Abschnitt 2

Wenig bekannt dürfte es sein, wie mutvoll der damalige Erbprinz Georg einst in Paris für die Schwester und das unglückliche Preußen eingetreten ist. Gelegentlich einer Audienz bei Napoleon, wegen des zur Notwendigkeit gewordenen Eintritts Mecklenburgs in den Rheinbund, nahm er die Gelegenheit wahr, da der Kaiser ihn spöttisch nach dem Befinden der Schwester fragte. In ruhiger, würdiger Weise suchte er den Gewalthaber milder zu stimmen: ,,Je les ecraserais à la première bêtise qu´il feront,“ schrie dieser in aufloderndem Zorn. An der Tür kehrte der Prinz noch einmal um: „Verzeihen Sie“, sagte er, „wenn ich noch einmal zurücktrete, aber Ew. Majestät haben geäußert, dass ich wie ein junger Mensch rede und dennoch muss ich wenigstens erklären, dass ich von allem Gesagten nichts zurücknehme.“ Zu seinem Erstaunen erwiderte Napoleon ruhige „O, ich wollte nur sagen, wie ein junger Mensch, der seiner Familie sehr attachiert ist.“

Für die Stellung deutscher Fürsten dem Eroberer gegenüber ist es bezeichnend, dass der Erbprinz sich nach dieser Unterredung auf die Rache des Gewaltigen, ja auf Gefängnis und Tod gefasst machte und demgemäß seine Angelegenheiten ordnete. Aber sein mutiges, treues Eintreten für die gerechte Sache blieb ohne schlimme Folgen; Napoleon behandelte ihn sogar rücksichtsvoller wie bisher, und Talleyrand sagte: ,,I1 a su faire sa place.“


Groß war sein Jubel, als endlich die Befreiung kam. Er schreibt: „Worte habe ich nicht, schon lange nicht mehr! Sondern bloß Freudentränen, die auch ich schon tausendfältig kniend Gott zum Opfer dargebracht habe und eigentlich zum einzigen Opfer, das unserem Glück angemessen ist. Deutschland gerettet! Die alte edle deutsche Ehre wieder errungen, zehnfach wieder errungen. Ach, beinahe ist es des Glückes zu viel nach so langen, bangen Jahren ! O nur eines, unser Engel ..... und es bestände, was nicht auf Erden bestehen kann, vollkommenes Glück." –

Wer den alten Herrn noch gekannt hat, dem wird die vornehme, liebenswürdige Persönlichkeit unvergesslich sein. Obgleich fast ganz taub geworden, hatte er gar nichts von der misstrauischen Bitterkeit Schwerhöriger, vielmehr blieb er stets rücksichtsvoll und wohlwollend, und man hatte durchaus den Eindruck, es mit einem Grandseigneur der alten Zeit zu tun zu haben in des Wortes bester Bedeutung, wenn man vor der schlanken, mittelgroßen Gestalt stand und den hell und scharf blickenden Augen in dem schmalen, länglichen Gesicht begegnete. Noch sehe ich ihn, wie er in seinem gelben Coupe, von vier raschen Pferden gezogen à la Daumont, in schnellstem Trabe durch die Straßen fuhr, alle ehrfurchtsvollen Grüße mit freundlichem Handwinken lebhaft erwidernd, indessen eine große Mütze mit langem Schirm sein Haupt bedeckte.

Mit Rührung stand ich jetzt an dem unbeschreiblich einfachen Bette, das mit welken Kränzen bedeckt, hinter einem Wandschirm in dem engen Zimmerchen des Schweizerhauses dem liebenswürdigen, fürstlichen Weidmanne zum Sterbelager geworden ist; denn hier, umrauscht von den Bäumen seines Waldes, ist er heimgegangen. –

Noch einen Blick warf ich in das mittlere Stockwerk, wo der Großherzog im traulichen Raum und im kleinem Kreise die Mahlzeiten einnahm und die Abende verbrachte. Die hellen Eichenmöbel mit den verblassten Bezügen, die alten Ölgemälde, Jagdszenen aus der Zopfzeit darstellend, die die Tapeten ersetzen, der Armleuchter aus Messing mit dem grünen Lichtschirme, das alles lässt uns das Leben des Fürsten noch deutlich erkennen, das er hier meist in Gesellschaft seines sangesfrohen Freundes, des Kammer- herrn von Dachröden, einige Wochen hindurch führte, und das ihm Badereise und Sommerfrische ersetzte.

Mir kam, während ich dem Försterhause wieder zuschritt, der heute kaum noch verstandene Goethesche Vers in den Sinn:

„Selig, wer sich von der Welt Ohne Haß verschließt, Einen Freund am Busen hält Und mit dem genießt.“

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Deutsche Erde - Wanderungen durch Mecklenburg