Kapitel 07 - Kaiser Rudolf II. und sein Hof - nach Vehse.

Rudolf, der älteste Sohn des zweiten Maximilian, war zu Wien geboren und wurde in Spanien erzogen. Seine Mutter war Maria, die Lieblingstochter Karls V., eine echte Spanierin, streng katholisch, sehr tugendhaft und sehr düster. Der Aufenthalt am Hofe des unheimlich kalten, ausschweifenden und grausamen Philipp und die furchtbaren Ereignisse unter dessen Regierung hinterließen nicht zu verwischende Spuren in Rudolfs Seele. Ehemals war er sanft, schüchtern und gerechtigkeitsliebend gewesen; als er im Alter von neunzehn Jahren nach Deutschland zurückkam, um die römische Königskrone aufs Haupt zu setzen, war er wild, finster und zu heftigen Zornanfällen geneigt. Mit vierundzwanzig Jahren wurde er Kaiser. Er schlug seine Hofstatt zu Prag auf.

Es war eine Drohung über ihm von den Ahnen her. Aber er hatte nicht die rührende Melancholie Johannas von Kastilien, auch nicht die durch die Eitelkeit aller irdischen Dinge niedergebeugte stille Größe Karls V., in ihm war eine Art von Versteinerung. Mit der Ungeduld eines bösen Kindes sprach er seinen Widerwillen gegen alle Regierungsgeschäfte aus, und dieser Widerwille endigte erst, wenn er merkte, daß ein anderer sich ihrer mit Liebe und tätigem Fleiß annahm; dann erwachte in ihm der Neid und eine verzehrende Eifersucht.


Er kam niemals ins Reich; er besuchte nie einen Reichstag seit jenem Regensburger, wozu ihn die Türkennot gedrängt hatte. Er kam auch niemals nach Wien. Er saß fest auf dem Hradschin; dort hatte er seine Zauber- und Wunderwerkstatt aufgeschlagen. Wenn die deutschen Fürsten ihm ihre Gesandten schickten, ließ er ihnen sagen: er sei eben mit andern Angelegenheiten trefflich molestieret. Ebenso warteten die Boten Ungarns und Österreichs jahrelang in Prag vergeblich und immer wieder vergeblich auf eine Audienz. Die Statthalter und Generale wurden ohne Verhaltungsbefehle gelassen; sie mochten sich helfen, wie sie konnten. Die Geheimkünste füllten seine ganze Welt aus.

Er hatte große Schätze, verbarg sie aber sorgfältig in seinen Truhen. Es kümmerte ihn nicht, wenn den Räten und Hofleuten kein Gehalt ausbezahlt wurde, wenn sogar in der kaiserlichen Hofhaltung sich Mangel einstellte. Der bayrische Resident schrieb einmal an seinen Herrn: „Heute hat das vornehmste Hofgesinde nichts zu essen gehabt, es war kein Geld vorhanden, um für die Küche einzukaufen.“ Von alledem unberührt, überließ sich Rudolf seiner Leidenschaft für das Mysteriöse und seiner Sammelwut.

Er sammelte Naturalien, seltene Steine, ausländische Pflanzen und Tiere. Löwen, Leoparden und Adler verstand er so zahm zu machen, daß sie mit ihm im Zimmer herumgingen. Die Welser in Augsburg, die für die zwölf Tonnen Goldes, welche sie dem Kaiser Karl vorgestreckt, einen Küstenlandstrich in Südamerika erhalten hatten, ließen von dort her peruanische Kuriositäten für ihn kommen. Er sammelte römische und griechische Altertümer, die seine Agenten aufkaufen mußten, Münzen, Gemmen, Kameen und Statuen. So erwarb er zwei der größten Schätze der Antike, den Sarkophag mit der Amazonenschlacht und die Onyxtasse mit der Apotheose des Augustus, für die er fünfzehntausend Dukaten bezahlte. Seine Schatzkammer war weit und breit berühmt; sie blieb fast zweihundert Jahre lang im Stande, erst in der Zeit der josefinischen Aufklärung ging vieles verloren; die Statuen wurden für ein Spottgeld veräußert, ein herrlicher Torso wurde durch das Fenster in den Schlossgraben geworfen, die seltenen Münzen wurden nach dem Gewicht verkauft, und die Tizianische Leda figurierte in einem Inventar unter dem Titel: ein nacktes Weibsbild von einer bösen Gans gebissen.

Ein besonderes Wohlgefallen fand Rudolf an der Stempelschneidekunst. Die Siegel an seinen Diplomen, goldnen Bullen, Lehn- und Gnadenbriefen sind so fein und zierlich in vollendetstem gotischen Stil ausgeprägt, daß die Annahme berechtigt erscheint, er habe die größten Meister dieser Kunst in seinen Dienst gezogen.

Von seinen Hofleuten wurde Rudolf II. Salomon genannt. Er beherrschte sechs Sprachen, war bewandert in der Mechanik, Physik und Mathematik und besonders in der Astrologie, Magie und Alchimie. Er verkehrte schriftlich mit allen gelehrten Männern im heiligen römischen Reich, und manchen unscheinbaren Doktor erhob er in den Adelsstand, auch wenn es ein Lutheraner war. Aber hauptsächlich waren die sonderbaren Leute seine Leute. Es lebten an seinem Hof eine Menge Uhrmacher und Maler, eine Menge Astronomen, die ihm Horoskope stellen und Kalender machen mußten; er verkehrte mit Adepten aller Art, worunter sich viele Scharlatane, Glücksritter, Quacksalber und Marktschreier befanden; er verkehrte mit Magiern, Spiegeldeutern, Lebensverlängerern und Menschenmachern; sie mußten dem Kaiser aus kochendem Wasser weissagen, ihm ihre Phantasmagorien zeigen und allen Ernstes versuchen, Mumien zu beleben und in der Retorte Menschen zu erzeugen.

Der größte Magus an Rudolfs Hof war der Engländer John Dee. Er schloss dem Kaiser das Geisterreich auf. Er rühmte sich, zu jeder Zeit seinen Genius vor sich zu sehen, und wenn er seine Studien unterbreche, setze sich der Genius an seine Stelle hin und studiere weiter; wenn er dann zurückkehre, brauche er ihn nur auf die Achsel zu klopfen, so stünde der Genius auf und entferne sich wieder. Rudolf hielt Dee für einen gewaltigen Zauberer, Dee hielt den Kaiser ebenfalls für einen gewaltigen Zauberer, und so hatten beide große Furcht und großen Respekt voreinander. Ein anderer Wundermann war der Italiener Marco Bragadino. Eigentlich hieß er Mamugna und war ein Grieche. Zu Ende des sechzehnten Jahrhunderts war er als Graf Mamugnano nach Italien gegangen, trat in den Kreisen der venezianischen Nobili mit größter Pracht auf und machte in den Palästen der Dandolo und der Contarini zum Erstaunen aller Gold. In Prag erschien er stets begleitet von zwei riesigen schwarzen Bullenbeißern, die er zur Beglaubigung seiner Macht über die Geister mit sich führte. Er behandelte das Gold wie Messing, verschenkte große Stücke und hielt stets auf eine reiche Tafel. Als er sich später nach Münster wandte, verlor er sein Leben am Galgen. Noch größeres Aufsehen als dieser Bragadino machte ein gewisser Hieronymo Scotto. Er war es, der dem Kölner Kurfürsten Gebhardt Truchseß durch die Bilder in einem Zauberspiegel die schöne Gräfin Agnes Mannsfeld verkuppelte, worüber der geistliche Herr Land und Leute einbüßte. In Koburg verführte der einschmeichelnde Glücksritter die Gattin des Herzogs, und die unglückliche Prinzessin schmachtete dafür zwanzig Jahre lang im Gefängnis.

Alle fahrenden Alchimisten waren Rudolf willkommen, er hatte täglich Zuspruch von ihnen und beschenkte sie reichlich, wenn sie interessante Versuche machen konnten. Man nannte ihn den deutschen „Hermes trismegistos,“ und daß er wirklich ein Adept gewesen, schien nach seinem Tode klar, denn man fand unter seinem Nachlass eine graue Tinktur, man fand vierundachtzig Zentner Gold und sechzig Zentner Silber, die in Ziegelsteinform gegossen waren.

Es lebten aber auch drei große Männer an Rudolfs Hof: Tycho de Brahe, Loncomontanos und der unsterbliche Kepler, der von Prag aus sein fundamentales Werk “nova astronomia de stella martis“ in die Welt sandte. Er hielt sich zwölf Jahr lang an Rudolfs Hof auf und war seit dem Tode Brahes, der an der Tafel des letzten Rosenbergs in Krumau aus Etikettenangst starb, als römisch-kaiserlicher Majestät Mathematikus angestellt. Ein Jahrgehalt von fünfzehnhundert Gulden war ihm zugesichert; aber er erhielt es selten richtig ausbezahlt.

Vielleicht war die Zurückgezogenheit, in welcher der Kaiser auf seinem Zauberschloss lebte, schuld daran, daß sich starke Parteiungen an seinem Hof bildeten. Den mächtigsten Einfluss hatten die Italiener. Davon liefert die Geschichte des Feldmarschalls Rusworn einen Beweis; Graf Khevenhüller erzählt sie in seiner altertümlichen Manier, die ich zu mildern versuche:

[Illustration: Kaiser Rudolf II., nach einem Stich von A. Wierx.]

„Dies Jahr sind zu Prag der Feldmarschall Rusworn und der Begliojoso so hart aneinandergekommen, daß sie sich mit Worten übel traktiert, was der Begliojoso von seinem Feldmarschall hat leiden müssen. Seines Unwillens hat sich ein von Mailand verbannter Kerl namens Furlan bedient; der Begliojoso hatte in seiner Heimat eines Rechtsgelehrten Weib verführt, deshalb waren zwölftausend Kronen auf seinen Kopf gesetzt, welche dieser Furlan zu gewinnen und dabei seiner Acht sich zu entledigen hoffte. Als nun Begliojoso einmal am Abend auf der Kleinseite spazieren ging, ist Furlan zu dem Feldmarschall gegangen, der beim Grafen Herberstein speiste und hat ihm vermeldet, der Begliojoso lauere ihm auf. Darauf hat der Rusworn um seine Leute und Pistolen geschickt und hat seinen Kämmerling und den Furlan ihm vorausgehen heißen. Als sie nun den Begliojoso angetroffen, hat dieser, der nichts Böses im Sinn geführt, freundlich zu Furlan gesprochen, der aber hat ihm mit der Pistole geantwortet und ihn durch den Arm geschossen. Darauf hat der Begliojoso mit der rechten Hand den Degen erwischt, mit großer Wut auf die zwei losgegangen und sie gegen den Feldmarschall getrieben; der hat gemeint, die Verräterei sei erwiesen, hat dem Begliojoso stark mit der Wehr zugesetzt und ihn fast auf den Tod verwundet. Indem hat Furlan den Begliojoso hinterwärts durch den Kopf geschossen, ist davongelaufen, aber später ertappt und gehenkt worden. Der Kaiser war zuerst übel zufrieden, daß man seinen Feldmarschall so traktiert, aber als Rusworns Widersacher den Kaiser anders informiert, wurde er verarrestiert und die Sentenz über ihn gesprochen. Der Kaiser hat ihm den Pardon gegeben, der ist aber aus Praktiken zurückgehalten und die Exekution vorgenommen worden. Der Feldmarschall hat sich trefflich wohl zum Sterben geschickt, hat ein gemaltes Kruzifix vor sich ausgebreitet und seines Endes unerschrocken gewartet. Der Kopf ist ihm gleich zu der Wunde Christi gefallen, und also hat dieser kühne tapfere Held, so in Ungarn wider den Türken ansehnliche Dienste geleistet, mit einem schmählichen Streich sein Leben enden müssen, aus Missgunst etlicher, die ihn um das Glück beneidet und denen er im Wege gelegen. Der Kaiser hat seine Übereilung hoch beklagt. Weil aber die Majestät damals sich ganz versteckt gehalten und fast niemand gehört, wurde die Sache beschönt und verschwiegen.“

Gerade weil Rudolf so eingezogen lebte, bedurfte er der Zuträgereien; die Kammerdiener brachten sie ihm, und nach seiner argwöhnischen Gemütsart lieh er ihnen ein williges Ohr. Lakaien und Abenteurer waren es, die im Hradschin kommandierten. Die Stallknechte hatten einen großen Stand, weil der Marstall des Kaisers Lieblingsaufenthalt war. Viel Macht übten endlich die listigen Buhlerinnen aus, mit denen der Kaiser in immer wechselnder wilder Ehe lebte. Die Ursache, weshalb sich Rudolf nicht vermählte, war das Horoskop, das ihm Tycho de Brahe gestellt hatte. Es lautete, er dürfe nicht heiraten, denn es drohe ihm Gefahr vom eigenen Sohn. Zwei Heiratsprojekte lagen vor: mit einer mediceischen Prinzessin und mit der spanischen Infantin Isabella. Viele Jahre lang wurde darüber verhandelt, aber jeder Versuch, den Kaiser zur Ehe zu bewegen, schlug fehl. Um das Jahr 1600, als sich die Heiratsprojekte endgültig zerschlagen hatten, stieg Rudolfs Trübsinn aufs höchste. Gegen seinen jüngeren Bruder Mathias fasste er einen unaustilgbaren Widerwillen. Das Erscheinen des Halleyschen Kometen bestärkte ihn in der Furcht vor den Anschlägen seiner Verwandten, Anschläge, die der blutige Schwanzstern ihm recht handgreiflich in der Vorbedeutung anzuzeigen schien. Vergeblich suchte ihm Kepler seine Angst auszureden. Er war so misstrauisch, daß er nicht nur den niedrigsten Verleumdern zugänglich war, sondern auch alle Personen, die zu ihm kamen, untersuchen ließ, ob sie heimlich Waffen bei sich führten. Selbst seine Geliebten mußten sich diesem Zwang unterwerfen. Aus Furcht verließ er das Schloss nicht mehr. Sein Schlafzimmer glich einer Festung. Oft sprang er aus dem Bett und ließ durch einen Schlosshauptmann alle Winkel der kaiserlichen Residenz mitten in der Nacht durchstöbern. Wenn er zur Messe ging, was nur an hohen Festtagen geschah, saß er in einem gedeckten und stark vergitterten Oratorium. Um ganz sicher beim Spazierengehen zu sein, ließ er lange und weite Gänge mit engen schrägen Fensterchen gleich Schießscharten bauen, durch die hindurch er nicht fürchten mußte, erschossen zu werden. Diese Gänge führten in seinen prächtigen Marstall; er hatte hier seine Zusammenkünfte mit den Frauen und besah sich gern seine Pferde, die er liebte, auf denen er aber niemals ritt.

Daniel L’Hermite schildert die Erscheinung des siebenundfünfzigjährigen Kaisers wie folgt: „Viel zu frühe sind ihm Haare und Bart grau geworden. Die Stirn ist majestätisch, der Mund nicht unangenehm, die Augen sind feurig, werden aber von starken Wimpern fast gänzlich beschattet. Seine Gestalt ist mehr gedrückt als aufgerichtet, von alters her ist diese gedrückte Leibesgestalt im Hause Österreich angeboren. Er trägt noch immer Kleider nach der alten Sitte, er hält auf diese alte Sitte und setzt ein Zeichen der Größe daran, nichts an ihr zu ändern; er trägt einen kurzen, mit Gold eingefassten Mantel und über der gegürteten weißen Hose ein spanisches Wams.“

In Prag wusste man oft monatelang nicht, ob Rudolf noch lebe. Das Volk fürchtete, die Günstlinge verheimlichten seinen Tod, um seine Schätze an sich zu bringen. Einmal brach deshalb ein Aufstand aus, und da zeigte sich der Kaiser nach langen Bitten am Fenster des Hradschins, um den andrängenden Volkshaufen zu beruhigen. In dumpfem Brüten, und ohne einen Laut von sich zu geben, saß er oft viele Stunden hindurch und schaute den Malern und Uhrmachern zu, die in seinem Zimmer arbeiteten. Wurde er dabei angesprochen, so packte ihn der Jähzorn, und er warf, was er gerade erreichen konnte, ein Gefäß oder ein Werkzeug, dem Störer mit Schimpfworten an den Kopf. Bisweilen auch fuhr er aus seinem wehmütig stieren Sinnen ohne Grund empor und zerschlug alles um sich her.

Personen, die in Geschäften bei Hof erschienen, fanden es ungemein schwer, zum Kaiser zu gelangen. Entweder war er im Zimmer bei den Löwen, Leoparden und Adlern, die er selbst fütterte, oder bei Tycho de Brahe auf der Sternwarte, oder bei Dee und Bragadino, beschäftigt mit Schmelztiegeln, Wunderspiegeln, Traumtafeln und Geistererscheinungen, oder in den Gärten des Hradschins, wo Bäume, Gesträuche und Blumen aus fernen Weltgegenden blühten und Zaubergrotten und Wasserwerke sich befanden, aus denen Musik ertönte. Wer ihn sprechen wollte, mußte sich als Stallknecht verkleiden und ihn im Marstall erwarten. Aber auch hier war es gefährlich, sich dem seltsamen und gewalttätigen Herrn zu nähern. Eva, die Tochter des in Ungnade gefallenen Oberst-Burggrafen Lobkowitz, hatte sich durch Geld eine solche Audienz erkauft, um für ihren gefangenen Vater Freiheit und Leben zu erbitten. Ein ehrlicher Stallknecht warnte sie in letzter Stunde, indem er ihr eröffnete, daß sie zu schön sei, um solches zu wagen, der Kaiser scheue nicht vor Gewalt zurück. Sie verstand ihn und floh.

Rudolf ahnte nichts von der Not seiner Völker. Der sturmbewegten Zeit mußte dieser kranke Träumer auf dem Thron alles schuldig bleiben. Die Türkengefahr und der Aufstand des Siebenbürgerfürsten vereinigte sämtliche Erzherzoge des habsburgischen Hauses zu dem Beschluß, den Kaiser abzusetzen, und der Urheber dieser Maßregel war Clesel, der Bischof von Wien und Neustadt. Im Juni 1608 mußte Rudolf an seinen Bruder Mathias die Krone Ungarns und die Lande Österreich und Mähren gegen ein Jahrgeld gänzlich abtreten, und trotz seines leidenschaftlichen Widerstandes wurde er gezwungen, den berühmten Majestätsbrief auszustellen, durch den er den böhmischen Herren unbedingte Glaubensfreiheit sicherte. Nur das tiefe Zerwürfnis mit Mathias drängte ihm den Majestätsbrief ab, die Scharteke, wie Kaiser Ferdinand später die Urkunde verächtlich betitelte, als er sie nach der Schlacht am Weißen Berg verbrannte. Aber eines glaubte sich Rudolf dadurch gesichert zu haben: als böhmische Majestät in dem teuren Prag ruhig sterben zu können. Es war ein Irrtum. Er wurde in seinem Schloss so eng bewacht, daß ihm nicht einmal verstattet war, in den Garten zu gehen und Luft zu schöpfen. Einmal, als der römische Kaiser aus dem Tor treten wollte, schlug die Wache das Gewehr auf ihn an; da kehrte Rudolf in seine Gemächer zurück, öffnete das Fenster und rief mit erhobener Hand: „Du undankbares Prag! durch mich bist du erhöht worden, und nun stößt du deinen Wohltäter von dir. Die Rache Gottes soll dich verfolgen und der Fluch über dich und ganz Böhmenland kommen.“

Die Kurfürsten von Mainz und Sachsen verwandten sich für den Kaiser, indem sie betonten, daß er doch auch noch ein Mitglied des kurfürstlichen Kollegiums sei. Darauf entgegneten die Stände Böhmens höhnisch den Abgesandten:

„Wir wollen euch den römischen Kaiser samt dem Kurfürsten von Böhmen zugleich in einem Sack zuschicken.“

In dieser Bedrängnis war es, wo Mathias seinem Bruder auch die böhmische Krone raubte. Erbittert darüber, daß die Böhmen Mathias gehuldigt hatten, schleuderte Rudolf, als er die Abdankungsurkunde unterzeichnet hatte, im Zorn seinen Hut auf die Erde, zerbiss die Feder und warf sie dann auf das Diplom, auf dem man noch heutigentags den Tintenfleck sieht. Ungeachtet seiner hoffnungslosen Lage glaubte der wunderliche Mann durch die Stiftung eines Ordens von Friedensrittern alles wieder ins Geleise bringen zu können, und Tag und Nacht arbeitete er an den Ordensketten.

Von seinen sämtlichen Kronen besaß er jetzt nur noch die römische Kaiserkrone. Aber schon lange verachteten ihn auch die deutschen Fürsten und schickten endlich eine Gesandtschaft, um ihn zu nötigen, zur Wahl eines anderen Kaisers seine Zustimmung zu geben. Er empfing die Gesandten unter einem Thronhimmel stehend; die linke Hand hatte er auf einen Tisch gestützt. Als sie ihr Verlangen vorbrachten, wurde ihm der Kopf heiß, seine Knie zitterten, und er mußte sich auf einen Sessel niederlassen. Später sagte er zum Herzog von Braunschweig, seinem vertrautesten Freund:

„Die mir in meinem Ungemach keine Hilfe geleistet und zu meinem Dienst nicht einmal ein Ross haben satteln lassen, haben mir jetzt eine Art von Leichenpredigt gehalten. Ohne Zweifel sind sie mit unserm Herrgott in geheimem Rat gesessen und wissen vielleicht von daher, daß ich noch in diesem Jahr sterben werde, weil sie gar so stark auf einen Nachfolger im römischen Reich dringen.“

Erniedrigung, Verlust der Würden und alle damit verbundenen Leiden hatte Rudolf ertragen; der Tod seines schönen treuen alten Löwen und zweier Adler, die er täglich mit eigener Hand gefüttert hatte, brach ihm das Herz.

Sein Leichnam wurde in eine mit rotem Damast ausgeschlagene Bahre gelegt, über der sich ein gläserner Deckel befand; auf der Brust trug er ein Kreuz, an der linken Seite die Wehr und an der rechten das goldene Vlies. Rudolfs Minister wurden verhaftet und zur Folter verurteilt; sein Schatzmeister Roszky, den er vor andern geliebt, erhängte sich im Gefängnis mit der Schnur, an welcher er den Kammerschlüssel getragen. Man ließ daher seinen Leib vom Scharfrichter vierteilen und auf dem Weißen Berg bestatten. Allein es hieß, daß er sich an derselben Stelle oftmals auf einem Bock oder Hirsch reitend zeigte, und so wurde der Körper wieder ausgegraben, wurde verbrannt und die Asche in die Moldau geworfen. Als dies geschehen war, verschwand plötzlich der Schlosshauptmann, und es entstand der Verdacht, daß er den Roszky im Gefängnis ermordet, ihn aufgehängt und ihm das „aurum purificatum,“ das er aus des Kaisers Schatz zurückbehalten, geraubt habe.

Der Kaiser Rudolf hinterließ von seinen vielen Geliebten wahrscheinlich viele Kinder, von denen vier Söhne bekannt geworden sind, die sein wildes Blut erbten. Don Carlos d’Austria diente dem Kaiser Ferdinand im Dreißigjährigen Krieg, wurde aber in einer Vorstadt von Wien bei einem Auflauf um eine öffentliche Dirne, in den er sich mutwillig gemischt hatte, unerkannt erschlagen. Zwei andere führten ein anonymes Dasein, der vierte jedoch, Don Cesare d’Austria, hatte an einem Edelfräulein Gewalt geübt und sie dann aus dem Weg geräumt. Der Kaiser, sein Vater, ließ ihm in einem warmen Bade die Adern öffnen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Deutsche Charaktere und Begebenheiten