte, ich schriebe größere Sachen, Feuilletons, auch Romane. „Da ghönnten Se mal auch uns was schicken“, sagte das gutherzige Altertum, aber das harte Mittelalter zertrat mit der Bemerkung: „Wir sind versorgt, wir drucken merschtendhels Übersetzungen“ die Saat meiner Hoffnungen. „Die von die Dehdegdiffen sind noch die besten“, fügte sie bei; sie meinte Detektive-Romane. Unter diesen Gesprächen waren wir dem Gipfel nahe gekommen, und da sich hier der Weg gabelte, zog ich Meyers „Thüringen“ hervor, orientierte mich und las dann den drei Damen den Rat vor: „Will man sich eine angenehme Überraschung bereiten, so wende man die Augen, sobald man zwischen den Bäumen bemerkt, daß man dem Borkenhäuschen, welches die Spitze des Trippstein krönt, nahe kommt, so lange nach links, bis man hinter das Häuschen, welches die Aussicht ins Tal verbirgt, zu stehen kommt.“ Der Stil ist ja bedenklich, aber der Rat gut – und warum sollten wir uns nicht eine angenehme Überraschung bereiten? So wanderten wir denn, Augen links, im Gänsemarsch weiter, die Neuzeit, die nun unablässig laut meckerte, an der Spitze. Plötzlich verstummte sie verlegen, und auch wir andern wurden still. Wir standen auf einer Waldblöße, rings von dicht verwachsenen Bäumen umschlossen; auf einen Gipfel, eine Aussicht deutete nichts: vor uns aber stand, noch keine zehn Schritt entfernt, ein niedriger Holzschuppen mit zwei Türen, in deren jeder ein Schlüssel steckte. „Nee!“ sagte das undiplomatische Altertum, „das ist keen Aussichtsbungd, das is was anderes!“ – und auch ich begann zu zweifeln, es war wirklich das Borkenhäuschen und die Aussicht aus seinem Fenster wirklich schön. Sie hat mir, sagt ich schon, die anderen Male, wo ich oben nicht so viel albernes Zeug anhören mußte, besser gefallen, aber auch diesmal fesselte sie mich so, daß ich die Damen trotz der anbrechenden Dämmerung allein hinuntergehen ließ, denn meiner Menschenpflicht hatte ich genügt, und mit der Geschäftsverbindung war's ja doch nichts.
Die Aussicht vom Trippstein ist eine der hübschesten Deutschlands und wohl die malerischste Thüringens. Während in den andern Teilen des Thüringer Waldes die benachbarten Hügelrücken fast gleich hoch sind, auch sacht aus seichten Tälern oder Hochebenen emporsteigen, streben sie hier jäh und in den verschiedensten Formen aus dem tief gerissenen Tal der Schwarza wie zum Himmel auf. Denn eben weil das Tal so tief ist, so täuscht sich das Auge über die an sich sehr bescheidene Höhe des Gipfels (noch nicht 500 Meter über dem Meeresspiegel), und die Weite des Gesichtskreises, die sich aus der Breite des Tals und dem Einmünden einiger Nebentäler ergibt, vermehrt diese Täuschung. Ähnlich ist der Eindruck, den man auf anderen Höhen dieses schönen Tals empfängt, zum Beispiel auf der etwas höheren Schapsheide, die dem Trippstein gegenüber am rechten Schwarzaufer liegt; was aber die Aussicht vom Trippstein vor den anderen auszeichnet, ist die Geschlossenheit des Bildes, die Mannigfaltigkeit und Schönheit der Farben und Formen. Die junge Frau Oberlehrer, die ich gestern hier oben sagen hörte: „Das ist wie das Bild eines großen Malers!“ hat nichts Dummes gesagt und die hochmütige Reprimande des Herrn Gemahls: „Das ist ein kurioses Kompliment für die Natur“ nicht verdient. Denn der große Landschaftsmaler tut ja der Natur keinen Zwang an, er gibt sie getreulich wieder, nur ist er kein Photograph, auf dessen Platte auch alles Störende und Zufällige erscheint, sondern läßt dies weg oder ändert es im sonstigen Charakter der Landschaft. Hier nun hätte er dies fast gar nicht nötig; die Natur hat gleichsam selbst das Kunstwerk gestaltet. Die Komposition ist unübertrefflich: zu Füßen des Beschauers, im Mittelpunkte des Gemäldes, das Schönste an dem Bilde: auf dem steilen Vorhügel das Schloß, hier dem Aug so ferne, daß die plumpen Formen nicht stören, wohl aber die Lage entzückt; zu seinen Füßen das Dorf mit dem Schwarz und Rot seiner Dächer; zur Rechten und Linken das breite, von Felsen und Matten, Hütten und Palästen (freilich sind's nur Fabriken) erfüllte Tal; im Vordergrund der waldige Abhang des Trippstein, im Hintergrund Berge und ringsum, das Bild umschließend, die tiefgrünen Wälder, die sich auch hier dem Blick wie ins Unendliche dehnen. Dazu der Reichtum an malerischen Formen: man kann nicht oft Reizvolleres sehen als die Linie, in der, von hier gesehen, der Schloßhügel ins Tal abfällt, die Schwarza durch die Matten und Forste strömt, die Waldberge, namentlich die Cursdorfer Kuppe, emporsteigen. An Farben aber fehlt's hier, wo das Weiß der Häuser, das glänzende Schwarz der Schiefer- und das Rot der Ziegeldächer hinzutritt, noch weniger als bei dem Blick auf die Hirschwiese, und die Landschaft erscheint, eben weil das Auge weiter reicht, noch ungleich belebter; die Beleuchtung ändert das Bild, macht es heiter oder ernst oder düster. Am schönsten ist es bei sinkender Sonne, wenn unten schon die feinen blauen Schleier der Dämmerung weben, während oben der Kranz der Wälder noch in tiefem flammendem Rot leuchtet.
Auf den Wänden des Häuschens wimmelt es natürlich von Namen, Sprüchen und Versen. Am schönsten sind die eines Lyrikers, der Macheleidt heißt; er tut, was ihm sein Name befiehlt. Außer Poesie und Landschaft kann man aber auf dem Trippstein nichts genießen; der Fürst ist geschmackvoll genug, dort oben keine Wirtschaft zu dulden. Hingegen kann man sich nicht allzuweit davon in einem fürstlichen Jagdschloß, der Fasanerie, erquicken. Es werden dort namentlich zwei hellbraune Flüssigkeiten geschenkt, die in ihrer Art einzig sind; mich wenigstens haben sie im Geschmack an nichts erinnert, was ich vorher im Leben getrunken habe. Die eine Flüssigkeit wird lauwarm in Gläsern gereicht und heißt dort Bier, die andere, die etwas heißer in Tassen geschenkt wird, nennt man dort Kaffee. Im Hause sind einige Zimmer mit Hirschhornmöbeln ausgestattet; sie schön und geschmackvoll zu finden hat nicht einmal unser Republikaner gewagt. Unter den Eichen der Fasanerie pflegten viele Schwarzburger Sommergäste den Nachmittag zu verbringen; die Damen stricken und erörtern die sozialpolitischen Aufgaben der deutschen Hausfrau gegenüber ihrem Mädchen für alles; die Herren spielen Skat; es soll dort sehr anregend sein.
Das weiß ich aber lediglich vom Hörensagen. Ich bin nur einmal dort gewesen, habe zuerst das Braune im Glas, hierauf, da dies nicht ging, das Braune in der Tasse verkostet und bin dann gegangen. Denn meine Zeit ist hier kostbar, ich muß ja das ganze Schwarzatal ablaufen.
Befohlen habe ich mir dies freilich nur selber, aber es war ein weiser Befehl, denn das Tal ist, den Unterlauf abgerechnet, sehr schön. Das letzte Stück freilich, von Blankenburg bis Dorf Schwarza, wo der Fluß in die Saale mündet, ist nüchtern: eine breite, fruchtbare Ebene, durch die das früher so wilde Gewässer nun zahm dahinschleicht, wie das so bei allem Lebenden gegen das Ende Brauch ist. Was aber nun den schönen Teil des Flußtals betrifft, so zerfällt er, selbst dem stumpfen Blick erkennbar, wieder in zwei verschiedene Teile, einen längeren vom Ursprung des Schwarzabachs bei Scheibe bis Schwarzburg und einen kürzeren von hier bis Blankenburg. Da nun aber dies Mittelstück der weitaus schönere Teil ist, so läßt sich leider kein Vergleich mit dem Menschenleben daran knüpfen. Denn der Mensch ist in der Jugend am schönsten, äußerlich immer und innerlich – das ist die traurigste Erfahrung, die uns das Leben lehrt, aber es lehrt sie – innerlich fast immer...
Womit ich nun hier beginnen soll, kann scheinbar nicht zweifelhaft sein; mit der Schilderung des oberen Teils von Scheibe bis Schwarzburg, denn das Schönste muß man sich für den Schluß aufsparen. Ich mach's aber umgekehrt, denn zwischen Schwarzburg und Blankenburg bin ich wie jedermann fast nur unter Touristen gewandelt, im oberen Tal aber unter Köhlern und Hirten, Balsamträgern und Arbeitern. Und das dunkelste Leben, wenn man's recht zu erfassen bemüht ist, ist fesselnder als die schönste Natur.
Der Weg von Schwarzburg nach Blankenburg geht immer durch Wald, fast immer zwischen Felsen und die rauschende Schwarza entlang; und wenn es nicht die hübschesten zehn Kilometer deutscher Erde sind, so gehören sie doch mit zu den hübschesten. Eine breite, wohlgepflegte Chaussee führt hindurch, auf der viele Wagen und Omnibusse hin und her rollen, und schon dies verträgt sich mit dem Charakter dieses wilden, tief und eng gerissenen Waldtals nicht recht. Daß aber hier keine Bahn pfeift und qualmt, tut wirklich nur den Wirten beider Orte weh, hingegen nicht bloß den Kutschern im Schwarzatal, sondern auch allen Naturfreunden wohl. Der Fürst duldet's nicht und hat sehr recht daran; es wäre nicht hübsch und selbst die Dividende fraglich. Denn wer sich begnügte, hier in fünfzehn Minuten hindurchzusausen, wäre so dumm, daß man sich's höflicherweise gar nicht denken kann.
Schon im Omnibus hat man wenig von der Fahrt, denn das Bild ist, so betrachtet, scheinbar immer dasselbe, Bäume, Felsen und der Fluß; zudem sieht man aus dem Fensterrahmen nur immer das Nächste und hat keinen Überblick. Sonst kein Freund solcher Vehikel, ließ ich mich in den ersten Tagen verleiten, in den Kasten des „Thüringer Hofs“ zu klettern, weil ich mir Blankenburg und die Höhen ringsum ansehen und frisch hinkommen wollte. Auch lockte es mich, daß drinnen nur zwei Ehepaare saßen, die beide schwiegen. Aber kaum, daß der Kasten knarrend dahinzog, begannen sie beide rastlos ihre Gedanken auszutauschen, obwohl doch keines von ihnen dabei gewann. Der eine Herr war Dampfwäscher aus Berlin, der andere, gleichfalls ein Berliner, hatte einen freien Beruf, der sich bald schrecklich offenbaren sollte; die Damen aber waren zweifellos ihre Gattinnen, das bewies ihr Äußeres. Nun, Dampfwäscher muß es geben, aber einen Beruf, wie ihn jener andere Berliner und seine Gattin übten, sollte es nicht geben. Sie reisten nämlich nur zu ihrem Ärger und führten daher eine Liste sämtlicher verdorbenen Fische und unreinlichen Betten in Mitteldeutschland. Das wirkte auf das andere Paar so wie etwa ein Magnet auf gewöhnliches Eisen, sie hingen zunächst an den Lippen der Ärger-Reisenden, wurden dann aber selber magnetisch und erzählten ähnliches. So ging das lange zwei Stunden fort; nur einmal unterbrach der Dampfwäscher die Schilderung seiner Gattin von einem Rudolstädter Milchkaffee mit Fliegen durch den Hinweis auf die Aussicht, aber die Ärger-Reisende wies ihn scharf zurecht: „Lassen Sie man, das is interessant!“ Mir wird immer bei derlei Gesprächen, die man so oft hören kann, ganz traurig zumut. Da ziehen diese Leute, als ob sie fühlende, empfindende Menschen wären, nach harter Arbeit für einige Wochen zur Erholung in die Welt, wo sie am schönsten ist, und wenn sie mittendrin sind, so gucken sie sie gar nicht an, sondern wühlen sich nur in dieselben kleinen Erbärmlichkeiten hinein wie daheim. Als ich den Omnibus zur Heimkehr bestieg, da saßen wieder zwei Ehepaare drin, und auch sie schwiegen. Aber ich traute dem Landfrieden nicht mehr und setzte mich lieber neben den Kutscher. Das war ein frischer, treuherziger Mensch, der an jeden Fels am Wege eine Sage hing und an jede Schürze ein harmloses Neckwort; dazu trank er bei jedem Wirtshaus, an dem wir vorbeikamen, ein Glas Bier auf meine Gesundheit. Drinnen aber hörte ich nach kurzem Schweigen bereits die regste Unterhaltung: „Licht besonders berechnet... täglich Kalbfleisch... fünf Mark das Zimmer...“ So mag Daniel in die Löwengrube hinabgelauscht haben, nachdem er draußen war.