Kapitel 04 - Wallenstein - nach Vehse.

Albrecht Wenzel Eusebius Baron von Waldstein oder Wallenstein entstammte einem alten böhmischen Geschlecht, dessen Name schon im zwölften Jahrhundert zu finden ist. Er war am 15. September 1583 geboren und kam zwei Monate zu früh auf die Welt. Seine Eltern waren Protestanten, und beide verlor er bald, den Vater, als er zehn, die Mutter, als er zwölf Jahre alt war. Sein Oheim, Albrecht Slavata, ließ ihn in der Schule der böhmischen Brüdergemeinde unterrichten, aber ein zweiter Oheim, Johann von Ricam, nahm ihn von dort weg und brachte ihn in das adelige Jesuitenkonvikt nach Olmütz, wo ihn Pater Pachta der katholischen Kirche zuführte.

Die im Volk verbreiteten Sagen über den hochfahrenden und trotzigen Sinn Wallensteins beschäftigten sich auch mit seiner Kindheit. So hieß es, es habe ihm einst auf der Schule zu Goldberg geträumt, daß Lehrer und Schüler, ja selbst die Bäume des Waldes sich vor ihm verneigt hätten, und als er diesen Traum erzählte, sei er lebhaft verspottet worden.


Von Olmütz aus ging er auf Reisen; er machte mit einem reichen jungen Edelmann aus Mähren die europäische Kavaliertur nach Holland, England, Frankreich und Italien. Ihr gelehrter Begleiter war der Mathematiker und Astrolog Verdungs, ein Franke; durch ihn und den Professor Argoli in Padua wurde Wallenstein in die geheimen Wissenschaften der Sterne und in die Kabbala eingeweiht. Nach seiner Rückkehr diente er dem Kaiser Rudolf gegen die Türken und dem König Ferdinand unter Dampierre gegen die Venezianer. In diesem Feldzug konnte er schon ein Dragonerregiment auf eigene Kosten stellen, denn er war durch die Heirat mit einer begüterten alten Witwe zu Vermögen gekommen. Lukrezia von Landeck hieß die Frau; um seine Neigung zu gewinnen hatte sie ihm einen Liebestrank eingegeben, der ihm fast den Tod gebracht hätte. Sie lebte nur wenige Monate an seiner Seite.

Nach der Kampagne gegen Venedig erhob ihn der Kaiser Mathias in den Freiherrenstand und ernannte ihn zum Obrist, Hofkriegsrat und Kämmerer. Beim Ausbruch der böhmischen Unruhen waren seine Fähigkeiten schon anerkannt; die Böhmen wollten ihn zu ihrem General machen. Er blieb aber dem Kaiser treu und flüchtete von Olmütz aus mit der Kriegskasse nach Wien. Im Jahre der Prager Schlacht erhielt er die Reichsgrafenwürde, und nach dem Nikolsburger Frieden schenkte ihm der Kaiser die an Schlesien und an die Lausitz grenzende Herrschaft Friedland, die aus neun Städten und siebenundfünfzig Dörfern und Schlössern bestand; seitdem hieß man ihn nur den „Friedländer“. Auch wurde er Fürst des Reiches. Sein Vermögen entsprach der fürstlichen Würde; er war allmählich durch den Ankauf konfiszierter Güter, die um einen Spottpreis zu haben waren, der reichste Grundherr Böhmens geworden. Er betrieb den Güterschacher im allergrößten Stil, denn er verkaufte auch wieder. Um dieses Freiwerden adeliger Besitztümer verständlich zu machen ist es notwendig, auf die Ursache hinzuweisen.

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Als Ferdinand im Jahre 1619 seinem Vetter Mathias folgte, war er bereits einundvierzig Jahre alt, ein kleiner, korpulenter Herr von gesunder Leibesbeschaffenheit und gemäßigter Lebensführung. Der beherrschende Zug seines Wesens war die Frömmigkeit. Khevenhüller schildert ihn, wie er einmal während einer Jagd den Trägern des heiligen Sakraments begegnete, umkehrte und barhäuptig bis an das Lager des Sterbenden folgte. Was Philipp II. für Spanien gewesen, wollte er für Deutschland sein. „Besser eine Wüste, als ein Land voll Ketzer,“ war sein Wahlspruch. Die Priester waren für ihn die Stimme Gottes, und jeden einzelnen verehrte er als überirdische Erscheinung. „Tritt mir ein Priester und ein Engel zugleich in den Weg,“ so soll er sich einst geäußert haben, „so werde ich dem Priester zuerst meine Ehrfurcht erweisen.“ Dies galt freilich nur für die spanisch-aristokratischen Geistlichen, die sich zu dem System der unbedingten Ketzerausrottung bekannten. Er hörte alle Tage zwei Messen in der kaiserlichen Kapelle, am Sonntag außerdem die Messe in der Kirche, eine deutsche und eine italienische Predigt und nachmittags die Vesper; während der Adventszeit versäumte er keine Frühmette, und an allen Prozessionen nahm er zu Fuße teil. Seine Gewissensräte, die Jesuiten Lamormain und Weingärtner, hatten sein ganzes Herz in der Hand und lenkten es, wie der Orden wollte. Er war stark durch seinen Starrsinn. Alles Unglück ertrug er mit der Geduld des Hasses, den er gegen die Ketzer empfand; all das selbstverschuldete, durch Mangel an Treu und Glauben herbeigeführte Unglück erschien ihm als eine vorübergehende Prüfung Gottes. Er war der unversöhnliche Feind der Protestanten in Deutschland und Böhmen; die Rache, die er an ihnen üben wollte, war der Mittelpunkt seiner Gedanken und Gefühle.

Nach des Kaisers Mathias Tode zog das böhmische Protestantenheer gegen Wien. Ferdinand befand sich in der Hofburg. Er war ohne Soldaten und ohne Geld. Er schien verloren. Seine Räte drängten ihn, nach Tirol zu fliehen, selbst die Jesuiten stimmten für Nachgiebigkeit. Ferdinand weigerte sich. Die Lage war furchtbar; Geschosse flogen in die kaiserlichen Fenster, Ferdinand mußte sein Wohnzimmer verlassen. Er betete gegen seinen Feind. Seine Bedrängnis nutzend, erschienen sechzehn protestantische Herren der österreichischen Stände vor ihm und forderten, er solle seine Einwilligung zu der Union mit den Böhmen geben. Ferdinand weigerte sich, die Schrift zu unterzeichnen. Da fasste Andreas Thonradtel den Kaiser bei den Wamsknöpfen und rief ihm zu:

„Nandl, gib dich, du musst unterschreiben.“

In diesem Augenblick schmetterten Trompeten im Burghof; es waren die Dampierreschen Kürassiere, die durch das Wassertor in die Stadt gedrungen waren. Sie retteten den Kaiser. Furcht und böses Gewissen trieben die Herren von der protestantischen Adelskirche aus Wien. Der böhmische General hatte die Gelegenheit versäumt, und Ferdinand entschloss sich rasch und kühn, nach Frankfurt zu reisen und sich dort zum Kaiser krönen zu lassen. Aber gerade in dieser Zeit sprachen ihm die Böhmen in Prag die königliche Würde ab. Sie entsetzten ihn als einen Erbfeind der Gewissensfreiheit, als einen Sklaven Spaniens und der Jesuiten, und sie wählten an seiner Statt den Kurfürsten Friedrich von der Pfalz zum König, ein unglücklicher Schritt, der die Erbitterung aller drei Religionsparteien auf die Spitze trieb, denn Friedrich war Kalvinist, und nach Luthers Wort waren die Kalvinisten siebenmal ärger als die Päpstlichen.

Friedrich war ein schöner, stattlicher und galanter Mensch von dreiundzwanzig Jahren. Als er zu Amberg die Nachricht erhielt, daß er König geworden sei, war er betroffen und konnte keinen Beschluss fassen. Erst auf das dritte Schreiben der Böhmen reiste er nach Prag und war nun guten Mutes. Er verließ sich auf seinen mächtigen Schwiegervater, den König von England, er verließ sich auf die Hilfe der deutschen Städte, der Hugenotten in Frankreich und der Graubündtner, die ihm versprachen, den spanischen Armeen die Pässe zu sperren, und am meisten verließ er sich auf seine Jugend.

Doch war er von Anfang an ein verlorener Mann. Wohl stand er an der Spitze einer evangelischen Union, viel mächtiger aber war die Vereinigung der katholischen Fürsten, welchen aus Hass gegen die Kalvinisten auch der protestantische Kurfürst Johann von Sachsen sich gesellte, und als nun gar der König von Frankreich Gesandte an die Fürsten der Union schickte, um sie von Friedrich abzubringen, machten diese ihren Frieden mit der katholischen Liga, und von allen verlassen, sah Friedrich von allen Seiten her die Feinde gegen sich losstürmen. Er hatte es nicht verstanden, die böhmischen Herren zu gewinnen; er hatte es nicht verstanden, sich bei diesen Aristokraten in Respekt zu setzen, die einen König nur zum Schein haben wollten, und daß er ihnen ihre krummen Sachen gerade biege. Sie hatten nur ihre Feudalrechte, Freiheiten und Privilegien im Sinn, nannten den Kaiser einen blinden Hund, den Herzog Max die bayrische Sau und den Kurfürsten von Sachsen den meineidigen, trunkenen Klotz, und als Friedrich sie einmal um sieben Uhr früh zu einer Ratsversammlung bescheiden ließ, wurde ihm erklärt, zu solcher Tageszeit könnten sie nicht kommen, der Mensch müsse nach der Arbeit seine Ruhe haben.

In der Stadt herrschte die größte Unsicherheit. Jeden Tag wurden ein paar Menschen ermordet. Ehebruch und Hurerei wurden zur Plage. Die Ernstgesinnten fanden sich durch Friedrichs Vorliebe für französische Sprache, französische Sitten und Moden beleidigt. Man verspottete ihn, wenn er im rotsamtenen Pelz, mit weißem Hut und gelben Federn abends im Schlitten durch die Stadt fuhr. Aber am meisten verdarb er seine Sache dadurch, daß er die Bilderstürmerei zuließ. Allenthalben wurden die Altäre zerstört, die Kruzifixe zerschlagen, die Gräber der Schutzpatrone aufgerissen und beraubt, die Geräte weggeführt, die schönen Stoffe verbrannt und das geschnitzte Holzwerk zerhackt. Als das große steinerne Kruzifix auf der Moldaubrücke fallen sollte, entstand ein Aufruhr, und man mußte der Wache befehlen, jeden in den Fluss zu werfen, der die Statue anzutasten wage.

So standen die Dinge, als Max und Tilly heranzogen, die glühenden Katholiken, die vor Eifer brannten, die böhmische Hauptstadt den Klauen des Ketzers zu entreißen. Die Jahreszeit war vorgerückt, es fing an rau und kalt zu werden. Der General Boucquoy war gegen rasche Maßregeln, aber Tilly rief jederzeit im Kriegsrat, wo er vor Ingrimm und Ungeduld stets etwas zu zerknittern oder zu zerreißen pflegte:

„Prag, Prag.“

Im Frühnebel des 8. November stand die ligistische Armee endlich vor Prag. Der Morgen war bitterkalt, der Boden festgefroren. Abermals wollte Boucquoy den entscheidenden Schlag nicht wagen. Da trat ein spanischer Karmelitermönch auf, riß ein von den Böhmen verstümmeltes Marienbild aus der Kutte und hielt es hoch empor. Herzog Max rief überlaut:

„Heilige Maria!“

und „heilige Maria“ wurde das Feldgeschrei des Tages. Es war Mittag, und die Sonne trat aus den Nebeln. Das Vorrücken zur Schlacht geschah in Massenvierecken des Fußvolks, die Reiterei zog auf beiden Flügeln mit. Die böhmischen Kanonen schossen in die Vierecke, und die ungarischen Reiter machten einen Angriff. Boucquoy und Herzog Max, die sich im Rücken der Armee befanden, hielten die Fliehenden mit dem Degen in der Faust auf. Nun führte der Reiteroberst Pappenheim seine Kürassiere gegen die Ungarn. Ein junger polnischer Lancier erstach das Pferd des den Böhmen verbündeten Herzogs von Anhalt. Er stürzte und wurde gefangen. Dieser Zufall war entscheidend. Die Ungarn ergriffen die Flucht, ihre Flucht verwirrte die ganze böhmische Schlachtordnung, und die Neapolitaner erstürmten die Schanzen und nahmen die Batterien. Die Schlacht war nach einer Stunde zu Ende. Eine einzige Stunde hatte das Schicksal Böhmens, ja das Schicksal Deutschlands für Jahrhunderte entschieden.

Im königlichen Tiergarten hatte Pappenheim gegen eine auserwählte Schar von jungen Adeligen gekämpft. Mit zahllosen Hieb- und Stichwunden bedeckt, fiel er und lag die ganze kalte Novembernacht hindurch ohne Bewusstsein unter Leichen und Pferden. Am andern Morgen kam ein Kroat über ihn. Er biss ihn in den Finger, weil der schöne Ring, den er trug, sich nicht anders wollte abziehen lassen. Das herzhafte Zubeißen des wilden Mannes brachte Pappenheim wieder ins Leben. Er blickte den Kroaten finster an und fragte:

„Kerl, was willst du?“

Der Kroat erwiderte: „Du hast gute Kleider an, du musst sterben.“

Obgleich halbtot, versetzte ihm Pappenheim eine gewaltige Ohrfeige, versprach aber dann, ihn gut zu belohnen, wenn er ihn zu einem Wundarzt führe. Der Kroat willfahrte.

Am Morgen nach der Schreckensnacht stieg Friedrich, der Winterkönig, in den Reisewagen, ließ alles im Stich, Krone, Kleinodien, Archiv und geheime Kanzlei, und fuhr über Breslau und Berlin nach Holland.

Die Rache des Kaisers war glänzend. Er wartete; er wartete sieben Monate lang. Er wollte die böhmischen Landherren sorglos machen und die Vögel sicher ins Garn locken. Es gelang ihm nur zu gut. Max und Tilly hatten Amnestie verbürgt. Tilly gab den Rat, die Stände nicht zur Verzweiflung zu treiben; aber die Klugen, die den Kaiser lenkten, waren der Meinung, daß Leute, die ein schlechtes Gewissen haben, keine verzweifelten Schritte tun, sondern daß solche Leute es lieben, sich zu ducken.

Eines Tages wurden plötzlich achtundvierzig Häupter des Aufstandes verhaftet und auf den Hradschin gefangengesetzt. Noch hatte Ferdinand seine Bedenken, ob er mit den Rebellen auf spanische Art verfahren solle. Der Jesuit Lamormain machte dem Spintisieren ein Ende, indem er erklärte, er nehme alles auf sein Gewissen. Am andern Morgen war der Blutbote auf dem Wege nach Prag, um dem Statthalter die kaiserlichen Befehle zu überbringen.

Schlag vier Uhr früh ertönte der Knall einer Kartaune vom Hradschin. Die Gefangenen, von einer Reiterschwadron und zweihundert Musketieren begleitet, wurden in bedeckten Wagen zur Altstadt heruntergeführt. Der Richtplatz war unmittelbar vor dem Rathaus, gegenüber der Theinkirche, wo der goldene Hussitenkelch mit dem Schwerte stand. Das Schafott war mit rotem Tuch behangen; auf einer Bühne unter einem Baldachin saß der Statthalter und elf vom Kaiser verordnete Kommissarien. Es war ein regnerischer Junimorgen, aber zum Trost der Märtyrer spannte sich ein schöner Regenbogen über den Lorenzberg.

Der Scharfrichter köpfte innerhalb vier Stunden vierundzwanzig Personen, drei wurden gehenkt. Es waren lauter protestantische Köpfe bis auf den des Grafen Czernin, der Katholik war. Er mußte sterben, weil man den Schein retten wollte, daß das Blutgericht keine Religionsverfolgung, sondern eine abgedrungene politische Maßregel sei. Es waren meist ganz alte Leute, die exekutiert wurden; zehn von ihnen zählten zusammen über siebenhundert Jahre.

Der Kaiser tat noch ein übriges für die Opfer: er betete, während sie hingerichtet wurden. Er hatte zu diesem Zweck eine Wallfahrt nach Mariazell angetreten, lag vor dem Bild der Mutter Gottes auf den Knien und flehte, daß die Böhmen noch vor ihrem Tod in den Schoß der alleinseligmachenden Kirche zurückgeführt werden möchten.

Elf Monate nach dem Bluttag ließ Ferdinand einen Generalpardon verkündigen. Wer sich schuldig fühlte, sollte sich selbst anklagen, um die kaiserliche Verzeihung zu erhalten. Die Vögel liefen ins Garn. Siebenhundertachtundzwanzig Herren vom Adel, Ritter und Barone, stellten sich freiwillig. Sofort wurden ihre Güter konfisziert. Teils ganz, teils halb, teils ein Drittel. Im kaiserlichen Kabinett fehlte es an Geld. Die konfiszierten Vermögen ergaben die Summe von dreiundvierzig Millionen Gulden, eine ungeheure Summe für jene Zeit. Sie erlaubte dem Kaiser, den Krieg fortzusetzen. Alle Güter kamen in andere Hände. Es wechselte der ganze Besitzstand. Hundertundfünfundachtzig adelige Geschlechter und viele Tausende von Bürgerfamilien verließen die Heimat und wanderten ins
Ausland, und ganz Böhmen, ganz Mähren und ganz Österreich wurde mit Gewalt wieder katholisch gemacht.

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Der Anteil Wallensteins an der Rebellenbeute betrug nahezu ein Drittel. Sein Reichtum spielte eine wichtige Rolle in den Ereignissen der Zeit. Denn als in Deutschland der Krieg erwachte, als der König von Dänemark sich mit Mansfeld und dem Herzog von Braunschweig verband, als Holland, England und Frankreich sich anschickten, den Protestanten gegen das Haus Habsburg Hilfe zu leisten, sah sich der Kaiser ohne genügende Mittel zur Ausrüstung und Besoldung eines großen Heeres. Da erbot sich Wallenstein, der unterdessen durch die Heirat mit der Gräfin Harrach, der Tochter eines Günstlings des Kaisers, höfische Beziehungen erlangt hatte, zum Helfer. Wallenstein wollte den Krieg in großem Stile führen. Der Kaiser befahl ihm, ein Heer von zwanzigtausend Mann zu werben. Dies schlug er aus. Ein Heer von vierzig- bis fünfzigtausend Mann wollte er stellen, denn ein solches Heer, meinte er, werde sich selbst zu ernähren wissen. Er erhielt darauf die Vollmacht für diese Zahl und zugleich den unbeschränkten Oberbefehl als Generalissimus des Kaisers. Wenige Monate vergingen, und die Armee war beisammen. Sein Name lockte; nicht bloß unbeschäftigte und hungrige Menschen traten unter seine Fahnen, sondern es kamen auch als Offiziere Männer von höchstem Rang. Das Hauptquartier des Heeres war in Eger.

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Wallenstein war zum Kriegsfürsten geboren. Er trat im höchsten Prunk auf und imponierte durch seinen Luxus, durch ein glänzendes Gepränge, das jeden blendete, der ihm nahte. Er wusste die stärksten Leidenschaften der Menschen zu erregen und sie dadurch auf Tod und Leben sich dienstbar zu machen. Seine Belohnungen waren königlich, seine Tafel bot unerschöpfliche Genüsse. Unter der einzigen Bedingung der strengsten Disziplin ließ er alle Ausschweifungen seiner Soldaten hingehen. Sein Lager war das lustigste, das Soldaten haben konnten. Er duldete einen riesigen Train von Bedienten, Trossbuben, Fuhrknechten und Weibern, nur Pfaffen duldete er im Lager nicht. Freibeuter aller Konfessionen und jeden Standes zogen ihm zu. Sein scharfes Auge erkannte den Tüchtigen auf den ersten Blick; der gemeinste Mann vermochte die höchste Stellung zu erringen. Jede heroische Tat wurde durch Beförderung und Geschenke ausgezeichnet, aber der Feigling mußte sterben, und über den Ungehorsamen erging der Befehl, der als Kriegsgerichtsspruch galt:

Laßt die Bestie hängen.

Er verachtete die Menschen. Sie waren ihm nur Werkzeuge zu seinen Zwecken. Als ihm einmal Gustav Adolf vor einer Schlacht den Antrag machen ließ, daß man im äußersten Fall einander Pardon geben möge, antwortete er:

„Die Truppen sollen entweder kombattieren oder krepieren.“

Schon sein Äußeres flößte Ehrerbietung und Scheu ein: eine lange, hagere, stolze Gestalt, das Gesicht immer ernst, bleich oder gelb, die Stirn hoch und gebieterisch, das schwarze Haar kurz abgeschnitten und aufwärtsstehend, die Augen klein, schwarz und feurig-stechend, der Blick finster und voll Argwohn, Lippen und Kinn mit starkem Schnurr- und Knebelbart bedeckt. Seine gewöhnliche Tracht war ein Reiterrock von Elensleder, darüber ein weißes Wams, Mantel und Beinkleider von Scharlach, ein breiter, nach spanischer Art gekräuselter Halskragen, Korduansstiefel, die des Podagras wegen mit Pelz gefüttert waren, und eine lange, rote Feder auf dem Hut.

Mochte es im Lager noch so laut hergehen, in seiner Nähe mußte alles still sein, seine unmittelbare Umgebung mußte die tiefste Ruhe bewahren. Weder Wagengerassel noch Stimmen im Vorzimmer konnte er ertragen. Man sagt, er habe einen Kammerdiener aufknüpfen lassen, der ihn ohne Befehl geweckt, und einen Offizier heimlich umbringen lassen, weil er mit lautklirrenden Sporen vor ihn getreten sei. Er war immer in sich selbst versunken, in sich selbst webend und brütend, nur mit seinen Plänen und Entwürfen beschäftigt. Er forschte unermüdlich und war unablässig tätig, aber immer nur aus sich selbst heraus und fremde Einflüsse schroff abwehrend. Er konnte es nicht einmal leiden, daß man ihn anblickte, wenn er seine Befehle gab; wenn er durch die Gassen des Lagers hindurchschritt, mußten die Soldaten so tun, als bemerkten sie ihn nicht. Ein wunderliches Grauen überfiel die Leute, wenn seine hagere Gestalt gespenstergleich vorüberging. Es umgab ihn etwas Geheimnisvolles, Feierliches und Banges. Er schritt eingehüllt in diese Zauber, und sie bildeten einen Nimbus um ihn. Der Soldat glaubte steif und fest, daß der General mit dunklen Mächten im Bündnis stehe, daß ihm die Sterne Bescheid sagten, daß er keinen Hund bellen, keinen Hahn krähen hören könne, daß er hieb-, kugel- und stichfest sei, und vor allem, daß er die Fortuna an seine Fahnen gebannt habe. Die Fortuna, die seine Göttin war, wurde die Göttin des ganzen Heeres.

Wallenstein war ein Mann von heißestem Temperament, aber äußerlich war er immer kalt und ruhig. „Laßt fleißig münzen,“ schreibt er einmal an seinen Hauptmann im Herzogtum Friedland, „auf daß ich nicht Ursach hab, solches zu ahnden, denn ich höre, daß man dem nicht nachkommt, wie ich es befohlen, welches mir wohl in die Nasen raucht. Ich bin nicht gewohnt, eine Sache oft zu befehlen.“ Er war höchst wortkarg und sprach recht wenig, dann aber mit Nachdruck. Am wenigsten sprach er von sich selbst. Der glühendste Ehrgeiz flammte still und lautlos in seiner Brust; ihm opferte er kaltblütig alles. Er war ein Meister in der Verstellung; keiner wusste um seine Absichten, und dem Umstand, daß er in wichtigen Sachen niemals etwas Schriftliches von sich gab, verdankte er viele seiner Erfolge. Er war zweiundvierzig Jahre alt, als er den Oberbefehl übernahm.

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Im Herbst 1625 zog Wallenstein gegen den König von Dänemark. Er überwinterte in Halberstadt, das er erobert hatte. Im Feldzug des folgenden Jahres schlug er den Grafen Mansfeld bei der Dessauerbrücke. Dann gewann er dem Kaiser Schlesien zurück, eroberte die dänischen Besitzungen und Mecklenburg, das sein Herzogtum wurde. Zum Dank dafür, und weil er dem Kaiser viel Geld vorstreckte, überließ ihm Ferdinand das Herzogtum Sagan und verkaufte ihm die Herrschaft Priebus für einen niedrigen Scheinpreis. Auch wurde er zum General des baltischen und ozeanischen Meeres ernannt. Österreich wollte nämlich eine Seemacht werden. Dazu schien alles auf dem besten Wege, Dänemark lag darnieder, die Hansastädte waren willens, dem Kaiser behilflich zu sein, nur die Festung Stralsund widerstand. Ein halbes Jahr lang belagerte Wallenstein diese Stadt; obwohl er schwor, daß er sie einnehmen werde, und wenn sie mit Ketten an den Himmel gebunden wäre, mußte er unverrichteter Dinge wieder abziehen. Dieser Misserfolg untergrub sein Ansehen im Norden Deutschlands. Auch der Kaiser verlor den Glauben an seine Unüberwindlichkeit. Jetzt traten die Fürsten mit ihren Klagen über den beispiellosen Pomp des Emporkömmlings auf. Ein Notschrei erhob sich über die unerträglichen Brandschatzungen, mit denen der General die besiegten Länder heimgesucht. Bis dahin hatten alle, verblüfft von seinem fabelhaften Glück, geschwiegen, nun taten sich die Lippen auf und ergossen sich in Verwünschungen gegen den Tyrannen, der auf Kosten des allgemeinen Elends im Überfluss schwelgte. Während Tausende ringsumher den Hungertod starben, während sich viele Bürger und Bauern entleibten, um der Not zu entrinnen, lebte jeder Rittmeister der Wallensteinschen Soldateska wie ein Fürst, und in Schlesien, wo der Bruder den Bruder, die Eltern ihre Kinder anfielen, um sie aus Hunger zu schlachten, war der Übermut der Söldlinge am größten. Die Häuser wurden geplündert und demoliert, ganze Dörfer verbrannt, die Weiber geschändet, den Männern Nasen und Ohren abgeschnitten; Offiziere, die kurz zuvor bettelarm gewesen waren, besaßen drei- bis viermalhunderttausend Gulden an barem Geld.

Aber noch gehorchte ganz Deutschland dem Winke Wallensteins. Er stand wie ein Alleinherrscher da. Das Unbegreiflichste an dem unbegreiflichen Manne war, daß er die Rüstungen umso eifriger betrieb, je mehr die Feinde schwanden. Das Heer zählte erst fünfzigtausend, dann hunderttausend, schließlich hundertfünfzigtausend Mann. Diese furchtbare Armada des Kaisers erweckte bei allen Fürsten Eifersucht und Angst. Die Kurfürsten und der Papst, die Aristokraten des Reichs und die Jesuiten standen dagegen auf, aber die Seele aller Ratschläge wider den übermächtig werdenden Kaiser war der Kardinal Richelieu, der in einem Bericht an den Papst Urban VIII. unverblümt die Absetzung Wallensteins forderte.

[Illustration: Wallenstein, nach einem Stich von Peter de Jode.]

Dieser Bericht, erfüllt von tiefster pfäffischer Schlauheit, sprach von Österreich als von einer „Bestia mit vielen Köpfen“, von denen die abgeschnittenen immer wieder nachwüchsen; Gewalt fruchte nichts, man müsse das Blatt umkehren und des Kaisers Frömmigkeit ausnutzen. Derart müsse man seine Gottesfurcht ausnutzen, daß man ihn hetze, die seit dem Passauer Vertrag eingezogenen Kirchengüter zurückzuverlangen; so werde er sich alle protestantischen Fürsten auf immer zu Feinden machen. Ferner müsse man seine Frömmigkeit dadurch ausnutzen, daß man wegen der üblen Führung des Kriegsvolks sein Gewissen rühre und sein Mitleid reize. Alsdann solle Frankreich ein großes Heer nach Deutschland schicken, Gewalt brauchen, wo Gewalt vonnöten und mit dem Versprechen von Religionsfreiheit nicht sparsam sein.

Der Papst war mit diesen Vorschlägen einverstanden, und der Kaiser wurde langsam umgarnt. Sein Beichtvater bedeutete ihm, daß der Passauer und der Augsburger Religionsfriede ungültig seien, weil sie ohne den Konsens des Papstes abgeschlossen waren. Darauf erließ der Kaiser das berüchtigte Restitutionsedikt, welches alles wieder katholisch machte, was seit siebenundsiebzig Jahren protestantisch geworden war, und sofort erfolgte die strengste Exekution. Obwohl die norddeutschen Protestanten erklärten, sie würden eher Gesetz und Sitte von sich werfen und Germanien wieder in die alte Waldwildnis verwandeln als zugeben, daß das Edikt vollzogen werde, wurden sie durch die kaiserlichen Heere dazu gezwungen. Fortwährend lagen die Truppen in allen Ländern der Protestanten, mit Ausnahme Kursachsens, das noch für zu mächtig erachtet wurde, und raubten sie aus. Jede Beschwerde wurde höhnisch abgewiesen, und es fiel das Wort: Der Kaiser will lieber, daß die Deutschen Bettler seien als Rebellen.

Indessen verfolgte Wallenstein schweigend seine Entwürfe. Es kam der Tag, wo er seine Gedanken offen aussprach:

„Man braucht keine Fürsten und Kurfürsten mehr. Jetzo ist es Zeit, daß man ihnen das Gasthütel abzieht. In Deutschland soll nur der Kaiser allein Herr sein.“

Diese Sprache klang der deutschen Fürstenaristokratie furchtbar in die Ohren. Wallensteins Plan war, sämtliche kleinen Reichsfürsten mit Arglist oder mit Gewalt zu vertreiben, ihren Nachlass zu parzellieren und an die Offiziere seines Heeres zu verleihen. Zum Teil war dies schon geschehen. Das neue Kaiserreich sollte sich auf den Soldatenadel stützen.

Natürlich war der Kaiser nicht sehr geneigt, einen Mann zu entfernen, der ein solches Machtideal für ihn verwirklichen wollte. Auf dem Regensburger Fürstentag im Juni 1630 befand sich Ferdinand in einer verzweifelten Lage. Die Fürsten bedrängten ihn, das über jedes Maß angeschwollene Heer zu verringern und den unerträglichen Diktator, den Urheber des allgemeinen Elends, zu entlassen. Weigerte sich der Kaiser, so drohten sie, sich mit den Protestanten und mit Frankreich zu verbünden. Auf der andern Seite erbot sich Wallenstein, die Fürsten in Regensburg zu überrumpeln und unschädlich zu machen. Noch ganz andere Pläne schwebten vor seinem kühnen Geist, und er wartete nur, daß der Kaiser sie gutheiße. Er wollte für den Kaiser gegen den Papst ziehen. Rom sei schon seit hundert Jahren nicht geplündert worden, ließ er sich vernehmen, es müsse jetzt um vieles reicher sein. Er hatte gegen hunderttausend Mann seines Heeres nach dem südwestlichen Deutschland gezogen und wollte sich nicht nur gegen Frankreich und Italien, sondern auch gegen die katholischen Fürsten Deutschlands wenden. Er und seine Günstlinge drangen unaufhörlich in den Kaiser, daß er seine Einwilligung zu den militärischen Operationen geben möge. Aber der Kaiser gab nicht die Fürsten auf, wie Wallenstein es wollte, er gab Wallenstein auf, wie die Fürsten es wollten. Dem päpstlichen Nunzius Rocci gelang es, Ferdinand umzustimmen; es gelang ihm mit Hilfe des feinsten Diplomaten jener Zeit, des Kapuzinerpaters Joseph, eines Mannes, der, wie sein Begleiter Herr von Leon sagte, gar keine Seele hatte, sondern nur Untiefen, in die ein jeder geraten müsse, der mit ihm verhandelte. Der Kaiser unterzeichnete den Absetzungsbefehl des Friedländers und hieb sich damit gleichzeitig die rechte Hand vom Arm. In dem Augenblick, wo alles zu gewinnen war, gab er alles auf. Die kirchliche Politik hat nie einen größeren Triumph gefeiert.

Zwei alte Freunde Wallensteins, der Hofkanzler Werdenberg und der Hofkriegsrat Westenberg, wurden beauftragt, ihm den Absetzungsbefehl zu überbringen. Sie trafen ihn in seinem Hauptquartier in Memmingen, anscheinend tief in astrologischen Studien, in Wirklichkeit völlig beschäftigt mit dem Gedanken an die Überrumpelung der deutschen Fürsten. Er empfing und bewirtete die kaiserlichen Räte prächtig. Lange Zeit wurde von gleichgültigen Dingen gesprochen, die Herren trauten sich nicht mit der Sprache heraus. Da nahm Wallenstein einige Papiere vom Tisch und sagte: „Diese Dokumente enthalten des Kaisers und des Kurfürsten von Bayern Nativität. Aus ihnen könnt Ihr sehen, daß ich Euren Auftrag kenne. Die Sterne zeigen, daß der Spiritus des Kurfürsten den des Kaisers dominiert. Aus dieser Ursach messe ich dem Kaiser keine Schuld bei. Es tut mir weh, daß kaiserliche Majestät mit Abdankung der Truppen den edelsten Stein aus seiner Krone wegwirft, es tut mir weh, daß kaiserliche Majestät sich meiner so wenig angenommen hat, aber Gehorsam will ich leisten.“

Wallenstein zog sich nun nach Gitschin, der Hauptstadt seines Herzogtums Friedland, in die Einsamkeit zurück. Von seinem Heere wurden dreißig Regimenter abgedankt, der Rest vereinigte sich mit Tilly.

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Es erhob sich aber jetzt für den gefährdeten Protestantismus ein Retter in der Person Gustav Adolfs von Schweden, der Schneemajestät, wie ihn die Herren in Wien nannten, die freilich noch nicht wussten, was für Hitze ihnen dieser Eiskönig machen würde. Bei den Protestanten hieß er wegen seines blonden Haares und Bartes der Goldkönig, auch den Löwen aus Mitternacht hießen sie ihn in ihrer gläubigen Hoffnung.

Gustav Adolf war von ungewöhnlich hohem Wuchs, starkem Knochenbau und großer Wohlbeleibtheit, so daß nur ein starkes Pferd ihn zu tragen vermochte. Seine graublauen Augen blickten unter der weiten Stirn mit freundlichem Ausdruck. Seine Haltung und sein Anstand waren echt fürstlich, seine ganze Erscheinung trug das Gepräge der Zuversicht und Offenheit, und seine wohltönende Stimme flößte Vertrauen ein. Er übte große Macht über die Gemüter, seine Zunge war beredt, und seine Unterhaltung voll Anmut und Leutseligkeit. Er liebte die Wissenschaften, sein Lieblingsbuch war das Buch vom Krieg und Frieden von Hugo Grotius, das er immer mit sich führte. Seit seiner Jugend hatte nur der Krieg für ihn Reiz, er war zum Helden und zum Herrscher geboren. Er war fromm und gottesfürchtig, aber er war auch klug; seine Diplomatie hielt gleichen Schritt mit seiner Heldenschaft. Seine Geschäftsleute wurden hoch bezahlt, ein Netz von schwedischen Gesandten und Spionen war über die europäischen Höfe verbreitet, und sein Kabinett war durch seine undurchdringliche Verschwiegenheit so ausgezeichnet, daß die französischen Gesandten beständig darüber klagten, nie hinter die eigentlichen Absichten der Schweden kommen zu können. Fremden Ministern und Offizieren ließ Gustav, wenn sie in sein Lager zu Unterhandlungen kamen, ihre Geheimnisse beim Wein entlocken, wozu meist ein schottischer Oberst verwendet wurde, der übermäßig viel vertragen konnte und dabei doch den Verstand bewahrte.

Mit bloß vierzehntausend Mann kam Gustav Adolf nach Deutschland; die kaiserliche Macht war wenigstens doppelt so stark. Aber er hatte viel Zulauf von Wallensteins entlassener Armada, und er verließ sich auf die Sympathie im Volke; in allen Städten, die er durchzog, blies man von den Türmen: nun kommt der Heiden Heiland. Er nahm Stettin ein, rief die Mecklenburger von Wallenstein ab und zum Gehorsam gegen die alten Herzöge zurück, erstürmte Frankfurt an der Oder, bemühte sich, freilich vergebens, ein Bündnis zwischen den Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg zu erwirken, und sandte, da Magdeburg in großer Not war, einen der Obersten seiner vierzig deutschen Kompanien, Herrn Dietrich von Falkenberg, in die belagerte Stadt. Falkenberg, ein sehr tapferer Edelmann, verkleidete sich als Schiffer und schlich durch Pappenheims Scharen in die Stadt, wo er alsbald den Kommandantenposten übernahm. Pappenheim machte den Versuch, ihn durch das Anerbieten einer großen Summe zu bestechen, er aber erwiderte: „Braucht der Pappenheim einen Schelmen, so mag er ihn im eigenen Busen suchen.“

Aber die Stadt war nicht zu halten. Tilly war mit dreißigtausend Mann vor den Mauern angelangt und eroberte alle Außenwerke, doch hatte er erfahren, daß der Schwedenkönig in der Nähe stehe, und wollte deshalb die Belagerung aufheben. Nur Pappenheim bestand im Kriegsrat auf einer Bestürmung. Am folgenden Tag fiel die Stadt. Pappenheim wurde ihr Mordbrenner. Um die Feinde zu vertreiben hatte er einige Häuser in Brand stecken lassen, der Wind blies in die Flammen, die nun alles ergriffen. Zornig darüber, daß ihnen die Feuersbrunst die erhoffte Beute entzog, schlugen die kaiserlichen Truppen jeden tot, der ihnen in den Weg kam. Einige ligistische Offiziere, empört über das teuflische Wüten der Kroaten, Ungarn und Wallonen, traten vor Tilly und baten ihn, er möge dem Gemetzel Einhalt tun. Mit finsterem Gesicht antwortete ihnen Tilly:

„Drei Stunden Plünderung ist Kriegsregel. Der Soldat will für Müh und Gefahr etwas haben.“

Pappenheim schrieb nach München: „Magdeburgs Jungfrauschaft ist weg. Wir haben es mit stürmender Hand erobert, den Bischof habe ich gefangen, Falkenberg ist niedergehaut samt allen Bürgern, so in der Wehr gewesen. Was sich von den Menschen in die Keller oder Böden versteckt hatte, ist alles verbrannt. Ich halt, es seien über zwanzigtausend Menschen draufgegangen und ist gewiss seit der Zerstörung Jerusalems kein greulicheres Werk und Straf Gottes gesehen worden.“ An den Kaiser nach Wien schrieb er: „Es ist mir und meinen rätlichen Spießgesellen bei dieser wunderbaren Viktori nichts abgegangen, als daß wir nit Eure kaiserliche Majestät und dero kaiserliches Frauenzimmer als Zuschauer gehabt.“

Das war die magdeburgische Hochzeit, wie die kaiserliche Soldateska es nannte. Der Dom war von den Flammen verschont geblieben, in ihm wurde Messe gelesen und das Tedeum gesungen.

Das Kriegsvolk aber sang:

„Magdeburg, du stolze Magd,
Hast dem Kaiser den Tanz versagt,
Jetzt tanze mit dem alten Knecht,
Geschieht dir eben recht.“

Gustav Adolf hatte nichts zum Entsatz Magdeburgs wagen wollen; in einer Schutzschrift wälzte er die Schuld auf die beiden Kurfürsten. Endlich rückte er vor Berlin und forderte eine bestimmte Erklärung. Der Kurfürst Georg Wilhelm war sein Schwager, aber er war ganz in den Händen seines Ministers, des Grafen Schwarzenberg, und dieser stand im Solde der Jesuiten. Der Kurfürst wollte stille sitzen und bangte davor, Land und Leute zu verlieren, und er fürchtete die Übermacht des Kaisers. Gustav Adolf zwang ihn jedoch, in sein Lager zu kommen, die Allianz zu unterzeichnen, und besetzte dann Berlin und Spandau. Darauf zog er südwärts dem alten Tilly entgegen, und in jenen Herzfeldern Deutschlands, bei Leipzig, wo mehrmals die deutschen Geschicke ausgekämpft worden sind, sollte nun die Entscheidung fallen.

Tilly hatte sein Hauptquartier in einem abgelegenen Hause vor Leipzig, er merkte erst nachher, daß es des Totengräbers Haus gewesen. Er hatte seine Befehle in einem Zimmer ausgefertigt, in dem sich lauter Pyramiden von Totenschädeln und Gebeinen befanden. Eine düstere Ahnung ergriff ihn, selbst Pappenheim erbleichte.

Am Morgen des Schlachttages schickte Tilly den Pappenheimer mit zweitausend Kürassieren aus, damit er rekognosziere. Aber der hitzige Mann ließ sich in ein Gefecht ein, und um ihn zu retten mußte Tilly seine ganze Streitmacht entfalten. Seine Völker trugen weiße Bänder auf Helmen und Hüten und weiße Binden um den Arm; er selbst kommandierte in einem sonderbaren Kostüm, in einem grünseidenen Schlafrock; auf dem Kopf hatte er ein Barett mit bunten Federn, und er ritt seinen kleinen Schimmel.

Der Schwedenkönig entwickelte sein ganzes Kriegsgenie und zeigte die Überlegenheit seines leichten Fußvolks. Er machte gegen die andrängenden Kaiserlichen Front, wendete sich mit der Spitze seiner Kolonne gegen die Hügel, wo ihre Geschütze standen, und beschoss Tilly mit seinen eigenen Kanonen. Die Reiterei wurde aus dem Feld geschlagen, das Fußvolk floh, und nur fünf Wallonenregimenter schlugen sich mit ihrem alten Vater Tilly unter dem Schutze der Nacht in geschlossener Ordnung durch. Tilly starrte vor sich hin, die Augen voll von Tränen. Er hatte schon drei Streifschüsse. In Halle traf er den Pappenheimer, der wieder mit höchster Bravur gefochten und vierzehn Schweden teils niedergehauen, teils, weil ihm das Schwert zerbrochen war, wie ein Bär in seinen Armen erdrückt hatte. Die Schweden erbeuteten das ganze kaiserliche Lager, alles Geschütz und über hundert Fahnen.

Jetzt trat in Wien eine andere Stimmung ein; die Hofschranzen und Weiber, Jesuiten und Kapuziner vermaßen sich nicht mehr, das „neue Feinderl“, wie sie Gustav Adolf nannten, mit Ruten über die Ostsee hineinzupeitschen oder das Schneeköniglein zerrinnen zu sehen, wenn es sich dem Süden näherte. Der Sieg Gustav Adolfs war ein zermalmender Schlag für den Kaiser und die Katholiken. Der König Sigismund von Polen jammerte, er könne gar nicht begreifen, warum unser Herrgott lutherisch geworden sei. Angst und Bedrücktheit wuchsen, als der Schwede durch die „Pfaffengasse“ ins Reich zog, Erfurt, Würzburg, Hanau und Frankfurt nahm, die Pfalz befreite, mit Bayern unterhandelte, Augsburg eroberte und mit souveräner Macht jeden Widerstand zerbrach.

Im Mai des Jahres 1632 hielt er seinen Einzug in München, und in seiner Begleitung befand sich der vertriebene Böhmenkönig. Das Pfingstfest feierte er in Augsburg; eine Chronik erzählt davon also:

„Am heiligen Pfingsttag wohnte der König dem öffentlichen Gottesdienst nicht bei, sondern ließ sich von seinem Hofprediger Doktor Fabricius in seinem Kabinett predigen. Abends aber bei der Tafel bekam er jählingen Lust zu tanzen, dahero denn sogleich Anstalt gemacht worden, daß die Geschlechterstöchter in den Fuggerschen Häusern erschienen, mit welchen sich sowohl der König wie die anwesenden fürstlichen Personen etlicheStunden lang mit englischen und deutschen Tänzen erlustiget.“

Gustav Adolf war ein großer Frauenfreund; er wollte eine schöne Augsburgerin küssen; sie hieß Jakobine Lauber und gefiel ihm sehr, aber sie wehrte sich und riß dem König die Halskrause ab.

In diese friedlichen Tage hinein fiel die Nachricht, daß Wallenstein gegen den König von Schweden heranziehe.

* * * * *

In stolzer Ruhe hatte Wallenstein in Gitschin und in Prag gelebt. Schon von Memmingen aus hatte er für sein neues Schloss Sorge getragen und an seinen Landeshauptmann geschrieben:

„Seht, daß die zwei Kapellen, meine und meines Weibes, heuer fertig werden; laßt die Altäre darin machen, wie auch die fünf Altäre in der Kirche verfertigen, daß ich daselbst den Gottesdienst verrichten könne. So seht ebenmäßig, daß alle Zimmer fertig werden und mit schönen Bildern versehen, denn in diesem verlasse ich mich allein auf Euch. So werdet Ihr auch sehen, daß der Garten verfertigt wird und viel Fontanen daselbst gemacht. Die Loggia laßt geschwind mit Zwerchgewölben und „lavor di stucco“ zieren. Sagt dem Baumeister, daß gleich in der Mitte auf dem Platz vor der Loggia muß eine mächtige Fontana sein, dahin alles Wasser laufen wird, alsdann aus derselben, daß sich das Wasser auf die rechte und linke Hand teilt, und die andern Fontanen laufen macht. Ich vermeine Mitte Oktober zu Gitschin zu sein und daselbst zu verbleiben; dahero seht, daß das Gebäu fertig und die Zimmer mit Damast, Sammet und goldenen Ledern ausgeputzt und möbliert werden. Laßt mir auch bittern Wermutmost anmachen, der „dulce picante“ ist, auf daß ich ihn kann desto ehender haben. Laßt alle Ställe verfertigen wie auch den Tummelplatz und das Ballhaus.“

In Prag lebte Wallenstein mit königlichem Aufwand, aber für seine Person, wie im Lager, in der tiefsten Abgeschiedenheit. Für den Palast, den er auf der Kleinseite hatte bauen lassen, waren hundert Häuser niedergerissen worden, um Platz zu gewinnen. Alle Straßen, die die
Zugänge bildeten, waren mit Ketten gesperrt. Sechs Portale führten zu dem Palast; im Schlosshof stand eine Leibwache von fünfzig aufs reichste gekleideten Hellebardieren. Sein Hofstaat zählte an tausend Personen.
Graf Paul Liechtenstein stand als Oberhofmeister an der Spitze, ein Graf Harrach war Oberstkämmerer, ein Graf Hardegg Oberststallmeister.
Vierundzwanzig Kammerherren bedienten des Friedländers Durchlaucht, trugen, wie die des Kaisers, die goldenen Schlüssel, und sechzig Edelknaben aus den vornehmsten Häusern waren um ihn, alle in hellblauen Samt mit Gold gekleidet. Auch lebten viele seiner ehemaligen Offiziere bei ihm, denen er Löhnung und freie Tafel gab. Jede Mahlzeit bestand aus hundert Schüsseln. In den Marmorställen fraßen über tausend Pferde aus marmornen Krippen, und wenn er reiste, geschah es nicht anders als in fünfzig vierspännigen Wagen. Im Festsaal des Prager Palastes hatte er sich als Triumphator malen lassen, von vier Sonnenrossen gezogen, einen Stern über dem lorbeerbekränzten Haupt. Die langen Zimmerreihen waren mit astrologischen und mythologischen Figuren geschmückt. Aus einem Rundgemach führte eine geheime Treppe in eine Badegrotte aus künstlichem Tropfstein. Aus dieser Grotte trat man in eine hohe Säulenhalle und von da in den Garten mit seinen Fontänen und fischreichen Kanälen.

Wallensteins Vermögen war für jene Zeit ungeheuer. Man hat seine Jahreseinkünfte auf sechs Millionen Gulden geschätzt; er zog sie teils aus den Kapitalien, die er in den Banken von Venedig und Amsterdam liegen hatte, teils aus den böhmischen und mährischen Gütern und dem Fürstentum Sagan. Unausgesetzt erließ er einsichtsvolle Verfügungen für seinen Besitz, suchte die Jesuiten durch große Stiftungen beim Guten zu erhalten und berief tüchtige Männer in seinen Dienst. Aber er verkehrte nur mit sehr wenigen Personen; es lebte der italienische Astrolog Seni bei ihm, mit dem er viele Nächte in eifrigen Studien verbrachte, und seine einzigen Vertrauten waren sein Schwager Adam Terzka und dessen Mutter, die ihm wegen ihrer hohen Klugheit ganz besonders wert war.
Seine Gesundheit hatte durch die Kriegsstrapazen gelitten, er mußte mäßig leben, und da er vom Podagra geplagt wurde, konnte er nur auf einen indischen Rohrstock gestützt gehen.

* * * * *

Ununterbrochen hatte der Kaiserhof mit Wallenstein korrespondiert. Nach der furchtbaren Leipziger Schlacht mußte man daran denken, einen Mann wieder zu gewinnen, dessen Kredit bei der Soldateska ohnegleichen war, und so wurde Questenberg nach Prag geschickt, um mit Wallenstein wegen Wiederannahme des Kommandos zu verhandeln. Wallenstein lehnte ab. Darauf ging Prag fast ohne Schwertstreich verloren. Don Balthasar Maradas zog mit den Truppen ab, um sie in Sicherheit zu bringen, hatte aber zuvor Wallenstein um Rat fragen lassen; dieser hatte erwidert, er habe kein Kommando mehr, Maradas möge tun, was er wolle. Darauf verließ er Prag, zog nach Gitschin und schickte seine Frau und seinen Vetter Max nach Wien. Max ward nun vom Kaiser mit einem beweglichen Schreiben an Wallenstein zurückgeschickt; Ferdinand flehte, er möge ihn doch in der gegenwärtigen Not nicht im Stiche lassen. Das war es, was Wallenstein wollte. Er begab sich nun nach Znaim, um mit dem Kaiser weiter zu unterhandeln. Er bequemte sich, das Kommando wieder zu übernehmen, aber vorerst nur auf drei Monate. Man drang immer mehr in ihn, und so entschloss er sich endlich, den Oberbefehl ohne Zeitbestimmung zu übernehmen, aber „in absolutissima forma“. Weder der Kaiser noch sein Sohn sollten bei der Armee etwas zu schaffen haben; zwei Artikel des Vertrags gaben Wallenstein unbeschränkte Macht, die Güter rebellischer Reichsstände einzuziehen, und wen er für schuldig erachte, zu begnaden oder zu bestrafen. Ausdrücklich war bedungen, daß weder der Reichshofrat, noch das Kammergericht, noch der Kaiser selbst in solchen Dingen das geringste einreden dürfe. All das liefert den Beweis, daß Wallenstein mit ungebrochenem Willen auf sein altes Ziel losging. Als
“ordinari recompens“ verlangte er kaiserliche Assekuration auf ein österreichisches Erbland und als “extra ordinari recompens“ die Oberlehensherrschaft in den eroberten Ländern.

Der Vertrag wurde in demselben Monat unterschrieben, in welchem Tilly am Lech gefallen war. Seine Bedingungen sind von so außerordentlicher Art, daß sie in der Weltgeschichte ohne Beispiel dastehen. Nur ein so phantastischer Mann wie Wallenstein konnte sich einbilden, daß er das Seil ohne Gefahr so straff spannen könne. Nur ein Charakter so voll Fatum konnte ohne Erbeben ein Schicksal auf sich nehmen, das jede Erwartung heuchlerisch erfüllt.

Wenige Monate vergingen, und Wallenstein hatte wieder ein neues Heer von zweihundertvierzehn Schwadronen Reiterei, hundertzwanzig Kompanien Fußvolk nebst vierundvierzig Kanonen. Sofort säuberte er Prag und Böhmen von den Sachsen und vereinte sich in Eger mit dem Herzog von Bayern, der ihn vordem gestürzt hatte und ihn jetzt als Kriegsherrn anerkennen mußte. Beide zogen gen Nürnberg, wo der Schwedenkönig sich verschanzt hatte. Wallenstein besetzte die Anhöhen des Altenbergs und verschanzte sich gleichfalls. Sein Plan war, keine Schlacht zu liefern; er wollte Gustav Adolf zeigen, daß er schlagen oder auch nicht schlagen könne, wie es ihm beliebe. Monatelang stand Wallenstein wie eingefroren. Ringsumher begannen Hunger und Elend zu wüten. Gustav Adolf mußte kämpfen oder weichen. Er versuchte einen Sturm auf Wallensteins Linien, der misslang aber gänzlich. Von diesem Tag an verlor er seinen frohen Mut und erhielt ihn nicht wieder. Er ließ Wallenstein Friedensvorschläge machen, aber noch ehe die Antwort kam, gab er sein Lager auf. Er zog an Wallenstein vorbei, der unbeweglich blieb, zog an die Donau und dann, dem Hilferuf des Kurfürsten von Sachsen folgend, an die Saale. Auch Wallenstein setzte sich jetzt in Bewegung; er ließ sein Lager anzünden, das anderthalb Meilen im Umfang gehabt hatte. Sein Heer war ein wandernder Raubstaat. Überall wurden die Herden weggetrieben, die Obstbäume umgehauen und die Dörfer verbrannt.

Wieder in den Feldern bei Leipzig trafen sich die Heere. Wallenstein hatte an Pappenheim geschrieben:

„Der Feind marschiert hereinwärts, der Herr lasse alles stehen und liegen und incaminiere sich herzu mit allem Volk und Stücken, auf daß Er sich morgen früh bei uns befinde.“

Dieser Befehl ist noch im Wiener Archiv aufbewahrt; er ist getränkt mit dem Blute Pappenheims, der am Tag von Lützen fiel.

Wallenstein ließ am Schlachtmorgen die Generale und Obersten an seinen Wagen kommen, um die Befehle zu erteilen, dann erst bestieg er sein Schlachtross, aber die Steigbügel mußten mit seidenen Tüchern umwunden werden, da ihm die Füße schmerzten. Auf dem ganzen Gefild lag dichter Nebel. Gustav Adolf hatte ebenfalls sein Leibross bestiegen und redete einzeln zu vielen Leuten seines Heeres. Dann ließ er zum hellen Schall der Trompeten und Pauken:
„Eine feste Burg ist unser Gott“ und jenes andere, sein Lieblingslied, anstimmen: „Verzage nicht, du Häuflein klein, obgleich die Feinde willens sein, dich gänzlich zu zerstören“.

Die Schlacht begann. Nach dreistündiger Bemühung wurden mehrere der wallensteinschen Vierecke durch die schwedische Infanterie zersprengt. Da gewahrte der König die schwarzen Kürassiere Wallensteins mit dem in blanker Rüstung davor haltenden Oberst Piccolomini. Er befahl dem finnischen Reiterregiment, sie anzugreifen, erhielt aber die Nachricht, daß sein Fußvolk wieder zum Weichen gebracht worden sei. Sogleich eilte er an der Spitze des smaländischen Regiments zu Hilfe. Dem rasch Voransprengenden konnten nur wenige folgen. Auf einmal befand er sich mitten unter den schwarzen Reitern. Sein Pferd wird durch den Hals geschossen, ihm selbst zerschmettert ein Pistolenschuss den linken Arm. Seine ersten Worte waren:

„Es ist nichts, folgt mir.“

Aber die Wunde war so bedeutend, daß die Knochen aus dem Ärmel hervorstarrten. Er wandte sich, um aus dem Getümmel zu entkommen, im selben Augenblick erhielt er einen zweiten Pistolenschuss in den Rücken. Mit dem Seufzer:

„Mein Gott, mein Gott,“

sinkt er vom Pferd, bleibt aber im Steigbügel hängen, das Pferd schleift ihn mit sich fort. Seine Begleiter fallen oder fliehen, nur ein Page bleibt bei ihm. Er lebt noch, der Page will nicht sagen, daß es der König ist, er wird selbst auf den Tod verwundet. Der König wird seiner goldenen Halskette beraubt und entkleidet, er ruft endlich:

„Ich bin der König von Schweden.“

Die schwarzen Kürassiere wollen ihn fortschleppen. Da sprengt das Stenbocksche Regiment heran. Die Kürassiere fliehen; da sie den König nicht mitnehmen können, durchschießen sie ihm den Kopf und durchstechen ihm den Leib mit vielen Stichen. Er sinkt zur Erde, der Hufschlag der Rosse braust über den Leichnam dahin.

Der verwundete, blutbedeckte, reiterlose Schimmel des Königs verkündigte, an der schwedischen Front entlang jagend, das geschehene Unglück. Zuerst entmutigt, dann in ihrem Schmerz zur Rache angespornt, griffen die Schweden neuerdings an, und wäre jetzt nicht Pappenheim mit vier frischen Regimentern auf dem Walplatz erschienen, so hätte der heldenhafte Bernhard von Weimar schon um die dritte Nachmittagsstunde gesiegt. So begann die Schlacht von neuem, aber auch Pappenheim erlag vor der unwiderstehlichen Gewalt des jungen Bernhard. Das kaiserliche Heer ergriff die Flucht. Wallenstein schlug in Prag seine Winterquartiere auf und ließ viele Offiziere hinrichten, weil durch sie, wie er sich ausdrückte, die kaiserlichen Waffen unauslöschlichen Spott erlitten hätten. In Böhmen sollte sich sein dunkles Schicksal erfüllen; ihm war nicht der Heldentod auf dem Schlachtfeld beschieden.

Am anderen Morgen suchten die Schweden unter den zahllosen Leichen des Schlachtfeldes die edelste Leiche, die des Königs. Man fand sie, nackt ausgezogen, vor Blut und Hufschlägen kaum erkennbar, mit neun Wunden bedeckt, unfern des großen Steins, der jetzt noch der Schwedenstein heißt. An der Leiche schworen die Soldaten dem Herzog Bernhard, ihm zu folgen bis ans Ende der Welt.

Der unerwartete Tod Gustav Adolfs erregte ganz Europa. Der Kaiser ließ in allen Kirchen Dankgebete singen, als wenn er den glorreichsten Sieg erfochten hätte, und er weinte beim Anblick des blutigen Kollers mit den Schussöffnungen im linken Ärmel, das der König in der Schlacht getragen hatte. In Madrid wurden Freudenfeste veranstaltet und der Tod des Königs zum Ergötzen aller Gläubigen im Schauspiel dargestellt. Der Papst, der es im stillen recht gern gesehen hatte, daß dem Kaiser ein Bedränger aufgestanden war, ließ eine Messe lesen. Den vertriebenen Winterkönig rührte bei der Nachricht vor Schrecken der Schlag, und er starb, sechsunddreißig Jahre alt; er hinterließ dreizehn unmündige Kinder, mit denen Eleonora, sein Weib, fast dreißig Jahre lang ohne Heimat und oft ohne Geld umherirren mußte, verfolgt von mancher abenteuerlichen Liebe und von blutgierigem Hass.

* * * * *

Während der schwedische Kanzler Oxenstjerna, der nach dem Tode des Königs an die Spitze der Geschäfte trat, mit Sachsen und Brandenburg unterhandelte, während Herzog Bernhard Franken zurückeroberte und sich am Oberrhein festsetzte und der Feldmarschall Horn die in Deutschland zerstreuten kaiserlichen Truppen aus dem Felde schlug, blieb Wallenstein ruhig in seinem Winterquartier und vermehrte sein Heer. Erst Mitte Mai brach er auf, zog nach Schlesien, gewann es dem Kaiser wieder, schloss aber bald einen Waffenstillstand mit dem sächsischen General Armin, der in Schlesien kommandierte. Derselbe auffällige Waffenstillstand wurde einige Wochen später erneuert. Es war der Plan Wallensteins wie auch der beiden Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg, eine dritte Macht im Reich herzustellen, eine Mittelmacht zwischen dem Kaiser und den Schweden. Es lief damals das Gerücht, daß alle Ausgewanderten ihre Güter zurückerhalten, die Jesuiten aus dem Reich verjagt werden und den Schweden ihre Kriegskosten ersetzt werden sollten; auch hieß es, daß Wallenstein in dem geheimen Vertrag mit Kursachsen für sich selbst die Krone von Böhmen ausbedungen habe. Gewiss ist, daß Wallenstein gleichzeitig mit Frankreich unterhandelte und zwar über die Krone Böhmen. Der Kardinal Richelieu, der in den deutschen Angelegenheiten festen Fuß gefaßt hatte, ließ ihm seinen Beistand, eine Million Livre jährlich und die Krone anbieten, wenn er vom Kaiser abfallen wolle. Aber der Botschafter Feuquières brach die Unterhandlungen ab, weil er der Ansicht war, Wallenstein wolle ihn nur hinters Licht führen und die Feinde des Kaisers gegeneinander hetzen. Auch mit den Schweden und mit dem Herzog Bernhard trat er ins Einvernehmen. Das Misstrauen am Wiener Hof wurde zur Spannung, als er sich weigerte, dem Herzog von Bayern gegen Bernhard von Weimar zu Hilfe zu ziehen. Er führte das Heer aus Schlesien in die Winterquartiere und schickte von Pilsen aus ein Schreiben nach Wien, worin er seine Obristen ihr Gutachten abgeben ließ, daß ein Kriegszug in dieser Jahreszeit untunlich sei.

Seit Gustav Adolfs Tode war dem Kaiser der mit Wallenstein abgeschlossene Vertrag immer lästiger geworden. Er klagte laut, daß er gleichsam einen Mitkönig habe und keine freien Dispositionen mehr in seinem eigenen Lande. Das Wiener Kabinett brach den Verkehr mit Wallenstein ab, weil die Notwendigkeit drängte, dem Herzog Bernhard in Süddeutschland entgegenzutreten. Da Wallenstein sich weigerte, dies zu tun, wurde der Herzog von Feria aus Italien gerufen, und Johann Altringer, einer von den Generalen Wallensteins, erhielt den Befehl, sich mit dem Herzog zu vereinigen. Altringer schwankte erst, aber nach dem Tode Ferias ließ er sich vom Wiener Hof gewinnen. Voll Zorn zitierte ihn Wallenstein vor sich, Altringer verweigerte den Gehorsam.
Nun beschloß Wallenstein, um nicht zum zweitenmal abgesetzt zu werden, den Oberbefehl freiwillig niederzulegen, wollte sich jedoch sicherstellen, daß die Zusagen erfüllt würden, die man ihm gemacht hatte. Deshalb versammelte er alle in Böhmen, Mähren und Schlesien stehenden Generale und Obristen in seinem Feldlager zu Pilsen. Dort gab ihnen der Feldmarschall Illo ein Bankett, bei dem die Herren schließlich so betrunken waren, daß sie Stühle und Bänke, Ofen und Fenster zerschlugen. Illo und Graf Terzka, die sich mit Wallenstein verabredet, stellten ihnen beweglich vor, daß der Oberfeldherr wegen der vom Wiener Hofe erfahrenen Unbill genötigt sei, das Kommando niederzulegen. Diese unerwartete Nachricht bestürzte die Offiziere nicht wenig. Sie alle hatten auf Wallensteins Wort und in der Hoffnung, von ihm entschädigt zu werden, ihre Regimenter auf eigene Rechnung angeworben und ihr Vermögen zugesetzt; wenn Wallenstein fiel, drohte ihnen der Ruin. Zu ihrer Sicherstellung wurde ihnen jetzt ein Revers vorgelegt, und darin wurde der Kaiser, obwohl er nicht genannt war, hart angeklagt. Nach der flehentlichen Bitte an Wallenstein verpflichteten sich die Generale und Obristen, mit Gut und Blut für ihren Feldherrn einzustehen, sich auf keinerlei Weise von ihm trennen zu lassen, seinen Vorteil nach Möglichkeit zu befördern und seine Feinde zu verfolgen.

Vierzig Generale und Obristen unterzeichneten das merkwürdige Schriftstück. Es befand sich aber in ihrer Mitte auch der Verräter Piccolomini, der an der Spitze der italienischen Partei stand, und diese Partei war mit den Jesuiten im Bunde, um den Friedländer zu stürzen.
Wallenstein aber hegte ein unbedingtes Vertrauen gegen Piccolomini, denn er glaubte aus den Sternen gelesen zu haben, daß er sich auf ihn verlassen dürfe. Piccolomini berichtete den Inhalt des Reverses nach Wien und klagte Wallenstein einer gefährlichen Verschwörung an. Zudem teilte der Herzog von Savoyen den Inhalt der Verhandlungen mit, die Wallenstein mit dem französischen Hofe gepflogen hatte. Man beschuldigte Wallenstein der verwegensten Pläne. Es hieß, er habe geäußert:

„Ich dulde Gott nicht, viel weniger werde ich Ferdinand dulden.“

Der spanische Botschafter sagte:

„Wozu zaudern? Ein Dolchstoß macht der Sache ein Ende.“

Ferdinand sah sich gedrängt, nicht nur die zweite Absetzung Wallensteins auszusprechen, sondern auch den Mann, der ihm die Monarchie gerettet hatte, der äußersten Rache seiner Feinde preiszugeben. Niedriger Eigennutz war der stärkste Beweggrund der mit aller Hast herbeigeführten Katastrophe, denn als die Absetzung noch tiefes Geheimnis war, stritten sich die Herren mit Erbitterung und bis zum Zweikampf über die Teilung der Beute, der Güter, der Häuser, der Gärten, ja der Wagen und Pferde Wallensteins und riefen mit schamloser Stirne sogar den Hof selbst zum Schiedsrichter bei ihren Zwistigkeiten an.

Der Hof seinerseits verfuhr gegen den gefährlichen Gegner ungemein verschlagen. Er schickte einen Erlass an die Befehlshaber der Wallensteinschen Armee, worin die Absetzung des Generalobristfeldhauptmanns vorsichtig angedeutet war, die Offiziere ihrer Verpflichtung entbunden wurden, ihnen für den Fehltritt bei dem Pilsner Bankett mit Ausnahme zweier Rädelsführer Verzeihung zugesichert und der Fortbestand des kaiserlichen Wohlwollens gelobt wurde. Aber wochenlang nach diesem Erlass korrespondierte der Kaiser scheinbar ganz harmlos mit Wallenstein über amtliche Geschäfte, nannte ihn nach wie vor „hochgeborner lieber Oheim und Fürst“ und versicherte ihn mit der gewöhnlichen Courtoisie seiner Huld und Gnade.

Unterdessen wurden die Generale und Obristen einzeln nacheinander und im Geheimen gewonnen. Die Italiener, Spanier und Wallonen waren bald willig, die Deutschen, Böhmen, Mährer und Schlesier waren dem Friedländer treu, und man traute ihnen in Wien trotz der gewährten Amnestie nicht. Nach einem Monat erging ein zweites kaiserliches Mandat, das schon eine deutlichere Sprache führte und nicht nur an die Befehlshaber, sondern auch an alle gemeinen Soldaten gerichtet war. Es sprach davon, daß ihnen männiglich wohl bekannt sein werde, wie er, der Kaiser, seinen gewesenen Feldhauptmann von Friedland mit allerhand Guttaten, Gnaden, Freiheiten, Hoheiten und Dignitäten, als nicht bald bei einem Menschen seines Standes gleich geschehe, begabt und geziert habe; welchergestalt aber derselbe aus boshaftem Gemüt und ohne Zweifel längst gefasstem Vorsatz eine Konspiration wider ihn und sein Haus angesponnen und durch Verkleinerung der kaiserlichen Person und eigensinnige Ausdeutung seiner Macht in der kaiserlichen Armada zugetane Obristen verführt habe. Der Kaiser erklärt, er habe gewisse Nachrichten erlangt, daß Wallenstein ihn und sein Haus gänzlich auszurotten sich vernehmen lassen und sich äußersten Fleißes bemühet habe, solche meineidige Treulosigkeit und barbarische Tyrannei zu vollziehen,
dergleichen nicht gehört, noch „in scriptis“ zu finden sei.

Wallenstein erfuhr erst, woran er war, als Gallas, Altringer, Maradas, Piccolomini und Colloredo Ordonnanzen erließen, welche den Obristen untersagten, künftig noch Befehle von Wallenstein, Illo oder Terzka anzunehmen. Die Obristen erhielten die Weisung, gegen Prag zu ziehen, um sich der Hauptstadt des Landes zu versichern. Wallenstein ließ nun in Pilsen eine feierliche Erklärung ausstellen, daß der frühere Revers nicht das geringste gegen den Kaiser und die Religion bedeutet hätte. Er befahl seinen Truppen, ebenfalls nach Prag zu ziehen, schickte aber zwei Offiziere an den Kaiser mit einem Handschreiben, in welchem er sich erbot, sich nach Danzig oder Hamburg zu begeben; er wünsche nur seine „ducadi“, seine Herzogtümer, zu behalten.

Aber gerade jene „ducadi“ wollte man sehr gerne in Wien, das wusste Wallenstein recht wohl. Er beschloß daher, sich in Verfassung zu setzen, auf alle Fälle, nur nicht auf den Fall, den er keineswegs voraussehen konnte, da er gegen alle Berechnung war. In seiner tiefen Not wandte er sich jetzt ernstlich an den Herzog Bernhard von Weimar und ließ ihn auffordern, nach Böhmen zu kommen. Herzog Bernhard traute nicht. Er rief aus:

„Wer an Gott nicht glaubt, dem kann auch der Mensch nicht glauben.“

Und doch drängte die Zeit. Wallenstein erfuhr den Abfall eines Generals nach dem andern. Altringer entschuldigte sich von Frauenberg aus mit Krankheit, Gallas kam nicht wieder, Diodati war heimlich durchgegangen, dreizehn Kuriere flogen nach Regensburg und zurück, endlich machte sich Herzog Bernhard langsam auf den Weg. Wallenstein hatte sich nach Prag begeben wollen, der Abfall der Generale hatte den Plan vereitelt; auch den Vorsatz, nach Zittau zu marschieren, mußte er aufgeben; der dritte Ort, den er wählte, um sich mit den Schweden in Verbindung zu setzen, war Eger.

Am 22. Februar 1634 morgens gegen zehn Uhr verließ er Pilsen und zog am 24. nachmittags zwischen vier und fünf Uhr in Eger ein. In seiner Begleitung befanden sich Illo und Terzka mit fünf Kompanien Kürassieren, fünf Kompanien vom altsächsischen Regiment zu Pferd, die unterwegs abfielen und nach Prag marschierten, und zweihundert Mann Fußvolk. Bevor er das erste Nachtquartier erreicht hatte, stieß Oberst Butler mit acht Kompanien Dragoner zu ihm.

Butler war ein Irländer von Geburt und Katholik. Er hatte von Pilsen aus nach seinem Quartier in Gladrup von Wallenstein den Befehl erhalten, mit seinem Regiment auf Prag zu rücken, – bei Todesstrafe. Schon diese Weisung, die Pässe zu verlassen, die aus Böhmen nach der Oberpfalz führen, hatte seinen Verdacht erregt; jetzt erhielt er die neue Weisung, Wallenstein nach Eger zu folgen, und er mußte mit seinen Dragonern der Sänfte des Feldherrn voranreiten. Er schrieb an Gallas und Piccolomini über seinen wachsenden Argwohn, daß er notgedrungen mit Wallenstein ziehe, daß er aber vielleicht aus besonderer Schickung Gottes zu diesem Weg gezwungen werde, um eine besondere heroische Tat zu verrichten. Auf dem letzten Marsch ließ Wallenstein Butler an seine Sänfte kommen und entschuldigte sich, daß er bisher nicht mehr für ihn getan habe; er versprach ihm zwei Regimenter und ein Geschenk von zweimalhunderttausend Talern. In Eger mußte Butler mit seinen Fahnen in der Stadt bleiben, während seinen Soldaten auf freiem Feld zu kampieren befohlen war.
Wallenstein wohnte im Haus des Bürgermeisters Bachhälbel auf dem Markt, Terzka und Kinsky mit ihren Frauen im Hintertrakt desselben Hauses.

Der Kommandant von Eger war der Obristleutnant in Terzkas Regiment, Johann Gordon, ein Schotte und Kalvinist. An ihn und an den Oberstwachtmeister Walter Lesly, ebenfalls einen Schotten, wandte sich Butler. In der Nacht vom 24. auf den 25. Februar verschworen sich diese drei Männer in der Zitadelle bei gezückten Degen, Wallenstein sofort aus dem Weg zu räumen. Es ward ausgemacht, daß am folgenden Abend Gordon die Generale zu einem Faschingsschmaus auf die Burg laden solle; bei diesem Schmaus sei die Tat zu vollbringen. Alles drängte zur Eile, schon hatte Illo frohlockend die Kunde gegeben, daß am andern Tag die Schweden in Eger einrücken würden.

Am 25. Februar, es war ein Samstag, gab Graf Terzka den Offizieren ein Gastmahl. Darnach, um sechs Uhr abends, fuhr er mit Kinsky, Illo und dem Rittmeister Neumann in einer Kutsche zum Faschingsschmaus auf die Burg. Man setzte sich zur Tafel und speiste und zechte lustig. Nach dem Essen veranstalteten Gordon und Lesly, daß das Obertor der Stadt geöffnet und hundert Mann von Butlers irischen Dragonern und eben so viele deutsche Soldaten in die Stadt gelassen wurden; mit ihnen verstärkte man die Wache auf der Burg, die nun abgesperrt wurde. Unterdessen war das Konfekt aufgetragen worden. Da erhielt Gordon ein fingiertes Schreiben, das angeblich von Kursachsen verfasst und nun aufgefangen war. Es stand darin, daß der Kurfürst die Absicht Wallensteins, vom Kaiser abzufallen, nicht billige, und daß er gesonnen sei, Wallenstein dem Kaiser auszuliefern, wenn er ihn in seine Gewalt bekomme. Gordon reichte den Brief Illo hinüber; dieser las ihn und schüttelte den Kopf. Auch die andern lasen ihn, es erhob sich ein Streit; um freier reden zu können, wurde die Dienerschaft hinausgeschickt; sie wurde in ein abgelegenes Gemach zum Essen geführt und dort eingeschlossen. Nun war man mit den Schlachtopfern allein.

Kaum hatten sich die Diener entfernt, so traten aus den beiden Nebenzimmern des Speisesaals der italienische Obristwachtmeister Geraldino und die irischen Hauptleute Deveroux und Macdonald mit sechsunddreißig Dragonern. Deveroux rief laut:

“Viva la casa d’Austria!“

Und Deveroux:

„Wer ist gut kaiserlich?“

Butler, Gordon und Lesly antworteten schnell:

„Vivat Ferdinandus! Vivat Ferdinandus!“

Ergriffen ihre Degen und jeder einen Leuchter von der Tafel und traten auf die Seite. Die Irländer schritten auf den Tisch zu und warfen ihn über den Haufen. Kinsky wurde zuerst niedergestoßen, dann Illo nach kurzer Gegenwehr; Terzka, der glücklich seinen Degen erlangt hatte, stellte sich in eine Ecke und verteidigte sich mannhaft. Sein Wams von Elenshaut schützte ihn gegen mehrere Hiebe, so daß ihn die Dragoner für einen Gefrorenen hielten; endlich trafen ihn einige Dolchstöße im Gesicht, er fiel und wurde mit den Kolben der Musketen erschlagen. Rittmeister Neumann hatte sich verwundet ins Vorhaus geflüchtet und wurde draußen erstochen. Die Körper der Gemordeten gab man den Dragonern preis, die sie bis aufs Hemd auszogen.

Gordon ließ nun den Speisesaal schließen und blieb bei der Wache auf der Burg, Lesly begab sich auf die Hauptwache am Markt, und Butler besetzte Wallensteins Wohnung. Es war eine finstere, unfreundliche Nacht, der Wind heulte und ein feiner Regen klirrte an die Fenster.

„Es ist,“ heißt es in den Frankfurter Relationen, „sonderlich zu merken, daß selbige Nacht um neun Uhr ein erschreckliches Windsbrausen erstanden, welches bis gegen Mitternacht gewähret. Hat sich also gleichsam das Firmament über die grausamen Mordtaten entsetzet und einen Abscheu getragen.“

Deveroux unternahm mit zwölf Mann den Gang zum Herzog. Die Wache am Haus ließ ihn durch, weil sie glaubte, daß er eine Meldung zu machen habe. Im Vorzimmer begegnete er dem Kammerdiener Wallensteins, der seinem Herrn, welcher eben ein Bad genommen hatte und sich zu Bett begeben wollte, den Nachttrunk brachte, Bier auf goldener Schale; Deveroux ward von ihm bedeutet, keinen Lärm zu machen. Sein Astrolog Seni hatte Wallenstein eben verlassen; er soll ihn aus den Sternen gewarnt haben. Wallenstein hatte den Lärm gehört, den die Aufstellung der Soldaten auf dem Markt veranlasst hatte; er hatte das Schreien der Gräfinnen Terzka und Kinsky im Hintergebäude gehört, denn beide hatten schon von der Ermordung ihrer Männer auf der Burg erfahren; er war ans Fenster getreten und hatte die Schildwache gefragt. Deveroux forderte vom Kammerdiener den Schlüssel zu Wallensteins Zimmer, und als der Diener sich weigerte, sprengte er die Tür mit dem lauten Ruf:

„Rebell! Rebell!“

und trat mit seinen Mordgesellen ein. Wallenstein stand im Nachtkleid an den Tisch gelehnt.

„Du mußt sterben, Schelm!“

rief ihm Deveroux zu.Wallenstein eilte ans Fenster, um Hilfe herbeizurufen, Deveroux folgte ihm mit der Partisane. Wallenstein breitete die Arme aus, und ohne einen Laut von sich zu geben empfing der große Mann den Todesstoß.

Sein Leichnam wurde in einen roten Fußteppich gewickelt und in Leslys Kutsche auf die Zitadelle gebracht. Da lag er mit den vier Leichnamen der andern Ermordeten den ganzen Sonntag über. Am Montag wurden alle nach Mies auf Illos Schloss gebracht und begraben. Bloß Neumann nicht; wegen seiner lästerlichen Reden beim letzten Bankett, daß er ehestens in der Herren von Österreich Blut seine Hände zu waschen verhoffe, wurde er unter dem Galgen eingescharrt.

Wallensteins Sarg war zu klein geraten, und damit er Platz habe, mußten ihm die Beine zerbrochen werden.

Schweigend ist er aus dem Leben geschieden; geheimnisvoll hatte er die Pläne und Entwürfe, die seine Seele nährten, in tiefster Brust eingeschlossen, und über seinem Leben und über seinem Tode liegt ein undurchsichtiger Schleier.

Die Güter der Ermordeten wurden sämtlich eingezogen; von den Besitzungen Wallensteins, die auf fünfzig Millionen Gulden geschätzt wurden, fiel das meiste dem Kaiser zu. Die abtrünnigen Generale wurden reich belohnt, die Mörder machten ihr Glück und wurden angesehene Leute, aber alle Anhänger Wallensteins wurden geächtet und vierundzwanzig Obristen und Hauptleute wurden in Pilsen hingerichtet.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Deutsche Charaktere und Begebenheiten